Die Nis Randers ist das neue Schiff des Vereins Sea-Eye, hier zu sehen auf See.

Seenotrettung: GLS Bank finanziert SEA-EYE 5

Sea-Eye und United4Rescue schicken zukünftig den ehemaligen Rettungskreuzer NIS RANDERS der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ins zentrale Mittelmeer, um Leben zu retten. Die beiden Bündnispartner reagieren damit auf die politisch motivierten Maßnahmen, die zivile Seenotrettung zu erschweren. Am 22. Juli 2024 wird das Schiff auf SEA-EYE 5 getauft.

Seit wann gibt es Sea-Eye und warum?

Sea-Eye e.V. ist eine Seenotrettungsorganisation, die 2015 um den Unternehmer Michael Buschheuer von einer Handvoll Menschen gegründet wurde. Sie hat ein Schiff mit dem Namen SEA-EYE ins Mittelmeer geschickt. Diese Menschen reagierten damit auf den Rückzug der Europäischen Union aus der humanitären Verantwortung: der Beendigung der italienischen Marineoperation Mare Nostrum.

Die Marineoperation Mare Nostrum wurde 2013 als Reaktion auf das Ertrinken von mehr als 600 Menschen vor Lampedusa installiert und operierte bis Oktober 2014 mit bis zu 26 Schiffen im zentralen Mittelmeer. Beendet wurde die Operation aufgrund ausbleibender finanzieller Beteiligung weiterer EU-Mitgliedsstaaten. Eine staatliche Seenotrettung mit dem klaren Mandat, möglichst viele Menschenleben zu retten, hat es seither nicht mehr gegeben. Dass dies unmöglich an zu wenig finanziellen Mitteln liegen kann, zeigt die Investition in umfangreichen europäischen Grenzschutz. Italien ist dazu bereit, über 200 Millionen Euro auszugeben, um die wenigen Menschen, die über die Mittelmeerroute nach Italien kommen, nach Albanien zu bringen.

Gorden Isler ist Vorsitzender der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye. Foto: Sea-Eye e.V.

Bis zu 150.000 Euro pro Tag will die italienische Regierung dafür ausgeben, Menschen mit einem Schiff nach Albanien zu bringen. Es geht also nicht um Geld. Es geht darum, Signale der Abschottung und Abgrenzung zu senden.

Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Bis 2017 war die SEA-EYE gemeinsam mit dem Schwesterschiff SEEFUCHS unter niederländischer Flagge abwechselnd im Einsatz. Mit beiden Schiffen retteten die Besatzungen rund 14.000 Menschenleben. 2017 wechselte die Regierung in den Niederlanden und die deutschen Seenotrettungsschiffe verloren ihre Flaggen. Das Ende der zivilen Seenotrettung?

Und dann gab es zwei Möglichkeiten: aufgeben oder weitermachen. Wir haben uns entschlossen, unter unserer Heimatlandflagge weiterzufahren. Es ist Sea-Eyes großer Verdienst, zu beweisen, dass dies unter deutscher Flagge möglich war.

Gorden Isler

Zwar bedeutete dies einen großen bürokratischen Aufwand, versprach der NGO aber auch politische Unterstützung in Berlin. Während andere Seenotrettungsorganisationen unter niederländischer Flagge in Malta oder Italien festgesetzt waren, war die ALAN KURDI das erste Rettungsschiff von Sea-Eye unter deutscher Flagge und im Jahr 2019 zeitweise das einzige Schiff im Einsatz. Heute fahren alle deutschen Organisationen unter deutscher Flagge, was nicht zuletzt auf das Engagement von Sea-Eye zurückgeht.

Wie wurde das Schiff finanziert?

Als NGO ist Sea-Eye auf Spenden angewiesen. Sowohl die Instandhaltung der Schiffe als auch die Einsätze selbst werden so ermöglicht. Den Kauf des Schiffes hat die GLS Bank finanziert – sie ist eine von mehreren Geldgeber*innen. Ein breiter Finanzierungsmix ermöglichte dies. So können künftige Spendengelder hauptsächlich in die Betriebskosten und weitere Einsätze fließen. „Deswegen bin ich besonders froh über die Zusammenarbeit mit der GLS Bank und der GLS Crowd“, betont Gorden Isler. Die GLS Crowd ist Kooperationspartnerin der GLS Bank. „Dieser Finanzierungsmix gibt uns und unseren Bündnispartnern die Gelegenheit zu sagen: Und alles, was wir ab jetzt an Spenden sammeln, kommt oben drauf und geht in die Seenotrettung. Diese Ergänzung ist wahnsinnig wertvoll für uns.“

„Eigentlich finanziert die GLS Bank keine Schiffe“, erläutert Juliane Müller, Branchenleiterin Nachhaltige Wirtschaft. „Wir haben uns jedoch – ähnlich wie bei Sea-Watch e.V. – dazu entschlossen, diese Finanzierung außerhalb unserer Standardprozesse zu ermöglichen.“

Juliane Müller
Juliane Müller hat sich als Leiterin der Branche Nachhaltige Wirtschaft für die Finanzierung des Rettungsschiffes eingesetzt. Foto: GLS Bank / Stephan Münnich

Warum wir das tun? Weil es das Richtige ist. An erster Stelle steht für uns die gesellschaftliche Verantwortung. Fundamentale Menschenrechte müssen gewahrt werden. Kein Mensch darf sterben, weil Europa sich in der Geflüchteten-Frage nicht einigen kann. Das ist für mich und uns als GLS Bank indiskutabel.

Juliane Müller, Branchenleiterin Nachhaltige Wirtschaft

Welche Blockaden und Hindernisse gibt es in der zivilen Seenotrettung?

Der Kauf des neuen Schiffes ist eine Reaktion auf den politischen Druck der italienischen Regierung, die neue Maßnahmen eingeleitet hat, um die Rettung von Menschen in Seenot zu verlangsamen und zu kriminalisieren. Mit der Einführung neuer Gesetze wie dem sogenannten Piantedosi-Dekret müssen die Rettungsschiffe nach jedem Notruf einen Hafen ansteuern. Die zugewiesenen Häfen scheinen mit Kalkül in weiter Ferne gewählt. So musste die SEA-EYE 4 bei einer Mission im Mai fünf Tage Fahrt auf sich nehmen, um den Hafen in Genua anzusteuern. Das bedeutet hohe Kosten und Gefahren für die Menschen an Bord. Ignoriert die Organisation die Anweisungen und folgt einem zweiten Notruf, was das internationale Recht verlangt, werden die Schiffe samt Besatzung in Italien festgesetzt. So kam es in diesem Jahr zur längsten unrechtmäßigen Festsetzung eines Rettungsschiffes, seit es Sea-Eye gibt: 60 Tage unter falscher Beschuldigung. Die unrechtmäßige Festsetzung bestätigte auch das Gericht in Reggio Calabria. Es hat der Klage von Sea-Eye stattgegeben.

Trotzdem werde Italien bei der Strategie bleiben, ist Isler überzeugt. Als Antwort auf diese Strategie reagiert Sea-Eye mit dem Kauf des eigens für die Seenotrettung hergestellten Schiffes NIS RANDERS. Gorden Isler: „Wir wollen nicht in weit entfernte Häfen geschickt werden, wir wollen unsere wenigen Ressourcen möglichst verantwortungsbewusst und wirksam verwenden. Deshalb haben wir genau dieses Schiff gekauft und werden es im zentralen Mittelmeer einsetzen.“

Das muss man sich klar machen, was das bedeutet. Das ist der Beweis dafür, dass wir schikaniert werden. Das ist der Beweis dafür, dass es sich um staatlichen Missbrauch von Machtbefugnissen handelt. Und das können wir mit dem Urteil belegen.

Gorden Isler

Welche Vorteile verspricht das neue Rettungsschiff?

Mit dem Kauf des alten Rettungsschiffes der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger statten die Bündnispartner sich strategisch aus. Die NGO braucht ein kleineres, schnelleres Schiff, das für die Rettung von Menschen geeignet ist. Und es braucht vor allem ein Schiff mit räumlichen Limits. Warum?

„Wir sehen, dass die italienische Küstenwache die räumlichen Limits von Schiffen bei der Zuweisung sicherer Häfen berücksichtigt. Die SEA-EYE 5 kann Menschen retten und die Häfen von Lampedusa, Malta und vielleicht auch Sizilien erreichen. Aber Genua oder Ravenna sind unerreichbar“, erklärt Gorden Isler. „Dadurch bleibt das Schiff näher am Einsatzgebiet und kann schneller dorthin zurückkehren.“

Deshalb hat sich das Bündnis für die NIS RANDERS entschieden. Sie erfüllt alle Kriterien und ist für keinen anderen Zweck gebaut worden, als Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Und das hat sie in der Ostsee auch 20 Jahre lang getan.

Das neue Schiff wird keine Unterkunftsmöglichkeiten bieten; die Menschen werden teilweise an Deck sitzen müssen. Aber genau deswegen wird es nicht möglich sein, fünf Tage an einen weit entfernten Hafen geschickt zu werden. Die NGO verspricht sich mit dem dann auf den Namen SEA-EYE 5 getauften Schiff eine höhere Geschwindigkeit in den Abläufen zu erreichen und damit so viele Menschen wie möglich vor dem Ertrinken retten zu können.

Aus dem Rettungskreuzer NIS RANDERS wird am 22. Juli 2024 die SEA-EYE 5, dann findet die Taufe des Schiffes statt. Titelfoto/Foto: Maik Lüdemann

Menschen fliehen vor Krieg und Gewalt, aber auch vor den Folgen der Klimakrise, die wir hauptsächlich im globalen Norden verursacht haben. Die Auswirkungen zeigen sich jedoch besonders stark im globalen Süden. Hier positionieren wir uns als Bank klar zu beiden Themen: zu den ökologischen Aspekten und der sozialen Verpflichtung, uns als Gesellschaft für diese Themen einzusetzen.

Juliane Müller

Möchtest Du Sea-Eye treffen?

Am 11. September 2024 sprechen Vertreter*innen von Sea-Eye e.V. ab 17.30 Uhr in der GLS Bank Filiale Berlin mit Gästen über ihre praktische Arbeit, Hindernisse und die Rechtslage. Hier geht es zur Anmeldung!

Mehr über unsere Branche Nachhaltige Wirtschaft erfährst Du auf unserer GLS Bank Website.

Deine Unterstützung zählt

Wie Ihr Sea-Eye unterstützen könnt sowie weitere Informationen erfahrt Ihr auf der Website der NGO.

Zur Autorin

Charlotte Bechtle, Studentin, M.A. Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt in Diversität und Globalisierung. Macht durch Nebentätigkeiten und Engagement auf gesellschaftliche Strukturprobleme aufmerksam. Bei der Europäischen Asylpolitik liegen diese auf der Hand und dennoch fehlt es an Aufmerksamkeit für die Gewalt auf dem Mittelmeer.

Foto: Privat

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55 Antworten zu „Seenotrettung: GLS Bank finanziert SEA-EYE 5“

  1. Avatar von Manuel
    Manuel

    Einfach froh bei euch zu sein, die richtige Bank für mich!

  2. Avatar von Marcus Becker
    Marcus Becker

    hallo,
    ich bin absolut gegen die Finanzierung des Schleppergeschäfts. Das hat nichts mit nachhaltigem Wirtschaften zu tun und sollte auch nicht Aufgabe einer Bank sein. Die Fluchtursachen müssen zum einen vor Ort bekämpft werden und zum anderen müssen die Pullfaktoren für die Flucht aus wirtschaftlichen Gründen beendet werden. Mit Seenotrettung hat das nichts zu tun, ausser die Menschen würden zurück an die Küste Nordafrikas gebracht werden.

    1. Avatar von wiewärsmamitfakten
      wiewärsmamitfakten

      Die These der Pull-Faktoren stammt aus den 1960er Jahren und wird in der Migrationsforschung schon seit Langem als überholt angesehen. Auch aktuelle wissenschaftliche Studien zu den Ursachen der Flucht über das Mittelmeer kommen einhellig zu dem Schluss, dass Seenotrettung keine Fluchtursache ist. Jeder, der etwas Anderes behauptet, stellt sich also nicht nur ganz bewusst gegen diese Erkenntnisse sondern macht sich auch mit üblen Populisten und Menschenfeinden gemein.

  3. Avatar von Martin
    Martin

    Finde ich sehr schlecht !
    Eine Seenotrettung an sich ist wichtig, aber eine Überfahrt nach Europa ist eine offizielle Menschenschlepperei. Wer in Nord oder Ostsee in Seenot gerät kommt auch keine Überfahrt nach Dänemark oder Schweden ! Wenn die Seenotrettung die Geretteten wieder zurück zum Ausgangsort bringt wäre das ok, das passiert aber nicht. Diese Schlepperorganisation lädt die Geretteten in Italien ab und überläßt es dann dem Italienischem Staat und Bürgern sich um diese zu kümmern.
    Für mich ist so eine Beteiligung der Bank eher ein Anlass über einen Wechsel nachzudenken.

    1. Avatar von nope
      nope

      Ich zitiere an dieser Stelle einfach das UNHCR:

      „Es gibt keine Verpflichtung des Kapitäns, die Geretteten in einen bestimmten, z.B. den nächstgelegenen Hafen zu bringen, sondern er muss die geretteten Personen an einen sicheren Ort bringen. Um eine zügige Ausschiffung im zentralen Mittelmeer zu ermöglichen, kommen vor allem italienische, spanische und maltesische Häfen in Betracht. Ein Hafen ist nur ein für die Ausschiffung geeigneter, sicherer Ort, wenn dort keine schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zu befürchten sind oder eine Abschiebung von Schutzsuchenden in die Gefahr im Heitmatland droht. Da in Libyen ausgeschiffte Personen unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert werden und oft Folter, Misshandlung oder gar der Tod droht, ist Libyen kein sicherer Ort. Niemand sollte dorthin verbracht werden. Das ist aber, was derzeit mit Menschen passiert, die von der libyschen Küstenwache aus Seenot gerettet werden oder deren Boot auf dem Weg von der libyschen Küstenwache angehalten wird.“

      Wenn Du wirklich möchtest, dass flüchtende Menschen in Länder gebracht werden, in denen Sie ohne Beachtung des Rechtsstaatsprinzips inhaftiert, gefoltert und ermordet werden, dann kann ich Dir auch nicht helfen. Vielleicht möchtest Du diese Einstellung ja aber auch noch einmal überdenken.

      1. Avatar von Martin
        Martin

        Ich bleibe bei meiner Meinung, dass die GLS hiermit eine Schlepperorganisation unterstützt. Es gibt wahrscheinlich Gründe, warum normal keine Schiffe finanziert werden. Für mich eine klare Enttäuschung.
        Und wenn jemand aus oder durch Libyen kommt, kann man ihn auch wieder dort zurück bringen; und neben Libyen gibt es auch Tunesien , Ägypten etc. Es muss nicht Europa sein. Hier wird eindeutig unter dem Deckmantel der Seenotrettung politisch gehandelt. Von einer GLS hätte ich das nicht erwartet. Was kommt als nächstes ?

        1. Avatar von nope
          nope

          Auch in diesen anderen Ländern ist es um die Achtung der Menschenrechte leider schlecht bestellt. Flüchtlinge werden auch dort nicht in einem geordneten Verfahren aufgenommen, sondern häufig ohne Prozess inhaftiert, misshandelt und sogar einfach in der Wüste ausgesetzt. Das Argument weil jemand aus Lybien kommt, kann man ihn auch dahin zurück schicken, finde ich allerdings besonders perfide. Wer vor Verfolgung und Folter aus Lybien flieht, soll also nach Deiner Meinung dort wieder hin geschickt und weiter gefoltert werden? Wer vor Hunger und Elend flieht, die wir als „globaler Norden“ zu großen Teilen mit verantworten, den schicken wir zum Verhungern dahin zurück, wo er hergekommen ist? Ich hoffe, Du hast das einfach nur nicht zu Ende gedacht und willst hier nicht wirklich derart menschenfeindliche Positionen vertreten.

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