Aus der ehemaligen Viktoria-Kaserne in Hamburg-Altona macht die fux eG einen gemeinschaftlich betriebener Produktionsort.
Auferstanden aus Ruinen
Ein rotes Backsteinhaus — erhaben und voll geschichtlicher Ereignisse — am Zeiseweg in Hamburg-Altona bietet heute Bildungsarbeiter*innen, Kleinstunternehmer*innen, Künstler*innen und Freiberufler*innen Arbeits- und Schaffensräume. Es war ein langer Weg, bis die Nutzer das Gebäude übernehmen konnten.
Seit 2009 gab es stadtpolitische Auseinandersetzungen um bezahlbare Flächen für Kleingewerbetreibende und Kulturschaffende in Altona. Viele der Menschen, die in der ehemaligen Viktoria-Kaserne arbeiten bzw. dort arbeiten werden, haben durch die umliegenden Großprojekte ihre Räume verloren. 2011 hat der Bezirk versucht, mit dem Kunstverein Frappant e. V. eine längerfristige Zwischennutzung der ehemaligen Kaserne zu vereinbaren. Das hätte für Frappant bedeutet, dass sie mit ihrer Miete ein bis anderthalb Jahrzehnte die Sanierung des Objektes finanziert hätten ohne Sicherheit auf langfristige Nutzung.
Erst als die Stadt Ende 2012 bereit war, über eine Übernahme durch Initiativen zu verhandeln, kam Leben in das Projekt. Frappant e. V. und LUX & Konsorten, ein Bündnis für günstigen Gewerberaum in Altona, wurden aktiv. Mit dem Ziel, das Gebäude in eine genossenschaftliche Nutzung zu überführen, wurde 2013 die Genossenschaft fux eG gegründet. Im Februar 2015 kaufte fux eG die denkmalgeschützte ehemalige Kaserne für 1,85 Millionen Euro, um zu sanieren, umzubauen und zu erweitern.
Solidarisch investieren
Fast eine Million Euro brachten die Gründer*innen und Nutzer*innen selbst in die Genossenschaft ein. Die fehlenden 850.000 Euro haben Menschen als Einlagen zur Verfügung gestellt, ohne selbst Miet- oder Nutzungsrechte zu erwerben. Von diesen „investierenden Genossinnen und Genossen“ sitzen Vertreter*innen im Aufsichtsrat. Den achtköpfigen ehrenamtlichen Vorstand bilden die ,,nutzenden Genoss*innen“. „Wichtige Fragen werden in Arbeitsgruppen vorbereitet, in einem größeren Kreis wie den Quartierstreffen (für jeweils eine Etage) diskutiert und dann vom Vorstand formal beschlossen“, erläutert Sacha Essayie, Mitglied des Vorstands. „Wir sind sehr prozessorientiert, durch ‚systemisches Konsensieren‘ suchen wir Lösungen, bei denen die Beteiligten den geringsten Widerstand empfinden.“
Sozialer Mehrwert
Über 300 Menschen werden in der Ex-Kaserne arbeiten, ausstellen, experimentieren, sich austauschen und das Areal für den Stadtteil öffnen. „Die Grundidee unserer Genossenschaft ist, für alle Beteiligten einen sozialen Mehrwert zu generieren, der sich in der ehemaligen Kaserne und im Stadtteil entwickelt“, so Essayie. Nachhaltigkeit wird hier vor allem sozial verstanden. Die Genoss*innen entschieden, aus Kostengründen keinen Generalunternehmer zu beauftragen, sondern die Gewerke selbst zu vergeben. Neben externen Fachfirmen waren in der Hochphase 25 Menschen angestellt — davon 15 aus Libyen geflüchtete Menschen. Die meisten sind noch in Hamburg in Ausbildungsberufen,
dort können sie das Gelernte gut einsetzen.
„Der Kaufpreis war von der Stadt Hamburg auf 1,85 Millionen Euro festgelegt worden – aber keiner wusste, was die Sanierung tatsächlich kosten würde.“
Für die fux eG war klar, dass in der ehemaligen Kaserne kein Wohnraum entstehen sollte. Die Gründer*innen wollten Flächen für „das laute, das störende Gewerbe“ in Stadtnähe bewahren. Weder Amüsiermeilen noch Wohnoasen, sondern die Durchmischung ist das Ziel. Leicht ist das nicht. Die Einbindung der Nachbarschaft erfolgt über regelmäßige Treffen und gemeinsame Feste. Die Öffnung in das Viertel ist den fuxianer*innen eine Herzensangelegenheit. Dabei helfen die kulinarischen Köstlichkeiten des Restaurants cantina fux & ganz, denn Liebe geht bekanntlich durch den Magen.
Abenteuer Baustelle
Seit 2015 wird die ehemalige Viktoria-Kaserne nun denkmalgerecht saniert, werden ungenutzte Räume erschlossen und umgebaut, abgehängte Decken und Hinterlassenschaften der Vormieter entsorgt. Die über Jahre nur notdürftig reparierten Elektro- und Heizungsinstallationen werden komplett saniert. Da es weder Pläne noch Dokumentationen früherer Umbauten gibt, musste alles vor Ort begutachtet werden — Überraschungen blieben dabei nicht aus.
Vertrauen zählt
„Der Kaufpreis war von der Stadt Hamburg auf 1,85 Millionen Euro festgelegt worden — aber keiner wusste, was die Sanierung tatsächlich kosten würde“, so die GLS Bank Kundenbetreuerin Katrin Heuzard la Couture. „Unsere Kredite beliefen sich zwischenzeitlich auf 6,5 Millionen Euro. Gerade bei solchen schwierig einzuschätzenden Sanierungen ist ganz entscheidend, dass wir den Menschen dieses Projekt zutrauen und eine hohe inhaltliche Kompetenz im Vorstand vorhanden ist.“ Um vertretbare Mieten zu ermöglichen, verlängerte die GLS Bank die Darlehenslaufzeit über die normale Laufzeit von maximal 20 Jahren bei Gewerbeimmobilien hinaus.
Für die Sanierung des fast 9.000 Quadratmeter großen Bauvorhabens wurden vorwiegend konventionelle Baumaterialien verwendet. Für die Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird nach Lösungen gesucht, die mit dem Denkmalschutz vereinbar sind.
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