Saatguttagung 2019 Ökozüchtung

Saatguttagung: Schulterschluss für Ökozüchtung

Bioqualität beginnt mit Biozüchtung – doch der Anteil ökologisch gezüchteter Pflanzen am Markt ist stark ausbaufähig. Die diesjährige Saatguttagung der Zukunftsstiftung Landwirtschaft fragte deshalb nach Strategien, um verarbeitende Betriebe, aber auch den Groß- und Einzelhandel noch stärker für die ökologische Pflanzenzüchtung zu begeistern.

Ein Beitrag von Laura Krautkrämer

Auch in diesem Jahr trafen sich Ende Januar in Kassel wieder rund 100 Akteur*innen mit Interesse an ökologischer Pflanzenzüchtung zur Tagung des Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Seit 1996 unterstützt dieser die ökologische Pflanzenzüchtung – 2019 mit einem im Vergleich zu den Vorjahren nochmals deutlich gestiegenen Fördervolumen von rund 1,5 Mio. Euro (2018: 1,25 Mio.). Das Tagungsthema 2019: Ökozüchtung als gemeinsame Aufgabe von Anbau, Verarbeitung und Handel. Nicht zuletzt die in den letzten Monaten neu geschlossenen Kooperationen zwischen Öko-Anbauverbänden wie Demeter und Bioland mit Discountern wie Kaufland und Lidl werfen viele Fragen auf. Der Naturkostfachhandel, bislang traditioneller Partner und auch Unterstützer der ökologischen Pflanzenzüchtung, erhält durch die neuen Vertriebswege Konkurrenz. Wie lässt sich dennoch auch in Zukunft der solidarische Schulterschluss zwischen Züchtung, Landwirtschaft und Handel nicht nur halten, sondern weiter ausbauen?

Nachbaufähige Sorten an den Markt bringen

Saatguttagung 2019 ÖkozüchtungDabei geht es zwar auch, aber nicht nur um Geld. „Neben der notwendigen finanziellen Unterstützung ist die entscheidende Frage: Wie kommen die neuen, ökologisch gezüchteten Sorten an den Markt?“, erläuterte Oliver Willing, Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. „Von einer flächendeckenden Verwendung nachbaufähiger Sorten sind wir im ökologischen Landbau, bei der Verarbeitung und im Handel noch weit entfernt.“ Die Herausforderungen sind groß. So spielen etwa für den Erfolg neuer Sorten am Markt nicht nur Ertrag, sondern auch Einheitlichkeit eine große Rolle – als Referenz dienen dem Handel ebenso wie Verbraucher*innen dabei die weit verbreiteten, aus ökologischer Sicht jedoch problematischen Hybrid- oder CMS-Hybridsorten. Umso wichtiger ist es, so ein Fazit der Diskussionen in Kassel, die Bemühungen für Öko-Sorten auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Doch wie gelingt es, verarbeitende Betriebe wie Mühlen oder Bäckereien, aber auch Groß- und Einzelhändler*innen noch stärker für die ökologische Pflanzenzüchtung zu interessieren?

In mehreren Kurzvorträgen und Arbeitsgruppen kamen Menschen zu Wort, die an verschiedenen Stellen der Wertschöpfungskette tätig sind und ihre persönlichen Verbindungen zur Ökozüchtung vorstellten. Catherine Cuendet etwa arbeitet für die Getreidezüchtung Peter Kunz. Eindrücklich schilderte sie, welche Herausforderungen ihr nicht nur im Zuchtgarten, sondern auch im Übergang zur breiteren Saatgutvermehrung begegnen, wo höchste Konzentration und Wachsamkeit gefordert sind, um Verunreinigungen auszuschließen und diesen „Flaschenhals zum Markt“, wie sie es ausdrückte, zu überwinden.

Vermittlung statt Trennung

Gerhard Rossmanith ist Vorstand der Bingenheimer Saatgut AG. „In der Zusammenarbeit zwischen der Züchtung auf der einen und Nutzung und Vermarktung auf der anderen Seite sollten wir in Zukunft noch mehr als bisher auf Vermittlung setzen statt auf Trennung, auf Vereinbarungen statt Forderungen und auf Verbindlichkeit statt Abhängigkeit“, betonte er. Als partnerschaftlichen Vermittler sieht sich auch Michael Hiestand von der Meyermühle im bayerischen Landshut, die Bio-Getreide aus Vertragsanbau vermahlt. Die Erwartungen der Bäckereien an Mehlqualität und Backfähigkeit seien hoch, entsprechend versuche er, auch mit den Erzeuger*innen in einen Dialog zu treten, um für alle Seiten eine befriedigende Situation zu erreichen.

Manchmal bewirkt auch persönliche Motivation die entscheidenden Schritte nach vorn. So schilderte Boris Voelkel vom traditionsreichen norddeutschen Safthersteller Voelkel ein Aha-Erlebnis mit Folgen: Er war so beeindruckt von den qualitativen Unterschieden, die Ökosorten in Untersuchungen mit bildschaffenden Methoden im Vergleich zu Hybriden zeigen, dass er sich entschloss, das Thema in dem Familienunternehmen mit Nachdruck auf die Agenda zu setzen. Mittlerweile liege der Anteil nachbaufähiger Sorten in den Gemüsesäften der Marke Voelkel bei nahezu 100 Prozent – möglich geworden sei dies durch gezielte Nachfrage und überzeugende Produkte. „Die Rückmeldungen sind eindeutig“, so Voelkel. „Die Leute sagen, das tut gut und nährt mich.“

Ökozüchtung – Kommunikation ist der Schlüssel

Was also tun für mehr Bio von Anfang an? Eine Schlüsselrolle spielt sicherlich die Kommunikation zwischen allen Beteiligten, darin waren sich die Podiumsgäste bei der Abschlussdiskussion einig. Gute Ideen sind gefragt – ob die Kennzeichnung von Ökozüchtungen mit dem Qualitätssiegel „Bioverita“, ob Aufklärung und Information an der Gemüsetheke oder an Feldtagen bei den Züchter*innen. Gerade bei solchen Veranstaltungen auf regionaler und lokaler Ebene könne der Handel, aber auch die Verbraucher*innen die Besonderheiten der ökologischen Pflanzenzüchtung konkret erleben und damit besser verstehen, zeigte sich Elke Roeder vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) überzeugt. Sie plädierte auch dafür, den positiven Beitrag des Ökolandbaus in Zeiten der Erderwärmung herauszustellen: „Ökolandbau, wenn er ernst gemeint ist, stellt eine realistische, radikale Lösungsstrategie dar.“ Es geht also nicht zuletzt um Bewusstseinsbildung – und dabei durchaus um die Systemfrage: Wie können wir die Erde für kommende Generationen erhalten? Ein Schulterschluss in Sachen Ökozüchtung ist da schon mal ein guter Anfang.

Fotos: Hendrik Rauch für Ökozüchtung – Zukunftsstiftung Landwirtschaft

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  1. Ich bin ein großer Fan von Biolandwirtschaft. Ganz zuvorderst, weil sie offensichtlich der Biodiversität höchst förderlich ist. Aber auch, weil sie weniger auf die gigantischen Öl- und Chemiekonzerne mit ihren Düngemitteln und Pestiziden angewiesen ist.

    Jetzt wird in diesem Artikel mal wieder ein positiver Zusammenhang zur Erderwärmung hergestellt. Und ich sehe da auch positive Aspekte, denn mehr Biodiversität kommt auch besser mit verändertem Klima zurecht. Und eine weniger große Abhängigkeit von Chemie- und Ölkonzernen hilft in der Klimapolitik sicherlich auch. Außerdem wäre ein dermaßen übertriebener Fleischkonsum, wie wir ihn heute haben, schon allein aufgrund der Produktionskosten mit Biolandwirtschaft nicht realisierbar.

    Weil ich oft aus meinem Bekanntenkreis dazu angesprochen werde, möchte ich aber darauf hinweisen, dass es mit dem höheren Flächenverbrauch bzw. der geringeren Erträge von Biolandwirtschaft auch weniger vorteilhafte Zusammenhänge mit der Erderwärmung gibt. Das sollte einem klar sein. Meines Erachtens ist es das aber wert und die positiven Zusammenhänge überwiegen doch deutlich.

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