Mehr Moor fürs Klima

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Unsere Moore liegen auf dem Trockenen. Dabei könnten sie uns helfen, das Klima zu retten, Arten und unser Grundwasser zu schützen. Wie Moorschutz geht, zeigen das Start-up Mission to Marsh und andere GLS Kund*innen. Ein Moorbesuch

Von Christiane Langrock-Kögel

Auf drei heben vier Gummistiefel vom Boden ab. Ein Sprung in Richtung Himmel, dann landen Ann-Christin und Alexander Kornelsen wieder auf der Erde. Wie ein Wasserbett bewegt sich der Boden unter ihren Füßen. Noch einmal springen sie hoch, kommen wieder gemeinsam unten an, lachen. Ihre kleine sportliche Demonstration soll zeigen: Das hier ist keine normale Wiese. Dieses wilde Grün ist etwas Besonderes. Ein Moor, mit Wasser vollgesogen wie ein Schwamm.

Das Venner Moor liegt bei Osnabrück. (Foto: Achim Multhaupt)

Dass der Boden im Venner Moor bei Osnabrück schwankt, ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass die Wiedervernässung des ehemaligen Feuchtgebietes vorangeht. Einst entwässert, um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen und Torf zu stechen, steigt heute der Pegel im Venner Moor. Die Entwässerungsgräben sind verschlossen, Regenwasser kann sich stauen. In den Senken neben dem Wanderweg haben sich Wasserflächen gebildet. Das grasgrüne Torfmoos – fähig, das 30-fache seines Gewichts an Wasser zu speichern – wächst wieder. Langsam, Millimeter für Millimeter, baut sich der Torf auf, aus Pflanzenteilen, die unter Wasser nicht verrotten.

Rettung der Moore als Lebensaufgabe

In die Renaturierung des Venner Moors haben die Moorforscherin Ann-Christin Kornelsen und ihr Mann, Podcaster und Marketingexperte Alexander Kornelsen, bereits 100.000 Euro investiert. Seit der Gründung ihres gemeinnützigen Startups Mission to Marsh, ein GLS Kunde, sammelt das Paar Spenden für den Moorschutz – unter anderem durch Crowdfunding-Aktionen, Unternehmenspartnerschaften und Projektförderungen. Ann-Christin und Alexander kündigten ihre Festanstellungen – „unsere Eltern fanden das gar nicht cool“, sagt Alexander – und brachen Ende 2022 in einem kleinen Jeep mit Dachzelt zu einer neunmonatigen Expedition auf. Über ihre Reise zu den größten und ältesten Mooren zwischen Kanada und Argentinien haben sie einen 75-minütigen, sehr persönlichen Dokumentarfilm gedreht. Die Rettung von Mooren ist nicht nur ihr Beruf, sondern ihre Lebensaufgabe.

Eine immens große, immens wichtige Aufgabe. 95 Prozent der deutschen Moore liegen auf dem Trockenen, und auch weltweit sind die „Wetlands“ massiv bedroht. Lange hat der Mensch das Moor in Ruhe gelassen – zu schwer begehbar, zu düster und geheimnisumwoben. Doch seit dem 18. Jahrhundert wurden Feuchtgebiete nahezu überall auf der Welt großflächig entwässert. Sie mussten der Land- und Forstwirtschaft weichen, neuen Siedlungen oder Straßen. Auch heute noch werden sie intensiv landwirtschaftlich bewirtschaftet, wird Torf als Rohstoff für Gartenerde gestochen, werden Tropenwälder oder Mangrovensümpfe trockengelegt. Bis sie nach Kanada kam, hatte Ann-Christin Kornelsen noch nie ein Moor in seinem Ursprungszustand gesehen.

Mission to Marsh

Ob Unternehmen oder Privatperson: Mission to Marsh bietet viele Möglichkeiten, etwas für die Renaturierung von Mooren zu tun – zum Beispiel durch Patenschaften oder Corporate-Volunteering-Angebote für Unternehmen.

Moore binden mehr CO2 als Wälder

Für das Klima haben trockene Moore fatale Folgen. In nassem Zustand speichern sie mehr Kohlenstoff als jedes andere Ökosystem der Welt. Werden sie jedoch entwässert, kommt der über Jahrtausende sicher in den Tiefen des Torfs gebundene Kohlenstoff mit Sauerstoff in Berührung und oxidiert. Dadurch gelangen riesige Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas in die Atmosphäre. In Deutschland verursachen entwässerte Moorflächen rund 7 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes. Moore bedecken zwar nur 3 Prozent der weltweiten Landfläche – sie binden aber etwa doppelt so viel Kohlendioxid wie die Biomasse aller Wälder der Erde zusammen. Verschärfend kommt hinzu, dass Wälder diese Aufgabe kaum mehr erfüllen können – im Gegenteil, in Deutschland stoßen sie inzwischen mehr Kohlendioxid aus, als sie speichern, das zeigt die jüngste Bundeswaldinventur vom Oktober 2024.

Ann-Christin und Alexander Kornelsen an einer Prüfstation im Venner Moor
Alexander Kornelsen checkt eine Probe im Venner Moor. Anhand der gesammelten Insekten lässt sich der Zustand des Moores einschätzen.
Moore schützen unser Wasser, indem sie es speichern und zugleich filtern. Fotos: Achim Multhaupt
Das Bankspiegel-Cover zeigt eine Hand, die eine wassertriefende Pflanze auswringt.

Wasser für alle

Die GLS Bank widmet sich in der aktuellen Ausgabe ihres Kundenmagazins Fragen rund um Wasser und wie wir darauf wirken.

Auch diese Entwicklung macht den Schutz und die Wiedervernässung von Mooren noch einmal dringender. „Sie sind wahre Klimahelden“ – wenn sie voll Wasser stehen. Alexander Kornelsen parkt das Mission to Marsh-Wohnmobil, bei Moorführungen als mobile Teeküche genutzt, vor einem Landgasthof in der Nähe des Venner Moors. Am Kofferraum wechseln Ann-Christin und Alexander Kornelsen Schuhe und Jacken, dann schlagen sie den Feldweg ins Venner Moor ein. Der Himmel ist verhangen und grau an diesem Septembertag. „Wir bräuchten einen freundlich-blauen Himmel“, seufzt Ann-Christin. „Wir wollen das Image von Mooren als schauerliche Orte korrigieren.“ Ihr Mann, beredter Öffentlichkeitsarbeiter für „Mission to Marsh“, wählt deshalb bewusst andere Bilder: Naturwunder, Schätze, faszinierende Orte, so spricht er über Moore.

Haben sie ihn schon immer fasziniert? „Ich war ein unzufriedener Marketingmensch, der Gutes tun wollte“, sagt Alexander Kornelsen. Was ihm fehlte, war das richtige Thema. Während der Corona-Pandemie lernte er via Dating-App Ann-Christin Sieber kennen, Landschaftswissenschaftlerin mit dem Spezialgebiet Moore. Ihre ersten Begegnungen fanden draußen statt – sie schlug vor, sich im Moor zu treffen. Ann-Christins Faszination konnte Alexander nicht nachvollziehen. Bis er sie bat, ihm in einem griffigen Satz zu erklären, warum er sich für den Erhalt von Mooren einsetzen solle. Sie überlegte nicht lange. „Moore sind auf diesem Planeten der effizienteste Weg, um CO2 zu speichern.“ Für ihn war das ein Schlüsselmoment.

Drei Jahre später gehen die Kornelsens nebeneinander auf einem Feldweg durch das Venner Moor, schauen nach links, schauen nach rechts – und freuen sich über das Tempo, in dem sich die Fläche erholt. Ann-Christin zupft ein paar Cranberries vom Strauch und schiebt sie sich in den Mund. Dann zieht sie ein Bündel tropfnasses Torfmoos aus einer Senke, jetzt wächst es hier wieder. Auch andere typische Hochmoor-Gewächse wie Wollgräser, Moosbeeren oder die Glockenheide sind auf die Fläche zurückgekehrt. Das Venner Moor gehört zu den Überresten eines Moorgebietes, das sich einmal über nahezu 40 Kilometer Länge erstreckte.

Direkt neben den wiedervernässten Flächen liegen Felder, auf denen Mais und Grünfutter wachsen. Auch sie wären durch und durch nass, ohne das System aus Gräben und Kanälen, die das Wasser aus dem Boden leiten. Ann-Christin Kornelsen blickt nachdenklich über den Acker. Natürlich würde sie ihn gerne wieder zu dem Stück Feuchtland machen, das er einmal war. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssten in Deutschland jährlich 50.000 Hektar Moor wiedervernässt werden – eine Fläche so groß wie der Bodensee. „Aber man kann die Besitzer ja nicht einfach enteignen“, sagt die Moorwissenschaftlerin. „Deshalb ist es so wichtig, Perspektiven für eine nasse Form der Bewirtschaftung zu entwickeln, die auch ökonomisch Sinn macht.“

Eine Großaufnahme einer Hand, die Gewächse aus dem Venner Moor hält.
Moorpflanzen können extrem viel Wasser speichern

Moorschutz als Geschäftsmodell: Wasserbüffel und Moor-PV

Wie so etwas aussehen kann, zeigt der Brandenburger Landwirt Helmut Querhammer, auch er ein GLS Kunde. Seine Wasserbüffel weiden auf den Moorböden eines Naturschutzgebiets. Auf den Weiden des Familienbetriebs steht oft bis ins Frühjahr das Wasser, erst danach wächst dort Futter. Wenn Helmut Querhammer Glück hat, kann er zwei Mal pro Jahr Gras mähen und es zu Heu verarbeiten – auf trockenen Flächen wäre es die doppelte Menge. Das grundwassergespeiste Niedermoor, das Familie Querhammer pachtet, verträgt nur kleinere Herden. Zudem kommt man mit normalen Treckern auf dem weichen Untergrund nicht weit. Dafür braucht es leichte Fahrzeuge mit breiten Reifen, die geringen Druck auf den Boden ausüben. „Wer Moor bewirtschaftet, muss dafür einen Ausgleich bekommen, aber bislang gibt es kaum Förderung“, sagt Querhammer. „Dabei ist der Schutz von Mooren nicht nur schön zu haben, sondern hilft, unsere Zukunft zu sichern. Auch die der konventionellen Landwirtschaft.“

Döberitzer Heide-Galloways

Der Familienbetrieb von Helmut und Simone Querhammer verbindet seit über 30 Jahren Naturschutz und Landwirtschaft. Galloways, Wasserbüffel, Koniks, Schafe und Ziegen beweiden Niedermoorflächen im Raum Berlin und Potsdam – und pflegen so die Landschaft. Ihr Biofleisch verkaufen die Querhammers direkt an Privatkund*innen.

Wattmanufactur

Als Teil des Osterhofes, ein Demeter-Betrieb in Nordfriesland, entwickelt die Wattmanufactur seit 2010 Konzepte für Solarparks mit dem erklärten Ziel: Diese sollen nicht nur regenerative Energie erzeugen, sondern dank extensiver landwirtschaftlicher Bewirtschaftung auch die Biodiversität steigern. 500 Hektar Solarparks hat die Wattmanufactur bereits in Deutschland gebaut.

Wasserbüffel mit ihren breiten Klauen und ihrer Vorliebe für kühle Bäder eignen sich gut zur Bewirtschaftung von Moorflächen. Auch Paludi-Kulturen sind eine Möglichkeit, der Anbau nachwachsender Rohstoffe wie Schilf oder Röhricht für die Bau- und Möbelindustrie. Im schleswig-holsteinischen Lottorf läuft seit 2021 ein Experiment, das ein weiteres Kapitel für die wirtschaftliche Nutzung von Mooren aufschlägt. Dort gewinnt die GLS Kundin Wattmanufactur, Bauherrin und Betreiberin von Solarparks, Sonnenenergie in einem wiedervernässten Moor. Ein Modellprojekt, das zeigt, wie Moorschutz im Einklang mit Stromerzeugung funktionieren kann: Die Wiedervernässung des Moors schützt das Klima, die Photovoltaik produziert saubere Energie und zwischen den Solarpanelen fördert eine extensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung die Artenvielfalt.

Im Venner Moor sind die Wolken inzwischen einem blauen Himmel gewichen. Ann-Christin und Alexander Kornelsen entfernen noch ein paar Äste und Jungehölze, „entkusseln“ nennt sich das unter Experten. „Sie weiß wahnsinnig viel über Moore“, hat Alexander in der Film-Dokumentation über seine Frau gesagt. Sie hat erwidert, dass er mitbringe, was ihr fehle: die Begabung, wissenschaftliche Erkenntnisse in Botschaften zu übersetzen, die Menschen erreichen. Geschätzte 100.000 Menschen hat „Mission to Marsh“ über Social Media, seine Projekte, die Website und mit Slogans wie „Amore für die Moore“ oder „Sumpf ist Trumpf“ bereits erreicht.

René Nissen ist einer der beiden Geschäftsführer der Wattmanufactur. „In den meisten Fällen scheitert die Wiedervernässung von Moorflächen an den Eigentümern“, sagt er. „Das Zauberwort, um sie zu überzeugen, heißt Wirtschaftlichkeit.“ Sprich: Sie können mit der Energieerzeugung und der landwirtschaftlichen Nutzung ihrer Fläche Geld verdienen. Aber Nissen sagt auch, dass das Bauen auf Torf extrem anspruchsvoll sei, dass es hohe Mehrkosten verursache – und Moor-Photovoltaik deshalb im Wettbewerb mit klassischen Energieunternehmen subventioniert werden müsse. Wissenschaftlich begleitet wird der Lottorfer Solarpark von den Universitäten Hamburg und Göttingen sowie dem Greifswald Moor Centrum. „Wir stehen immer wieder staunend vor der Fläche“, sagt Nissen, „und beobachten, wie sich das Moor entwickelt.“ Das nächste Projekt, diesmal in Niedersachsen, ist schon geplant.

Zurück zum Parkplatz, in einer Stunde schließt die Kita. Auf der großen Moorexpedition stellte Ann-Christin Kornelsen fest, dass sie schwanger ist. Die Reise habe so plötzlich noch mal mehr Sinn gehabt, sagen beide. „Denn da gibt es nun noch jemanden, der gerne seine 80 Jahre auf dieser Welt leben würde.“

Mehr Moorschutz in der GLS Gemeinschaft

Weitere Mitglieder der GLS Gemeinschaft engagieren sich für den Schutz der Moore.

BUND

Der BUND setzt sich in vielfältigen Projekten dafür ein, die Moore in Deutschland zu erhalten und wiederherzustellen.

Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein

Die Stiftung will 20.000 Hektar entwässerte Moorböden bis 2030 renaturieren.

GLS Gemeinschaft

Unsere Kollegin Corinna Herbst von der GLS Investments schützt Moore und schreibt über sie hier im GLS Bank Magazin.

Wasserballspiel im Schwimmbad
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