10 Jahre Crowd – eine Bilanz

Vor 10 Jahren kam Crowdfunding nach Deutschland. Anlass, einmal einen genaueren Blick auf diese Art der Kapitalbeschaffung zu werfen und zu fragen, welche Rolle Nachhaltigkeit dabei spielen kann.

Beim klassischen Crowdfunding wie es zum Beispiel die Plattform startnext anbietet, gibt es für die Geldgeber keine Gegenleistung monetärer Art. Beim Crowdinvesting hingegen können private Anleger*innen zwischen 250 und 25.000 Euro in Projekte und Unternehmen investieren und erhalten dafür eine entsprechende Rendite. Der Markt für Crowdinvesting hat sich rasant entwickelt. Wurden 2011 gerade mal 1,4 Millionen Euro über die Finanzierungsplattformen eingesammelt, waren es im Jahr 2018 schon 297 Millionen Euro. Im Frühjahr 2017 hat die GLS Bank eine eigene Crowdinvesting-Plattform initiiert, die GLS Crowd. Seitdem haben private Investor*innen insgesamt etwa 15 Millionen Euro in nachhaltige Unternehmen und Projekte aus den Branchen Ernährung, erneuerbare Energien, nachhaltige Wirtschaft und Wohnen investiert.

Mit verschiedenen Interviewpartnern ziehen wir eine Zwischenbilanz zur Schwarmfinanzierung. Unser Bankspiegel Chefredakteur Falk Zientz macht den Start mit Dirk Kannacher, Mitglied des Vorstandes der GLS Bank.

Wann hast Du zum ersten Mal das Potenzial von Crowdfunding erahnt?

Dirk Kannacher, GLS Vorstand, verantwortlich für Crowd

Das war 2015 durch die Beschäftigung mit „Crowdlending“, also mit der Online-Kreditvermittlung zwischen Privatpersonen und Unternehmen. Unter anderem gab es einen Austausch mit den Gründern der Plattform Lendico. Entscheidend für mich war zu sehen: Eine Stufe weiter gedacht ist das der Gründungsimpuls der GLS Bank – auf digitaler Basis. Menschen tun sich zusammen, um gemeinschaftlich Neues zu ermöglichen. Das hat mich fasziniert und auch als Banker sehr angesprochen.

Worin hast Du zum ersten Mal selbst investiert?

Gleich beim ersten Funding der GLS Crowd war ich dabei und bin seither als Kunde Nummer 12 auf der Plattform aktiv. Selbstverständlich wollte ich gleich wissen: Wie fühlt sich Crowdinvesting ganz praktisch an?

Wie hast Du am Anfang andere Menschen für den Aufbau eines Crowd-Angebotes überzeugt?

Das ist die digitale Fortsetzung des Grundgedankens der GLS Bank: Menschen direkt mit zukunftsfähigen Initiativen zusammenzubringen. Es geht um gemeinsame Werte, um den Sinn von Unternehmen, um gesellschaftliche Aufgaben. Ich bin davon überzeugt, dass es uns in Zukunft nur noch für diese Art des Bankings braucht. Crowdplattformen sind großartige Instrumente dafür.

Was war Deine größte Hoffnung?

Wenn die GLS Crowd genau so groß wäre wie die GLS Bank, dann könnten wir doppelt so viele Initiativen ermöglichen. Mit dem Crowdinvesting lassen sich insbesondere Unternehmen finanzieren, die einen ersten „Proof of Market“ erbracht haben und jetzt ihr Angebot ausweiten wollen. Das ist eine sehr wichtige Geldqualität für die gesellschaftliche Transformation, sei es für Klimaschutz, bezahlbaren Wohnraum oder ökologische Landwirtschaft. Immerhin 19 Finanzierungen konnten wir schon realisieren.

Und Deine größte Enttäuschung?

In drei bis vier Unternehmen, die wir finanziert haben, sind mittlerweile ernsthafte Probleme aufgetreten. Was mich wirklich sehr enttäuscht hat war, dass viele dieser Unternehmen sich erst sehr spät oder gar nicht mit den Problemen bei uns gemeldet haben. Wir als GLS Bank können in der Regel sehr effektiv an Lösungen mitarbeiten, durch Beratung und Finanzierung, nicht zuletzt durch unser hervorragendes Netzwerk, auch für Unternehmenskooperationen und Vertrieb. Dafür sind wir da! In Zukunft werden wir das als GLS Crowd und ich persönlich als Vorstand im persönlichen Gespräch mit den Unternehmer*innen klar vereinbaren: Wenn sich Probleme ankündigen, dann werden wir proaktiv informiert und angesprochen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Dieses Vertrauen ist Voraussetzung für den Vorschlag zur Finanzierung.

Was ist aktuell die größte Herausforderung?

Das ist die reale menschliche Beziehung zwischen den Vertragsparteien. Geld braucht das Vertrauen zwischen den Menschen, wenn es sinnvoll wirken soll. Und es geht um die gesellschaftliche Relevanz, dass nachhaltige Unternehmen und Angebote breitenwirksam werden.

Was nimmst Du Dir für das Crowd-Angebot in 2020 vor?

Nach drei Jahren wollen wir die GLS Crowd jetzt auf eine neue Stufe stellen und dafür unsere wertvollen Lernerfahrungen nutzen. Für den weiteren Ausbau brauchen wir Partnerschaften, in denen jeder Partner seine Kernkompetenzen einbringen kann. Dafür sind wir bereits auf einem guten Weg.

Welche gesellschaftliche Relevanz wird Crowdfunding 2030 haben?

Crowdfunding ist dann ein selbstverständlicher Teil des Finanzierungsangebotes. Durch die direkten Beziehungen ist den Menschen die Sinnhaftigkeit ihres Umganges mit Geld viel wichtiger geworden. Das stärkt unser gegenseitiges Vertrauen, das wir für eine gesellschaftliche Transformation brauchen.

Unseren nächster Beitrag zur Crowdfunding-Plattform startnext gibt es im nächsten Jahr.

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GLS Crowd: Mitten im Schwarm

Foto: Photo by Matthew T Rader on Unsplash

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2 Antworten zu „10 Jahre Crowd – eine Bilanz“

  1. Avatar von Rolf Wagner
    Rolf Wagner

    |

    Der Aufbau des Crowd-Accounts erscheint recht rudimentär.
    -Kein Überblick auf das verbliebe Kapital nach Teilrückzahlungen, um als Investor das noch gebundene Kapital auf einen Blick zu erkennen.
    -Wenig bis keine „proaktive“ Informationen zum weitern Insolvenzverlauf der teils verbrecherischen Machenschaften (Energiebau Ramstein GmbH) oder anderen fragwürdigen Abwicklung (Ein Euro Rückkauf der „Firma“ durch eigene Leute -BIP-Industrietechnik GmbH-)
    Da bin ich gespannt, ob die anderen Geldnehmer die GLS-Community als Unterstützung in Zukunft mehr wertgeschätzt werden und den Gedanken an eine gute Idee pflegen. Es könnte ja auch darüber nachgedacht werden, ob der/die Crowdgeber*in sich auch mit einem geringeren Zins zufrieden geben würden, aber die GLS-Bank dafür eine gewisse Absicherung übernehmen könnte….etc.

  2. […] 10 Jahre Crowd – eine Bilanz […]

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