Noch heute bekommen Kinder gesagt, dass sie aufessen sollen, was auf ihrem Teller ist. Denn andere Kinder würden hungern. Aber mal ehrlich: Was genau ist der Sinn dahinter? Was gegen Wegwerfen und Verschwendung wirklich ausgerichtet werden kann – ohne moralische Vorwürfe und Zwang –, das zeigen einige unserer Kunden*innen.
Von Lothar Schmitz, Journalist
„Verschwendung ist nicht nur ökologisch fatal, sondern wirkt sich auch auf die Bilanz eines Unternehmens negativ aus.“
„Wenn ich Billiglebensmittel kaufe, aber dauernd achtlos einen Teil davon wegwerfe, ist das nicht nur doppelt schlecht für die Umwelt, sondern am Ende auch teurer für mich, als wenn ich Bioprodukte kaufe, aber nur so viele, wie ich auch wirklich verbrauche.“
Tobias Bandel, Soil & More Impacts
Die Wertschätzung von Lebensmitteln steigern
Raphael Fellmer ist im Noteinsatz. Dafür braucht er aber weder Blaulicht noch Rettungs-wagen. Sondern eine feste Überzeugung, Tatkraft und Langmut. Fellmer rettet Lebensmittel. „18 Millionen Tonnen werden in Deutschland pro Jahr weggeworfen“, erzählt der 35-Jährige, „das entspricht einer Lkw-Ladung pro Minute.“ Damit will er sich nicht abfinden.
Deshalb gründete Fellmer im Februar 2017 in Berlin das Unternehmen SIRPLUS. Sein Ziel: die „Lebensmittelverschwendung in die Mitte der Gesellschaft holen und die Menschen zum Umdenken bewegen“. In drei „Rettermärkten“ in Charlottenburg, Kreuzberg und Steglitz verkauft Fellmer nun Lebensmittel, die Produzenten, Großhändler und Landwirte aussortiert und weggeschmissen hätten. Mal entsprechen sie nicht der Norm, mal ist das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) erreicht. „Alles einwandfreie und genießbare Ware“, verspricht der Unternehmer. Seine Kunden*innen hätten gelernt, ihre Sinne einzusetzen, anstatt blind dem MHD zu vertrauen. „Außerdem steht nicht immer die Frage im Vordergrund, worauf sie gerade Lust haben, sondern welche Produkte als nächstes verbraucht werden müssen.“ Fellmer hofft, dass immer mehr Menschen zu dieser Haltung gelangen.
Noch schreibt SIRPLUS rote Zahlen, doch das Geschäft wächst stetig. Und beschränkt sich nicht auf die Hauptstadt. Im Onlineshop können Menschen von überall die Lebensmittel kaufen, die Fellmers 50-köpfiges Team bundesweit einsammelt und auf diese Weise vorm Wegwerfen bewahrt. Zudem können die Kunden Retterboxen abonnieren und so regelmäßig der Verschwendung etwas entgegensetzen.
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Gemeinsam säen und ernten
Verschwendung beginnt in den Köpfen der Menschen. Und hat auch damit zu tun, dass heute viele Kinder kaum noch einen Bezug zur Natur haben. Das möchte der in Potsdam ansässige Verein Ackerdemia mit seiner „GemüseAckerdemie“ ändern. „Wir bringen den Acker in die Kitas und Schulen“, erzählt Julia Krebs, die den Verein gemeinsam mit Christoph Schmitz gründete. Der stammt aus Bedburg im Rheinland und führte mit einer dortigen Schule vor fünf Jahren ein erstes Pilotprojekt durch. Ein Jahr später waren es bereits sechs Schulen, inzwischen nehmen bundesweit sowie in Österreich und der Schweiz mehr als 260 Schulen und Kitas teil.
Das Konzept: Mit dem Bildungsprogramm „GemüseAckerdemie“ unterstützt der Verein Kitas und Schulen dabei, auf deren Gelände einen eigenen Gemüsegarten anzulegen. Die Kinder bauen bis zu 30 Gemüsesorten an und pflegen die Ackerfläche unter Anleitung der Erzieher*innen oder Lehrer*innen. Diese erhalten mehrere Fortbildungen, tatkräftige Unterstützung, wöchentliche „AckerInfos“ sowie umfangreiche Bildungsmaterialien.
„Die Kinder lernen viel über biologische Vielfalt und Bodenfruchtbarkeit“, berichtet Krebs, „vor allem jedoch säen und pflanzen sie selbst und erleben den Lauf der Natur bis zum fertigen, schmackhaften Gemüse mit.“ Das hat Auswirkungen. „Die Wertschätzung für Natur und Lebensmittel steigt bedeutend an“, weiß Krebs.
Der Verein evaluiert regelmäßig sein Tun und legt jährlich einen Wirkungsbericht vor. Mehr als 16.000 Kinder haben bereits an der „GemüseAckerdemie“ teilgenommen. Als nächstes möchte der Verein mit der „AckerPause“ auch Unternehmen erreichen. „Gemüse im Büro anzubauen kann eine spannende Teamentwicklungsmaßnahme sein“, sagt Krebs „und im Berufsalltag das Bewusstsein für gesunde und ressourcenbewusste Ernährung schärfen.“
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Mehr Papier, aber weniger Holz
Seit Uwe D’Agnone in einer großen Druckerei die Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte, ist Papier seine Leidenschaft. Doch eine Sache stört ihn: „Wir verbrauchen unendliche Mengen an Papier, und die herkömmliche Herstellung ist nicht gerade ressourcenschonend“, beklagt der 55-jährige Unternehmer. Für eine Tonne Zellstoff seien 2,5 Tonnen Holz erforderlich, zudem sei die Zellstoffproduktion energetisch sehr aufwändig. Also begann D’Agnone zu forschen und zu experimentieren. Ergebnis: „Graspap“.
Graspap ist ein Pellet auf Grasbasis und wird von heimischen Wiesen gewonnen. Die Pellets werden bei der Papierproduktion zugegeben und reduzieren den Verbrauch von Holzfasern erheblich. Um eine Tonne Fasern zu gewinnen, sind 1,07 Tonnen Heu erforderlich. „Damit schonen wir die wichtige Ressource Holz“, betont D’Agnone, der sich mit seiner Idee selbstständig machte und 2012 in Hennef an der Sieg die Creapaper GmbH gründete.
Weitere Pluspunkte: Die Graspap-Naturfasern lassen sich ohne chemische Zusatzstoffe aufbereiten. Außerdem wird der CO2-Ausstoß niedrig gehalten, weil das Gras aus der Region stammt und die Transportwege kurz bleiben.
Die Markterschließung war schwierig. „Innovativ sein ist anstrengend, anfangs wurden wir als Spinner belächelt“, erinnert sich D’Agnone. Das änderte sich rasch. Heute beziehen rund zwei Dutzend große Papierfabriken das Vorprodukt von Creapaper. Es mündet vor allem in die Herstellung von Kartonagen – und neuerdings auch Obst- und Gemüseschalen, denn D’Agnone konnte so ziemlich alle großen Lebensmittelketten von dem nachhaltigen Produkt als Ersatz für Plastik überzeugen.
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