Schale Suppe mit zwei essbaren Löffeln

FRENVI: Müll vermeiden mit essbarem Besteck

Kein Müll trotz Einweg-Gabel. FRENVI, eine Wortkomposition aus FRiendly und ENVIronment, macht es möglich: mit essbarem Besteck. Jetzt baut das Unternehmen eine neue Produktionsanlage in der Nähe von Mannheim. Sie wird, mit weiteren Partner*innen, auch von der GLS Bank finanziert.

Das Rührstäbchen für den Coffee to go, der kleine Löffel für den Eisbecher oder das Plastikbesteck fürs Festival, sie alle haben eines gemeinsam: Es handelt sich hierbei um Einwegbesteck. Und, wie der Name schon sagt, Einwegbesteck ist dazu gedacht, dass es einmal benutzt und dann entsorgt wird. Um den dabei entstehenden Müll zu vermeiden, hat die EU 2021 ein Einwegplastikverbot verabschiedet. Seitdem besteht Einwegbesteck in den meisten Fällen aus Holz. Das klingt nach einer nachhaltigen Alternative zu Plastik, denn Holz ist biologisch abbaubar. Holzbesteck jedoch ist häufig beschichtet – und damit nicht mehr kompostierbar. Wir haben wieder: Müll. Was gibt es für Lösungen?

Die beiden Gründer von Frenvi: Phanindra Gopala Krishna und Abhinav Ramachandran.
Die beiden Gründer von FRENVI: Phanindra Gopala Krishna und Abhinav Ramachandran.

Eine konsequente Zero-Waste-Antwort auf das Einwegplastikverbot der EU wäre essbares Besteck. Das deutsch-indische Greentech Start-up FRENVI hat dafür ein patentiertes Verfahren entwickelt. Die beiden Gründer, Phanindra Gopala Krishna und Abhinav Ramachandran, lernten sich während ihres Ingenieursstudiums in Deutschland kennen. 2019 gründeten sie FRENVI, das seinen Sitz in Mannheim hat. Mit Unterstützung der Deutschen Entwicklungsgesellschaft wurde eine Pilotanlage in Bangalore, Indien, errichtet, die 2022 ihren Betrieb aufnahm. Jetzt entsteht eine zweite Produktionsanlage in Walldorf in Baden-Württemberg.

Einwegprodukte lassen sich in unserem Alltag nicht immer vermeiden. Umso wichtiger ist es, hier nachhaltige Alternativen zu unterstützen. Unser Kunde FRENVI bietet innovative Produkte an, die einen echten Beitrag zur Müllvermeidung leisten. Solche Unternehmen beweisen, dass Circular Economy und Zero Waste keine abstrakten Konzepte sind, sondern konkret umgesetzt werden können. Das haben wir gemeinsam mit anderen Finanzierungspartnern gerne unterstützt.

Juliane Müller, Branchenleiterin
Juliane Müller
Juliane Müller, Branchenleiterin Nachhaltige Wirtschaft bei der GLS Bank. Foto: Stephan Münnich, GLS Bank

Interview mit Stefan Beyerle, verantwortlich für das operative Geschäft, Marketing und Verkauf bei FRENVI

Essbares Besteck ist in Deutschland noch nicht sehr verbreitet. Wie überzeugen Sie skeptische Verbraucher*innen? Ich könnte zum Beispiel befürchten, dass mir das Essen dadurch nicht mehr schmeckt. Oder ich muss meine Suppe ganz schnell essen, bevor mir mein Löffel zerfällt…

Ha, gute Einstiegsfrage von Ihnen! Zwar ist Hitze und Flüssigkeit tatsächlich die größte Herausforderung für einen Löffel, aber Sie müssten schon sehr, sehr langsam essen, bis der Löffel komplett aufweicht. Die andere Herausforderung ist Kälte: Wenn etwa Ihr Eis noch steinhart ist, darf ein Eislöffel, egal aus welchem Material, nicht brechen.

Grundsätzlich wollen wir hier in Europa vom Einwegmüll wegkommen. Essbares Besteck ist die einzige echte Zero-Waste-Alternative, bei der gar nichts zurückbleibt. Das Tolle ist ja, dass ich einen Löffel und gleichzeitig einen Keks habe. Bei verschiedenen Wettbewerben, bei denen Leute aus dem Publikum unser essbares Besteck getestet haben, haben wir immer sehr gut abgeschnitten. Bei Holzlöffeln hat man oft den Geschmack von Holz im Mund. Das gibt es bei den essbaren Löffeln nicht. Da die Oberfläche geschlossen ist, schmecken Sie erst beim Reinbeißen Vanille oder Schokolade oder eine andere Geschmacksrichtung.

Ein Team aus 12 Menschen, alle arbeiten bei Frenvi und tragen dementsprechend den gleichen Pulli.
Teamfoto von einigen Mitarbeitenden. Stefan Beyerle ist in der vorderen Reihe mittig zu sehen.

Das erste FRENVI-Produkt war das essbare Besteck mit dem Namen EATlery. Jetzt gibt es auch kompostierbares Geschirr. Wie kam es dazu?

Bei den essbaren Produkten war die Größe ausschlaggebend. Wenn mein Mittagessen auch auf einem essbaren Teller serviert würde, wäre mir der sehr wahrscheinlich zu groß und ich würde ihn nicht aufessen. Dann würden wir Lebensmittel wegschmeißen und das wollen wir nicht. Dieser Gedanke war die Zäsur hin zu kompostierbaren Varianten. Wir nutzen das gleiche Verfahren in leicht veränderter Form und mit anderen Grundstoffen und produzieren so kompostierbares Geschirr.

Welche Voraussetzungen muss kompostierbares Geschirr erfüllen?

Bei der COMPOSTware haben wir den Ansatz, dass alles auf dem eigenen Kompost im Garten abgebaut werden kann. Die Produkte sind aus nachwachsenden Rohstoffen und werden innerhalb von 30 Tagen zersetzt. Die Biofasern, die wir bei der COMPOSTware verwenden, kommen von Abfallprodukten und Überresten, die sowieso da sind. Es gibt keine chemischen Zusätze und deshalb braucht es für die Zersetzung keine Industrieanlage.

ein essbarer Eislöffel vor grünem Hintergrund
Das ist der essbare Eis-Löffel von FRENVI.

Neben der Produktion ist FRENVI in der Forschung aktiv. An was forschen Sie aktuell?

Wir forschen daran, wie Reststoffe aus der Industrie wieder in den Kreislauf eingebunden werden können. Phani, einer der Gründer von FRENVI, hatte die Idee, hier, im Land des Bieres, Biertreber zu nehmen. Biertreber ist der Rückstand des Malzes, der beim Bierbrauen anfällt. Als andere Firmen das mitbekommen haben, haben sie uns weitere Stoffe geschickt. Fasermaterialien, die normalerweise weggeschmissen oder verbrannt werden. Mittlerweile forschen wir nicht nur an Geschirrlösungen, sondern auch an Dämmmaterialien für den Bau. Dafür nehmen wir Teetreber. Zuerst haben wir daraus Pflanzentöpfe gemacht. Und dabei festgestellt, dass wir daraus auch Platten als Baumaterial machen können.

Das essbare Besteck, das kompostierbare Geschirr und die Forschung: Alles fußt auf Ihrem patentierten Produktionsverfahren mit dem Namen „Continuous-Thermo-Compression-3D-Forming“. Was ist die Besonderheit?

Schon von Anfang an war uns klar, dass wir ein Verfahren entwickeln wollen, das Besteck zu niedrigen Herstellungskosten produziert, damit wir auch mit Holz oder Bambus konkurrieren können. Und das ist uns mit unserem vollautomatischen Produktionsverfahren gelungen. Das Besondere daran ist die Flexibilität: dass wir sowohl essbare als auch kompostierbare Produkte herstellen können. Mit dem Verfahren haben wir die Möglichkeit, Fasermaterialien in jede gewünschte Form zu bringen, und das nutzen wir auch bei unseren Forschungsprojekten. Bemerkenswert ist auch, dass wir hochfeuchte Reststoffe direkt verarbeiten können, ohne sie vorher mit hohem Energieaufwand trocknen zu müssen.

Die Pilot-Produktionsanlage steht in Indien, jetzt entsteht einen neue in Deutschland. Wie stark unterscheiden sich die Länder? Und wie zeigt sich das bei Ihnen im Team?

Wir haben ein buntes Team mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Und das funktioniert sehr gut. Was Deutschland und Indien angeht: Ich glaube, dass es kaum Kulturen gibt, die so unterschiedlich sind wie die Deutschen und die Inder. Die Struktur kommt von der deutschen Seite. Die schnelle Reaktion und Kreativität kommen von der indischen Seite. Diese Kombination hat uns geholfen. Wir haben seit unserer Gründung immer schwierige Zeiten gehabt. Erst Covid, dann der Angriffskrieg auf die Ukraine. Da sind unsere Herstellungskosten in die Höhe geschossen. Aber wir haben immer einen Weg gefunden, daraus das Beste zu machen.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Indien?

Als die beiden Gründer Phanindra und Abhinav aus Bangalore nach Deutschland kamen, empfanden sie Deutschland als sehr aufgeräumt. In Bangalore liegt Einwegplastik überall herum und wenn es zu viel wird, wird es einfach direkt am Straßenrand abgebrannt. Das Müllproblem ist dort sehr viel drängender, doch die Gesellschaft hat noch nicht so ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit wie in Deutschland. Aber nachhaltige Lösungen wollen auch die indischen Kolleg*innen und die kreativen Lösungen kommen oftmals von ihnen. Wir aus Deutschland bringen das Mindset mit und haben eine Vorstellung, wie das Ergebnis aussehen müsste. Und das setzen wir dann gemeinsam um.

Im Frühjahr 2025 wird in Walldorf in der Nähe von Mannheim die Produktion in Deutschland starten. Was wird durch die neue Anlage möglich?

Die Anlage, die in Walldorf entsteht, ist eine vollautomatisierte Anlage. Das heißt, vorne kommen die Rohstoffe rein und hinten kommt das fertige Produkt raus. Wir sprechen über eine Kapazität von über einer Million Einheiten pro Tag je Produktionslinie. Das war nur möglich, weil wir den Zwischenschritt über Indien gegangen sind. In der Pilotanlage konnten wir 200.000 Einheiten pro Tag produzieren. Diese Anlage ist aber auch nur halbautomatisch.

drei essbare Löffel und Salz liegen auf einem Tisch

Welche Ziele hat FRENVI für die nächsten Jahre und wo sehen Sie die Herausforderungen?

Wir setzen jetzt hoffentlich bis Mitte nächsten Jahres die deutsche Produktion erfolgreich um. Und aus unseren Forschungsprojekten kommt sicherlich auch noch das eine oder andere neue Produkt.

Was uns als Startup und kleines Unternehmen immer fehlt, ist das Eigenkapital. Wir sind deshalb auch wieder auf Investorensuche, um unsere Forschungsprojekte und neue Produkte zu finanzieren.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Euch alles Gute für den Produktionsstart in Deutschland.

Zur Autorin

Katharina Rosenberger, Studentin der Nachhaltigen Ökonomie und Management in Eberswalde. Beim Warten an Bahnhöfen, beim Waldspaziergang – immer wieder fällt mir auf, wie viel Müll in der Umwelt herumliegt. Unternehmerische Lösungen, die keinen Müll hinterlassen, interessieren mich deshalb besonders.

Katharina Rosenberger
Foto: Stephan Münnich, GLS Bank
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2 Antworten zu „FRENVI: Müll vermeiden mit essbarem Besteck“

  1. Avatar von Zoeli
    Zoeli

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    Ich kann leider keine so richtige Info dazu finden, woraus das essbare Besteck besteht. Ist es glutenfrei?

    Oder wird das Alltagsleben von Zölis dann noch weiter erschwert, weil man beim Auswärtsessen und -trinken dann auch noch drauf achten muss, dass kein Gluten im Kaffee(!) ist? Biertreber geht auf jeden Fall schonmal nicht, egal ob essbar oder kompostierbar.

    Es wäre schön, wenn endlich mal angefangen würde, *wirklich* inklusiv zu denken und zu handeln.

    Beeinträchtigung ist nicht nur, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, obwohl diese Menschen mittlerweile stereotyp immer dann abgebildet werden wenn es um Beeinträchtigungen und Barrierefreiheit geht.

    Auch Menschen mit chronischen Erkrankungen sind Beeinträchtigte, die ebenso wie Rollis ein Bedürfnis nach gesellschaftlcher Teilhabe haben.

    Tatsache ist, es ist für Rollis in Deutschland einfacher, unbeschwert mal mit Freunden schön essen zu gehen als es das für Zölis ist.

    Und ein glutenhaltiges Besteck erschwert das zusätzlich, egal ob es aufgegessen wird oder auch nur mit dem Essen in Berührung kommt.

  2. Avatar von Andrea Ickert
    Andrea Ickert

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    wunderbar die Idee..wo kann man ein Probeexemplar erwerben

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