GLS Vorstandssprecher Thomas Jorberg über die absurde Begründung der RWE-Klage gegen das Moratorium.
In Japan müssen Millionen von Menschen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen für Jahrhunderte fürchten. Die radioaktive Verseuchung der Luft, des Meeres, des Grundwassers und immer größerer Landstriche schreitet fort. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung ein Moratorium erlassen und die Stilllegung von acht Atomkraftwerken angeordnet, bei denen ein erhöhtes „Restrisiko“ besteht. Dieser Entscheidung stimmen 80 Prozent der deutschen Bevölkerung zu und damit auch der größte Teil der Geldanleger und Stromkunden. Wie aber reagieren die vier großen Atomkraftwerksbetreiber und der Kapitalmarkt?
- Die zwei deutschen Atommeiler von Vattenfall sind wegen mehrfacher Störfälle bereits seit 2007 vom Netz genommen.
- Der EnBW sind faktisch die Hände gebunden, da das jetzt grün-rot regierte Land Baden-Württemberg einen hohen Aktienanteil hält.
- E.ON hält sich zurück und sucht eine Konsenslösung.
- RWE hält das Moratorium für „reine Willkür und einen Akt der Hysterie“ (Handelsblatt vom 6.4.2011, „Die gespaltene Branche“, S. 22-23) und klagt gegen die Stilllegung seiner Reaktoren in Biblis.
In der Begründung der Klage von RWE liegt die eigentliche Absurdität: Der Konzern sieht sich gegenüber seinen Aktionären in der Pflicht. Von der „Vermögensbetreuungspflicht des Vorstandes“ ist die Rede, von der Gefahr also, dass Aktionäre gegen den Vorstand klagen, wenn dieser nicht alles zur Profitmaximierung unternimmt. „Ich habe ein gewisses Verständnis für die Klage von RWE, denn Rechtssicherheit ist ein hohes Gut“, sagt Stephan Thomas, Aktienfondsmanager bei Frankfurt-Trust. „Ohne eine Klage würden sich Aktionäre möglicherweise beschweren.“ (ebd.) Und tatsächlich hat Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, schon angekündigt, dass Dr. Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender von E.ON, erklären muss, warum er nicht geklagt hat.
Nach der Finanzmarktkrise war kaum vorstellbar, dass die Ideologie des Shareholder Value und der „Gewinnmaximierung, egal womit – solange es legal ist“ noch schlimmere Auswüchse haben kann. Einmal mehr zeigt sich, wie dringend der Umbau unserer Entscheidungssysteme im Finanzmarkt ist. Eine so von RWE verstandene „Vermögensbetreuungspflicht“ zeigt deutlich das Unvermögen, verantwortlich gegenüber Mensch und Natur zu handeln.
Der Wille der deutschen Bevölkerung muss endlich durchgesetzt werden. Dies kann durch klare und endgültige politische Entscheidungen und durch die Bürgerinnen und Bürger selbst gelingen, die ihr Geld nicht bei Atomstromerzeugern oder deren Kreditgebern anlegen und dort auch keinen Strom mehr beziehen. Alternativen gibt es genug – es liegt also auch in der Entscheidung jedes Einzelnen, eine Energiewende herbeizuführen.
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