Corona verursacht Digitalunterricht

Corona verursacht Digitalunterricht

Digitalunterricht – Wie geht es Schulen in Zeiten von Corona? Wie haben Lehrer*innen und Schüler*innen diese Zeit bisher erlebt? Was haben sie daraus gelernt? Wir haben beim Jenaplangymnasium Nürnberg und bei der Freien Christlichen Schule Frankfurt (FCSF) nachgefragt. Beide freie Schulen sind Kunden der GLS Bank.

Ein letztes Winken in die Kamera, dann klickt die 13-jährige Sarah auf „Sitzung beenden“. Das war die letzte Unterrichtsstunde vor den Sommerferien. Morgen noch einmal zur Zeugnisvergabe in die Schule, mit Maske und Abstand, dann ist erst einmal schulfrei. Hinter Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern liegt ein turbulentes Schulhalbjahr. Anfang März zwang der Lockdown wegen des Coronavirus viele Schulen von jetzt auf nachher zu irgendeiner Form des Digitalunterricht. Einfach mal spontan Freunde treffen oder abklatschen? Unmöglich.

E-Mail, W-LAN, Unterrichtsplattform

Matthias Hetterich (35), Mathe- und Physiklehrer an der FCSF
Matthias Hetterich (35), Mathe- und Physiklehrer an der FCSF

Mit der Schließung wurden wir ins kalte Wasser geworfen“, sagt Matthias Hetterich (35), Mathe- und Physiklehrer an der FCSF. Während sich die Schüler*innen noch über den vermeintlichen Unterrichtsausfall freuten, verschickten die Lehrkräfte zunächst einmal Aufgaben per Mail, um verpasste Unterrichtszeit durch Lernzeiten zuhause aufzufangen. So wie an vielen anderen Schulen auch. „Sehr schnell war aber klar, dass das nicht reichte.“

Deshalb startete die Schule früher als ursprünglich geplant eine Unterrichtsplattform, die bereits in der Pipeline war. 800 Schüler und 45 Lehrer erhielten ihren eigenen Zugang, wenn nötig Hardware, das notwendige Softwarepaket und eine Einführung. Dann ging es in Woche 3 des Lockdowns los mit Onlineunterrichtsstunden. Ein Kraftakt, der von Lehrer*innen und dem Systemadministrator mit einer halben Stelle geschafft werden konnte. Dass die Schule bereits über ein stabiles W-LAN in allen Räumen verfügte, war ein entscheidender Vorteil. So konnte und kann Geld aus dem Digitalpakt oder aus den Soforthilfemitteln für Schulen in Geräte investiert werden, zum Beispiel Laptops, Kameras, Mikrofone oder Großbildschirme. Nach den hessischen Osterferien ging die FCSF zu drei Tagen Homeschooling, zwei Tagen Präsenzunterricht über.

Spickzettel

  • Im April 2020 fühlten sich laut einer Umfrage der IBB Pädagogischen Hochschule Zug  nur 15 % der befragten Lehrer*innen fit in Sachen Digitalkompetenz.
  • 2019 hatte nur jede dritte Schule in allen Räumen W-LAN (Verband Bildung und Erziehung)
  • 2017/18 hatten 41,4 % der 12-jährigen einen eigenen PC oder Laptop, bei den 12-Jährigen aus sogenannten Hartz IV -Haushalten sind es 15 %.
  • 150 Euro Zuschuss gibt die Bundesregierung ärmeren Haushalten für die Anschaffung eines Laptops/PC pro Haushalt (Institut der deutschen Wirtschaft)
  • Mit dem Digitalpakt  sollen Schulen vom Bund besser für den Online-Unterricht ausgestattet werden. Wegen der Coronakrise gibt es weitere Sondermittel.

Digitalunterricht – Einfach anpacken

„Eine Schule für die Welt von morgen“ – damit wirbt das Jenaplangymnasium Nürnberg auf seiner Website. Die Schule will die Schüler*innen auf eine Zukunft vorbereiten, in der sich vieles schnell verändert, nicht zuletzt durch die Digitalisierung. Also bestens vorbereitet für einen Krisenfall wie Corona? Schulleiter Patrick Götz lacht: „Auch wir haben erst einmal Mails mit Aufgaben verschickt, aber schnell gemerkt, dass wir die Schüler*innen und Eltern damit nicht alleine lassen können.“

Als reformpädagogische Schule sei das Jenaplangymnasium aber grundsätzlich offen dafür, neue Dinge auszuprobieren. Das hat eine kleine, engagierte Projektgruppe aus älteren Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen getan und ähnlich wie die FCSF eine Unterrichtsplattform eigerichtet. Schon in der zweiten Woche nach dem Lockdown gab es für die 150 Schüler*innen wieder Unterricht nach Plan – nur eben online. Lange Dienstwege wie sie bei staatlichen Schulen schon einmal vorkommen, gab es nicht. Auch dass große Teile der IT-Ausstattung bereits vorhanden waren, erleichterte die Umstellung. Mit seinem digitalen Unterricht hat es das Jenaplangymnasium in viele Medien geschafft, unter anderem berichtete 3SAT.

Corona verursacht Digitalunterricht
Leere Klassenzimmer seit Corona, ein typisches Bild.

Den direkten Kontakt ersetzt nichts

Beiden Schulen war wichtig, in der Ausnahmensituation mit den Schüler*innen in engem Austausch zu bleiben. Digitalunterricht per Videoübertragung, Chatten mit den Lehrer*innen und untereinander, das Hochladen von Aufgaben und das Feedback via Plattform gehörten bald zum (Schul)alltag. Dass Unterrichtsunterlagen, Arbeitsblätter und Nachrichten sortiert nach Klasse, Fach und Schüler*in zentral in der Unterrichtsplattform immer auffindbar sind, ist ebenso ein Pluspunkt wie die Flexibilität. „Jetzt können auch Schüler*innen am Unterricht teilnehmen, die nicht in die Schule kommen können, und Lehrer*innen können auch einmal von zuhause aus unterrichten“, meint Schulleiter Götz.

„Den Vor-Ort-Unterricht und die Klassengemeinschaft kann der digitale Unterricht nicht ersetzen,“ so das Fazit von Matthias Hetterich. „In der Schule erlebe ich die Schüler*innen direkt, merke, was ankommt und was nicht und kann individuell fördern und begleiten“, stimmt Patrick Götz zu: „Online sehen wir die Schüler*innen zwar, wir wissen aber nicht, was nebenher noch läuft.“ Er hat auch festgestellt, dass es online länger dauert, Stoff zu vermitteln. Außerdem sei es für Schüler*innen wie Lehrer*innen anstrengend, so viele Stunden vor dem Bildschirm zu sitzen.

Missing you

Und die Schüler*innen? Die neue Software hatten sie in der Regel schnell drauf. Auch wie sie online in kleineren Gruppen zusammenarbeiten konnten. Wer sich bisher gut organisieren konnte, der tat das jetzt auch zuhause; wer nicht, tat sich mit dem Homeschooling eher schwer. „Für sie ist der Präsenzunterricht die bessere Variante“, sagt Matthias Hetterich. „Was aber alle vermissten, war die Begegnung mit den Mitschüler*innen und Freund*innen.“

Was bleibt vom Digitalunterricht?

Ganz weg gehen die Unterrichtsplattformen an den Schulen nicht mehr. Die unkomplizierte Kommunikation und der Austausch von Unterlagen werden die beiden Schulen weiter nutzen. Für erfolgreiches Lernen sei aber nach wie vor der direkte Kontakt, eine gute Atmosphäre in der Klasse, eine moderne Ausstattung der Schule, aber vor allem das Fachwissen und die Fähigkeit der Lehrer*innen eine Beziehung zu ihren Schüler*innen aufzubauen, ausschlaggebend.

Sarah jedenfalls freut sich darauf, nach den Ferien wieder fünf Tage in der Woche in die Schule zu gehen. Mit ihr viele andere Schüler*innen und Lehrer*innen. Das ist zumindest der Plan. Und wenn es anders kommt, sind die Schulen dieses Mal auf den Digitalunterricht vorbereitet.

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  1. Danke für diesen tollen Blog. War sehr interessant zu lesen.

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