Die Natur ist weise, und sie kann uns vieles lehren. Aber darauf können wir uns nicht ausruhen. Wir müssen selbst Ökosysteme aufbauen.
Ein Diskussionsbeitrag von Nikolai Fuchs, Vorstand GLS Treuhand e. V.
Perfekt abgestimmte Kreisläufe, eine beeindruckende Vielfalt und geniale technische Konstruktionen — in jeder Hinsicht ist die Natur großartig eingerichtet. Allerdings haben wir Menschen die Natur bereits stark geschwächt, ihr Gleichgewicht empfindlich gestört und ihre Vielfalt extrem reduziert. Es gibt keinen Ort mehr auf der Welt, an dem die Natur noch ungestört ist. Darum wird das heutige Zeitalter auch als Anthropozän bezeichnet.
Ein wichtiger Ansatz ist darum, die Natur in ihrer Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit zu stärken. In der Waldwirtschaft beispielsweise muss gegen Bodenversauerung erst einmal gekalkt werden. Dann ist ein gezielter Bodenaufbau notwendig, etwa durch einen mehrstufigen Mischwald. Manche Förster streuen mit Blick auf den Klimawandel bereits einzelne Baumarten aus südlicheren Gefilden ein. In der Landwirtschaft, die derzeit mehr Erdoberfläche einnimmt als Wald, wird erstmals keimhaft mit regenerativer Landwirtschaft versucht, den Abbautendenzen etwas entgegenzusetzen. Dazu gehören die Einsaat von Zwischenfrüchten und Untersaaten, die breite Verwendung von Kompost und der Verzicht auf tiefes Pflügen. Das sind alles wichtige Techniken, die es weiterzuentwickeln und zu verbreiten gilt.
Die Schöpfung lebt als Genesis unter der sichtbaren Oberfläche des Werkes. Nach rückwärts sehen das alle Geistigen, nach vorwärts (in die Zukunft) nur die Schöpferischen. Paul Klee, Tagebuch, 1914
Was können wir darüber hinaus von der Evolution lernen? Die Entwicklungen der Natur führen zu immer mehr Komplexität und Autonomie der Organismen, zu immer höheren Freiheitsgraden. Die Bergdohle, der man die reine Lust am Fliegen ansieht, der springende Delfin, die Krähe, die die Nuss auf einen Stein fallen lässt — dies alles sind Ausdrücke von Spiel und flexiblem Lernen, die über die reine Naturnotwendigkeit hinausweisen. Vielfalt weiterzuentwickeln, Förderung der Interaktion, der Beziehungen und damit eine gegenseitige Steigerung — darum könnte es in einer zukunftsfähigen Landwirtschaft gehen. Höfe in gemeinnütziger Trägerschaft, die auch die GLS Treuhand unterstützt, gehen oft wie von selbst diesen Weg, indem sie immer mehr interagierende Betriebszweige dazuentwickeln. Wenn sie Milchkühe halten, tritt oft die Käseherstellung hinzu. Die Molke kann Schweine ernähren. Mit eigenen Pflanzenzüchtungen kann das Potenzial des Standortes besser genutzt werden.
Getreidebruch aus der Reinigung ist für Hühner sehr geeignet. Oft kommen Bienen dazu, vielfältiger Gemüseanbau für den Hofladen, manchmal sogar noch ein Hofkindergarten. Ein ganz neues Ökosystem entsteht. Damit wird ein Evolutionsprinzip — von der Vielfalt zur Komplexität — kultiviert und die Natur so über sich selbst ein Stück weit hinausgeführt. Wie es im Begriff Kulturlandschaft schön zum Ausdruck kommt, verbindet sich Natürliches mit menschlichem Zutun zu etwas Neuem. Die höchste Biodiversität gibt es hierzulande übrigens nicht in den Urwäldern, sondern in den Kulturlandschaften. Es liegt an uns, dieses Potenzial zu entfalten.
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Foto: Silvestri Matteo
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