Rassismus: Hanau – und wie weiter?

Nach dem rassistischen Attentat von Hanau sind viele Menschen entsetzt, traurig und vor allem – hilflos; sie fragen sich, was tun, damit sich der Virus des Rechtsterrorismus nicht weiter ausbreitet? Damit die Gleichgültigkeit nicht ebenso schnell wieder einkehrt wie nach Halle, dem Mord an Walter Lübcke, nach dem NSU, dem „NSU 2.0“, nach einer kaum unterbrochenen Kette bis zurück zu Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln. Die Amadeu Antonio Stiftung hat Antworten. Seit 1998 kämpft sie gegen Rassismus und fördert ein demokratisches, menschliches Miteinander.

Von Britta Kollberg, Amadeu Antonio Stiftung

Der Rassismus in Deutschland ist so groß wie unser Immer-wieder-Vergessen. Die Politik kommt kaum über kurze Willenserklärungen für mehr Toleranz hinaus, die Medien schalten direkt von Hanau zur Weiberfastnacht. Was also tun? Handeln statt Schweigen. Es gibt einfache und wirkungsvolle Möglichkeiten.

Über Rassismus informieren

Was ist Rechtsextremismus? Wie zeigt er sich? Ein Kern der rechtsextremistischen Ideologie ist die Vorstellung, dass Menschen unterschiedlich viel wert seien. Die Abwertung von Menschen aufgrund ihrer (vermeintlichen) Gruppenzugehörigkeit bezieht sich auf Juden und Muslime, nicht-weiße Personen, Kleinwüchsige, Obdachlose, Frauen, sozial Benachteiligte, psychisch Kranke und viele andere Gruppen. Rassismus kann sich strukturell, z. B. bei der Arbeits- oder Wohnungssuche äußern, aber auch in scheinbar alltäglichen Worten sowie in offener Bedrohung und direkten Gewalttaten.

[green_box]2018 wurden 1.156 rechte Gewalttaten gezählt – das heißt: im Schnitt gab es jeden Tag drei rechtsmotivierte Gewalttaten, Quelle: Politisch Motivierte Kriminalität, Studie des BMI, S.4[/green_box]

Klar gegen Rassismus

Der beste Schutz vor rassistischer Gewalt ist ein gesellschaftliches Klima, in dem Rassismus klar tabuisiert ist. Ein Klima, in dem sich Täter*innen nicht stillschweigend respektiert fühlen können, sondern wissen, dass sie gegen einen breiten Konsens verstoßen. Und in dem vor allem Betroffene spüren, dass sie Teil des „Wir“ sind und nicht die „anderen“, denen „so etwas“ leider passiert. Dieses Klima kann jede*r von uns konkret beeinflussen.

Persönlich engagieren

Ja, es kann schwer fallen, sich persönlich einzumischen. Trotzdem: Wenn du im Alltag Zeug*in eines rassistischen Übergriffs wirst, steh der*dem Betroffenen bei. Versetze dich in ihre*seine Lage: Wie fühlt es sich an? Welcher Beistand würde dir helfen? Du musst dich nicht mit dem*der Täter*in anlegen. Hol Hilfe und sprich Dritte direkt an. Das stärkt die Angegriffenen und zeigt dem*der Täter*in, dass er*sie allein steht. Zeig Vorfälle an und stelle dich als Zeug*in zur Verfügung, auch wenn es unbequem ist. Nur so kann das Recht auf Unversehrtheit der Person auch durchgesetzt werden.

Streite nicht über Worte. Was macht es aus, den Betroffenen zuliebe auf ein Wort zu verzichten, wenn es sie verletzt, selbst wenn du es nicht abwertend meinst?
Rassismus ist durch Soziale Medien nicht schlimmer geworden. Betroffene wissen: Er war immer da. Er ist im Internet nur lauter und bleibt häufig unwidersprochen. Auch weil viele Engagierte die Sozialen Netze meiden und sie damit ungewollt den Hetzern überlassen. Halte dagegen – und sei es nur mit einem Like für einen antirassistischen Kommentar.

Amadeu Antoniu Stiftung Gegen Rassismus

Zivilgesellschaft stärken

Noch einfacher als individuelles Handeln ist es, das zu stärken, was man demokratische Zivilgesellschaft nennt: Initiativen und Vereine, die in der eigenen Nachbarschaft für ein menschliches Miteinander einstehen: die aufklären, Gewaltopfer unterstützen, die Auseinandersetzung aufnehmen, Veranstaltungen organisieren und Menschen aus verschiedenen Gruppen zusammenbringen. Geh hin, mach mit, unterstütze sie durch Zuspruch und Spenden.

Auch Geld spielt eine Rolle. Überlege, welche Werte und Chancen du mit deinem Geld beförderst. So leugnen Rechtspopulist*innen weltweit den Klimawandel. Unsere Wegwerfgesellschaft ist aber ebenfalls ein Ausdruck von strukturellem Rassismus. Wir können uns unseren westlichen Lebensstil nur leisten, weil Menschen in anderen Kontinenten für unsere Handys Rohstoffe mithilfe giftiger Chemikalien abbauen, ihre Fischgründe an internationale Fangflotten verlieren und unseren Müll in riesigen Halden in ihren Städten lagern.

Politisch sein

Wir haben viele demokratische Rechte. Nutze sie. Geh wählen und sieh dir vorher die Parteiprogramme an. Stärke Kräfte, die den Rechtsextremismus bekämpfen. Und warum nicht wieder einmal mit Betroffenen rechter Gewalt demonstrieren und ihnen im wörtlichen Sinne zur Seite stehen.

Wichtige politische Akteure sind zivilgesellschaftliche Organisationen. Ihre Arbeit wird allerdings von einzelnen Finanzämtern erschwert, die u.a. attac und campact die Gemeinnützigkeit entzogen haben. Die Ursache sind Unschärfen im Gemeinnützigkeitsrecht inbezug auf Aktivitäten zur politischen Willensbildung (wie Bürgerpetitionen). Die Überarbeitung des Gesetzes durch das Finanzministerium kommt nicht voran. Doch wir müssen im Gegenteil mehr mitreden und bürgerschaftlich-politisches Engagement als unser Recht einfordern.

Die Behauptung von der demokratischen, nicht-rassistischen Mehrheit wird erst zur Gewissheit, wenn sie zu sehen und zu spüren ist: in Worten und Taten, im Netz und auf der Straße.

Amadeu Antonio Stiftung

Amadeu Antonio Gedenktafelftung
Gedenktafel

Die Amadeu Antonio Stiftung fördert Initiativen, die ein demokratisches Miteinander vor Ort stärken und gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen eintreten. Seit ihrer Gründung 1998 hat sie mehr als 1.700 Projekte unterstützt. Die Stiftung ist nach Amadeu Antonio benannt, der 1990 in Eberswalde zu Tode geprügelt wurde, weil er schwarz war. Er ist eines der ersten von 208 Todesopfern rechtsextremer Gewalt seit dem Fall der Mauer. Mit dem Opferfonds CURA unterstützt die Stiftung deshalb auch Betroffene rechter Gewalt.

Mit einer Spende könnt ihr diese Arbeit fördern. Die Amadeu Antonio Stiftung ist gemeinnützig und hat die Selbstverpflichtung der Initiative Transparente Zivilgesellschaft unterzeichnet. Die Amadeu Antonio Stiftung ist GLS Kunde.

Mehr Infos
Belltower.News 
Themenflyer zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
Monitoring rechts-alternativer Medienstrategien
Medienkompetenz: Fakenews erkennen

Britta Kollberg
Britta Kollberg Amadeu Antoniu StiftungBritta Kollberg war mehr als 20 Jahre sie bei der RAA Berlin und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Regionalen Arbeitsstelle (RAA) sowie als Referentin und Autorin zu Fragen der interkulturellen Bildung, schulbezogenen Jugendhilfe und ressortübergreifenden Präventionsarbeit tätig. Bei der Amadeu Antonio Stiftung ist sie Ansprechpartnerin u.a. für den Freundeskreis und für Veranstaltungen zur politischen Bildung.

Fotos: Amadeu Antonio Stiftung

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