„Über Geld spricht man nicht.“ Tatsächlich? Wer die Zeitungen aufschlägt, Nachrichten hört oder den Wirtschaftsvorträgen der Stammtischdozenten lauscht, findet das Gegenteil wahr: Alle Welt redet über Geld. Über die verpufften Milliarden im großen Investmentspiel, über Manager-Millionengehälter und -abfindungen, über nächstens notwendig werdende Tausender für Miete, Heizung, Benzin, Krankenversicherung oder private Rentenvorsorge. Und über ein paar Hartz-4-Regelsatz- Hunderter spricht man auch. Beruhigend oder gar ermunternd ist das in aller Regel nicht. Vor allem auch deshalb nicht, weil wir auf wirtschaftlich-gesellschaftlichem Feld zwar die überwiegend negativen Wirkungen erleben, die dahinterliegenden Ursachen aber selten sehen, geschweige denn wirklich verstehen.
Wirtschaft – die moderne, hoch technisierte, hochkomplexe Realwirtschaft – ist kompliziert. Und die globale Finanzwirtschaft, mit ihren selbst für Insider gelegentlich undurchschaubaren Meta-Derivaten, sowieso. Also ist fundierte ökonomische Bildung Mangelware und demnach ein wertvolles, stark nachgefragtes Gut? Wie man’s nimmt. Denn während die Ratgeber- und Börsenguruliteratur, die Hochglanzwirtschaftsmagazine und TV-Wallstreet-Erklärer längst boomten, war es um die ökonomische und finanzielle Allgemeinbildung an unseren Schulen und Hochschulen lange Zeit schlecht bestellt. Und heute? Die ökonomische Bildung habe zwar seit dem Ende der Neunzigerjahre in den Lehrplänen stark zugenommen, sagt Birgit Weber, Professorin für Didaktik der Sozialwissenschaften und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Ökonomische Bildung, sie vermisse aber dennoch eine die verschiedenen Schultypen und Altersstufen umfassende, systematische ökonomische Schulbildung. Ihre Forderung: „Schüler sollen befähigt werden, in ökonomisch geprägten Lebenssituationen (als Konsumenten, Produzenten, Berufswähler, Erwerbstätige und Investoren) angemessen, selbstbestimmt und verantwortlich Entscheidungen zu treffen und dabei auch die Konsequenzen für andere zu sehen.“ Auch sollen sie selbstständig urteilen können, wenn es um ökonomische Zusammenhänge und Probleme geht.
Während das Ziel einer den Namen verdienenden ökonomischen Allgemeinbildung unbestritten scheint, ist es insbesondere um die Ausbildung und Qualifikation der Unterrichtenden nicht immer gut bestellt. Kein Wunder, dass der Ruf nach einem eigenen Schulfach „Wirtschaft“ immer lauter wird. Doch der Schluss „Wenn kein eigenes Fach, dann keine eigene Lehrerausbildung, dann keine ordentliche Versorgung der Schüler“ ist keineswegs zwingend. Denn, so Weber: „Soziale, politische, ökonomische und ökologische Fragen sind untrennbar miteinander verbunden“. Und ganz gleich ob wir unser Geld verdienen, ausgeben oder investieren – ob, warum und wie wir das tun, hängt ganz gewiss nicht alleine von unserem ökonomischen Einsichtsvermögen ab.Mit anderen Worten: Ökonomische Bildung ist von Anfang an mehr als eine Art reduzierter Volks- und Betriebswirtschaftslehre.
Während sich Fachdidaktiker wie Birgit Weber um die Fundamente einer umfassenden ökonomischen Schulbildung bemühen, werden außerschulisch seit einiger Zeit fleißig „Care-Pakete“ geschnürt. Banken, Sparkassen und Wirtschaftsverbände geben, zumeist kostenlos, Broschüren und Unterrichtsmaterialien zur ökonomischen Bildung heraus, schicken Manager und Meister in die Klassen, laden zu Börsenspielen und Betriebspraktika ein. „Nicht alles ist manipulativ, auch wenn natürlich mit jedem Angebot die Interessen einer Gruppe transportiert werden“, meint Birgit Weber und denkt über einen unabhängigen „Schul-TÜV“ für ökonomische Lehrmaterialien nach. Noch wichtiger aber seien „urteilsfähige Lehrkräfte, die zwischen Nutzen und Schaden unterscheiden können. Dabei geht es nicht so sehr darum, ob sich irgendwo ein falscher Satz eingeschlichen hat. Wichtiger ist: Was wird ausgeblendet? Was steht nicht drin?"
Ralf Lilienthal
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