Gegen Fake News wirkt nur Medienkompetenz

Zwischen Raketen, Toten und Fake News: Medien- und Nachrichtenkompetenz hilft Kindern und Jugendlichen beim Umgang mit verstörenden Inhalten zum Krieg.

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 herrscht Krieg im Nahen Osten – und in den Social-Media-Kanälen. In die Flut grausamer Bilder und Videos von Angriffen, Sterbenden und Leid bei TikTok und Co. mischen sich antisemitische und antimuslimische Botschaften und sehr viel Desinformation: Fälschungen, Verzerrungen, Un- und Halbwahrheiten, erstellt mit dem Ziel, Menschen in die Irre zu führen.

Zur Einschätzung der Größenordnung: Auf der Plattform TikTok enthält jedes fünfte Video Falschinformation. Mindestens. Das zeigen Untersuchungen des Nachrichten-Rating-Unternehmens Newsguard. Weil gerade so viele Fakes und Gewaltdarstellungen zum Nahost-Krieg kursieren, hat die EU-Kommission die Konzerne TikTok, Meta mit Instagram und Facebook sowie X, vormals Twitter, bereits verwarnt.

TikTok ist DIE Nachrichtenquelle für Jugendliche

Und dennoch nutzen Kinder und Jugendliche diese Medien: Fast 80 Prozent der 14- bis 15-Jährigen verbringen zum Beispiel Zeit auf TikTok. Und sie nutzen die Plattform tatsächlich als Nachrichtenquelle. Und als Suchmaschine. Vor allem Jugendlichen begegnen entsprechend auch Gewaltdarstellungen und Desinformation, wenn sie ihre Informationen zum Nahost-Krieg dort beziehen. Verstörende Nachrichten, Bilder und Desinformation kommen auch auf anderen Wegen: zum Beispiel mit geteilten Inhalten über den Klassenchat bei WhatsApp oder aus der Familiengruppe.

Nachrichten zum Krieg kommen natürlich auch über die Medienkanäle der älteren Generationen bei Kindern und Jugendlichen an. Über viele journalistische Formate, denn natürlich berichten Journalist*innen gerade sehr oft über den Krieg. Es werden Bilder gezeigt, auch solche, die Kinder und Jugendliche erschrecken können. Wenn journalistische Formate konsumiert werden, ist es ebenso wichtig, einen gesunden Umgang zu finden: altersgerechte Formate zu wählen und im Gespräch zu bleiben. Am Ende des Artikels findest du dazu einige weiterführende Tipps.

Der große Unterschied zwischen Social-Media-Inhalten und journalistischen Formaten ist aber die Nachrichtenauswahl, die auch berufsethischen Kriterien folgt, Recherche und die Übernahme inhaltlicher Verantwortung durch Redaktion und Journalist*in.

Gerade vor dem Hintergrund, dass so viele Jugendliche sich vor allem in sozialen Medien informieren und dort den vom Algorithmus getriebenen Inhalten ausgesetzt sind (die für Nutzende jedoch nicht durchschaubar sind), macht Informationskompetenz zentral für den Umgang mit Nachrichten:

  • Wer was und mit welchem Ziel berichtet,
  • wie Journalist*innen arbeiten und wie Influencer*innen,
  • was glaubwürdige Information ist und was nicht,

ist insgesamt für junge Mediennutzende viel schwerer zu durchschauen, weil sie andere Kanäle zur Information nutzen. Auf denen halten sich Eltern und pädagogische Fachkräfte nicht auf und oft wissen sie auch nicht viel über sie.

Informationskompetenz: Verstehen, was ich sehe

Um zu verstehen, was passiert, und selber einschätzen zu können, was richtig und was falsch ist, ist Informationskompetenz von unschätzbarem Wert:

  • Was ist eine vertrauenswürdige Quelle?
  • Wer will mir hier etwas erzählen?
  • Was sind Hinweise auf Desinformationen – Fake News?
  • Stimmt das, was ich sehe?
  • Und was kann ich selber tun?

Kinder und Jugendliche brauchen diese Medien- und Informationskompetenz, um Informationen einordnen zu können. Und um ihre Handlungsmöglichkeiten zu kennen. Denn: Der Algorithmus der Plattformen macht die Nachrichten groß, die viel geteilt, geliked und kommentiert werden. Davon werden auch Fake News groß – damit können aber auch alle Nutzenden sie klein halten. Wenn sie sie erkennen.

Hinzu kommt: Plattformen nutzen die Ausgestaltung ihrer Algorithmen auch, um Inhalte, die im Interesse der plattformbetreibenden Konzerne stehen, besonders zu pushen. Auch hier hilft Nachrichtenkompetenz dabei, Informationen einzuordnen und Geschäftsmodelle zu erkennen.

Wie das geht und wie Desinformationen im Nahost-Krieg gemacht sind, zeigt die Reporterfabrik von CORRECTIV hier mit Lernangeboten speziell für Schulen. Zu sehen, welche Desinformationen aktuell kursieren, die Rolle zu wechseln und zu sehen, wie Faktenchecker*innen arbeiten, um Desinformation zu enttarnen, gibt Jugendlichen Wissen, das sie im Umgang mit Informationen, anwenden können.

Die Macht über die Informationsflut zurückbekommen

Ein Tipp: Nachrichten, die an große Gefühle appellieren, sollten uns sowieso immer anhalten lassen. Und die Urheber:in prüfen. Die genannten Quellen. Die Echtheit der Bilder. Wie das geht, zeigen viele Organisationen mit Tutorials im Netz – auch die Reporterfabrik und das Faktencheckteam von CORRECTIV. Das Wissen durch diesen Rollenwechsel hilft, gute von schlechten Quellen zu unterscheiden und trainiert das kritische Denken, das Mediennutzende brauchen, um Informationen einzuschätzen – und mit verstörenden Inhalten umzugehen. Weil es Orientierung in der Informationsflut gibt. Es zeigt Jugendlichen, dass sie selber etwas machen können. Und wenn es nur das ist: Wenn ich mir nicht sicher bin, teile ich das nicht.

Was beim Umgang mit schlimmen Nachrichten ebenfalls hilft, ist diese Kenntnis: Es gibt die Möglichkeit, verstörende Inhalte zu melden, anzuzeigen, andere User*innen in Kommentaren zu warnen oder sich an Faktencheck-Redaktionen mit Hinweisen zu wenden. Dann verschwindet das Gefühl der Hilflosigkeit.

Wissen über Recherche und Medien

Übrigens: Um ihr Wissen zu teilen, gehen bundesweit Journalist*innen in Schulen und berichten von ihrer Arbeit: Bei der Reporterfabrik können sich Schulen anmelden. Das Schulprojekt ist Teil von Journalismus macht Schule, einem Netzwerk, das bundesweit arbeitet und auch Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt.

Die journalistische Perspektive und das Handwerkszeug machen Kinder und Jugendliche stark im Umgang mit Informationen und damit auch sicherer beim Verarbeiten der Informationen. Zur Perspektive gehört auch, Fragen zu stellen, eigene Wissenslücken zu sehen und sie zu füllen. Gut gemachte Bildungsangebote und ein Glossar zu dem sehr komplexen Nahost-Krieg gibt es im Netz.

Das Projekt Israel-Palästina Bildungsvideos bietet mit “Trialoge” ebenfalls Schulbesuche an. Die Macher*innen haben palästinensische und jüdische Wurzeln. Auch diese Perspektiv-Vielfalt stärkt im Umgang mit verstörenden Nachrichten.

Tipp: Doomscrolling vermeiden

Von einer negativen Nachricht zur anderen zu wischen, nur von Krieg und Tod umgeben zu sein, sich aber dennoch nicht vom Feed lösen zu können: Dieses Verhalten nennt sich Doomscrolling, zusammengesetzt aus dem englischen Doom (Untergang) und Scrolling, dem Weiterschieben von Inhalten am Bildschirm.

Auch dafür sind junge Mediennutzende besonders anfällig, die Social-Media-Plattformen haben die maßgeschneiderten Angebote dafür. Und wer mehrere Videos zum Nahost-Krieg länger angeschaut hat, kriegt sowieso immer mehr ähnliche Angebote vorgeschlagen. Das Angebot an Inhalten endet auf Plattformen wie TikTok und Instagram nie. Auf negative Nachrichten reagieren Menschen emotionaler und stärker, das verstärkt den Suchtfaktor noch. Für die psychische Gesundheit ist die ständige Begegnung mit Gewalt und Elend nicht gut – für Heranwachsende, die Inhalte noch weniger einschätzen können, erst Recht. Die Organisation Hate Aid gibt hier einige nützliche Tipps, um sich selbst beim Doomscrollen zu stoppen – von Bildschirmzeit festlegen und im Telefon einstellen bis zu Ausstellen von Push-Nachrichten bestimmter Apps.

Vor Nachrichten schützen – mit den richtigen Angeboten

Voreinstellungen an Geräten für eine bewusste Auswahl von Medienangeboten schützen generell Heranwachsende vor Kriegsnachrichten. Denn: Nachrichten für Erwachsene sind für Erwachsene gemacht und nicht für Kinder. Die EU-Initiative klicksafe.de mit Sitz in Ludwigshafen weist darauf hin, dass Kinder und Jugendliche auf altersgerechten Angeboten im Netz und bei anderen Medien unterwegs sein sollten. Zum Beispiel bieten ARD und ZDF Sendungen wie logo! oder neuneinhalb an. Aber auch die Suchmaschinen Frag Finn und Blinde Kuh zeigen nur altersgerechte Inhalte an. Über diese landen Kinder dann wiederum auf Internetseiten, die für ihr Alter konzipiert sind. Denn auch wenn bereits der SafeSearch-Filter aktiviert ist, spucken gängige Suchmaschinen problematische Inhalte aus, erklärt klicksafe.de.

Außerdem raten die Medienpädagogik*innen Eltern, anderen erwachsenen Bezugspersonen und Lehrkräften dazu, Regeln zur Nutzung von Social Media und Messenger-Diensten wie WhatsApp oder auch Medien-Auszeiten zu vereinbaren und umzusetzen. Über verlässliche Quellen zu sprechen und zusammen Nachrichten zu schauen, sind ebenfalls wichtige Bausteine von Medienbildung.

Gesprächsangebote machen

Haben Kinder und Jugendliche Verstörendes gesehen, ist Reden das Wichtigste. Niemand soll mit den Inhalten alleine bleiben müssen. Kinder- und Jugendpsychologin Elisabeth Raffauf erklärt im Videointerview mit dem ARD-Format neuneinhalb: „Beim Reden verteilt man die Angst sozusagen auf mehrere Schultern. Man weiß, das darf man hier sagen und man muss sich nicht dafür schämen, dass man Angst hat.“ Angst infolge von furchtbaren Bildern ist das „normale und richtige Gefühl“, betont die Psychologin.

Fazit: Medienkompetenz so wichtig wie Bio und Mathe

Fest steht: In unser Mediengesellschaft müssen wir einen guten Umgang mit Informationen und Nachrichten finden – auch und insbesondere zu Kriegen und verstörenden gesellschaftlichen Entwicklungen. Zentral ist dabei die Fähigkeit, Nachrichten auf Richtigkeit überprüfen zu können. Diese Medienkompetenz ist für Schüler*innen heute so wichtig wie Mathe und Bio. Um die Welt zu verstehen und sich in der Flut an Informationen zurechtzufinden. Um Kinder vor verstörenden Inhalten zu schützen, ist es wichtig, Mediennutzung altersgerecht zu gestalten und vor allem im Gespräch zu bleiben, was Kindern im Netz und auf ihren Telefonen begegnet. Die folgende Übersicht zu Hilfsangeboten und Tipps bietet Denkanstöße und Anregungen zum Weiterlesen und einen Überblick über zentrale Medienbildungsangebote.

Wichtige Hilfsangebote und weiterführende Tipps zur Medienkompetenz:

Sicher durchs Internet Navigieren, Informationsangebote für Erwachsene

Inhalte melden

Hilfe für Jugendliche

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4 Antworten zu „Gegen Fake News wirkt nur Medienkompetenz“

  1. Avatar von GLS Online-Redaktion
    GLS Online-Redaktion

    |

    Vielleicht abschließend für alle diese Info:
    Correctiv listet alle erhaltenen Förderungen auf dieser Seite: https://correctiv.org/ueber-uns/finanzen/

  2. Avatar von Ronny Henze
    Ronny Henze

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    Sehr geehrte Frau Bunjes,

    vielen Dank für Ihre Darstellung.
    Was allerdings Ihre tatsächliche Unabhängigkeit angeht, so kommen doch anhand folgender Zahlen erhebliche Zweifel daran auf:
    „Correctiv wurde 2015-2018 mit 209.294 € von der Bundeszentrale für politische Bildung bpb und 2022 mit 462.000 € von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, wie Nius berichtet.
    Correctiv erhielt außerdem 400.000 € von der EU 2021-2022, 171.950 € von der Stadt Hamburg 2017-2018, 420.486 € vom Bundesland Nordrhein-Westfalen 2016-2022, 320.000 € von der Deutschen Telekom 2017-2020, 2.146.439,42 € vom Omidyar Network 2018-2022, 419.513,82 € von Open Society 2016-2021 und 506.0677 € von der Graichen-nahen Mercator-Stiftung (2019-2022).
    vgl. https://reitschuster.de/post/der-correctiv-lauschangriff-und-das-staatlich-finanzierte-zensurnetzwerk/
    sowie https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/claudia-roth-steuergeld-fuer-journalisten-die-auf-linie-sind-ld.1697102

    Bei Finanzierung über Steuer-/Staatsgelder sowie große Einzelspender kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass Sie nicht in deren Sinne, zumindest ansatzweise, schreiben. Eine gewisse „Staatsnähe“ kann durchaus unterstellt werden. Das zeigen Ihre häufigen Beiträge zu Claudia Roth. Es gibt jedoch jede Menge andere Politiker, auch aus der Opposition, die ebenfalls falsch zitiert worden sind. Zudem sind Sie ja nicht mit Kritik an den aktuell Regierenden in letzter Zeit aufgefallen.

    Insofern sind Sie m.E. nicht die richtige Institution, um hier über „Fake News“ zu schreiben.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ronny Henze

  3. Avatar von Ronny Henze
    Ronny Henze

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    Sehr geehrte Frau Bunjes,

    Ihr Blogbeitrag ist gut und schön. Aber wie stellen Sie bei Correctiv denn sicher, dass Sie tatsächlich unabhängig sind, wenn zu Ihren größten Geldgebern privatrechtliche Stiftungen mit ganz eigenen Vorstellungen zur „Wahrheit“ und „Meinung“ gehören, die maßgeblich zu Ihrer Finanzierung beitragen?
    Kann man denn so wirklich unabhängig sein, anstatt sich ausschließlich aus Kleinstspenden einer breiten Masse zu refinanzieren?

    Zu nennen sind hier nur 2 Beispiele für 2022:

    Luminate Foundation 636.331,94€
    Landeshauptkasse NRW 361.784,69€

    Eine private und eine staatliche Institution sind bereits ein maßgeblicher Teil Ihrer Finanzierung.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ronny Henze

    1. Avatar von Miriam Bunjes
      Miriam Bunjes

      |

      Lieber Herr Henze,

      Danke für Ihr Interesse an CORRECTIV. Wir stellen unsere Unabhängigkeit auch durch unseren Finanzierungsmix aus drei Säulen sicher. Neben Spenden aus der Bevölkerung finanzieren wir uns – nachlesbar in unserem Transparenzbericht, wo Sie ja auch bereits geschaut haben – durch öffentliche und institutionelle Förderer. Diese Finanzierungen sind begrenzt auf einzelne Projekte oder auf eine bestimmte Zeit, sie sind deshalb immer mit Unsicherheiten verbunden. Dafür ermöglichen sie aber auch, Ideen und Projekte schnell umzusetzen. Beispielsweise wurde die Reporterfabrik durch eine Stiftungsfinanzierung ermöglicht und bewirbt sich, um weitere Menschen zu erreichen und ihnen kostenlose oder kostengünstige Aus- und Fortbildung zu ermöglichen, für öffentliche Ausschreibungen. Unser Bildungsangebot für Schulen mit Schulbesuchen beispielsweise ist komplett kostenfrei, weil wir wissen, dass Schulen dafür keine Gelder in den jeweiligen Bundesländern bekommen können – wir aber Medienbildung zu wichtig finden, um sie dann ausfallen zu lassen.
      Die Finanzierung von Förderern ermöglicht es, neue Ideen anzustoßen und umzusetzen. Ohne Kleinstspenden wären die für unsere Arbeit zentrale Kontinuität nicht möglich, wir danken jedem einzelnen deshalb sehr herzlich für die Unterstützung und euer Engagement. Eine ausschließlich auf privaten kleinen Spenden basiertes Modell hätte – neben diesen großartigen Möglichkeiten – aber auch das Risiko, dass wir die Auswahl unserer Themen an einem möglichen Effekt auf Spenden ausrichten oder komplett auf das Interesse unserer Spender ausrichten. Das wiederum würde unsere Unabhängigkeit einschränken.
      Eine weitere Finanzierungsquelle sind Einnahmen aus unseren wirtschaftlichen Aktivitäten, wie dem Buchverkauf unseres Verlages und einigen Angeboten der Reporterfabrik. Durch die unterschiedlichen Säulen verteilen wir unsere Risiken und sichern unsere Unabhängigkeit.

      Mit freundlichen Grüßen

      Miriam Bunjes

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