Nachhaltig an der Börse

Nachhaltig an der Börse

Wir investieren das Geld unserer Kunden*innen auch in börsennotierte Unternehmen. Was genau verstehen wir dabei unter nachhaltig?

Artikel vorlesen lassen. Dauer 4:19 Minuten

Denken wir uns mal ein Unternehmen. Es heißt Grünwerk und ist börsennotiert, das heißt, jeder kann Aktien kaufen. Die Grünwerk-Geschäftsführung hat soziale und wertschätzende Arbeitsbedingungen geschaffen. Das Umweltmanagement ist hervorragend. Die Produkte sind nachhaltig hergestellt. Alles wirkt wunderbar. Grünwerk ist also ein guter Kandidat für das GLS Anlageuniversum. Das heißt, die Bank und ihre Fonds könnten die Aktien kaufen.

Doch halt: Was ist denn das? Ein Vertrag. Und zwar einer, der Energielieferungen der Kohleindustrie regelt. Das geht auf den ersten Blick gar nicht. Oder?

Der Vertrag ist schon 15 Jahre alt und läuft bald aus. Das Unternehmen muss ihn bis dahin erfüllen. Das aktuelle Management bestätigt uns persönlich und schriftlich, dass es einen solchen Vertrag nicht mehr eingehen wird. In der öffentlichen Unternehmensstrategie ist der Ausstieg ebenso festgehalten. Daraus entstehen der GLS Bank schwierige Fragen. Sollen wir investieren und die Anstrengungen der jetzt verantwortlichen Menschen honorieren? Oder Grünwerk für vergangene Sünden ausschließen? Diese Abwägungen zeigen, dass nachhaltiges Wirtschaften selten schwarz oder weiß ist. Es ist auch: menschlich. Trotzdem müssen Antworten her.

Von Detektiven und Entscheidern

Den Anfang dafür macht das Researchteam der GLS Bank. Die fünf Mitarbeiter*innen gehen sorgfältig wie Detektive vor. Sie werten tagtäglich unzählige Informationen über Unternehmen und Finanzinstitute aus. Diese Daten stammen von speziellen Ratingagenturen wie imug oder oekom research, von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Facing Finance oder urgewald sowie aus der eigenen Recherche.

Etwa 200 Unternehmen werden jährlich einer Vorprüfung unterzogen. Rund die Hälfte besteht diesen ersten Check nicht, weil unsere Ausschlusskriterien tangiert werden. Die andere Hälfte wird intensiv durchleuchtet, zunächst insbesondere das Geschäftsfeld und die Unternehmensführung. Die Researcher erstellen aus ihren Fünden Nachhaltigkeitsprofile, listen ihre Prüfungsergebnisse auf und legen sie dann dem GLS Anlageausschuss vor. In diesem sitzen zwei Mitarbeiter der GLS Bank und sechs unabhängige Experten*innen. Sie entscheiden über das Schicksal eines Unternehmens im Anlageuniversum: Investieren? Oder Ausschluss?

Die Mitglieder des Gremiums bringen vielseitige Erfahrungen mit. Sie kennen sich aus mit Nachhaltigkeit, Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechten oder Umweltschutz. Die Diskussionen sind qualifiziert und kritisch. Die Einzelinformationen zu jedem Unternehmen werden gewichtet und zu einem Gesamtbild zusammengefasst, als Basis für eine Entscheidung. Ist diese letzte Hürde genommen, unterliegen alle Titel im GLS Anlageuniversum einem monatlichen Monitoring. Tauchen darin kritische Punkte auf, wird das Unternehmen dem GLS Anlageausschuss wieder vorgelegt.

Nachhaltig – Menschen sagen mehr als Zahlen

Regelmäßig sehen sich die acht Ausschussmitglieder schwierigen Grenzfällen gegenüber. So wie bei unserem Beispiel, der Firma Grünwerk. Nur eine kritische Information trübt das gesamte Bild. Daran wird deutlich, warum Einzelfallentscheidungen so wichtig sind: In einem starren Raster würde das Unternehmen schlichtweg durchfallen. Doch entscheidend ist nicht nur Grünwerks Kohlevertrag. Sondern wie das Unternehmen damit umgeht. Darüber sprechen die GLS Spezialisten mit dem Management persönlich. Auch Aktivisten und andere Analysten werden einbezogen. Wie hat sich das Unternehmen verhalten? Hat es Maßnahmen umgesetzt, um ähnliches zu verhindern? Wie wird der Erfolg nachgehalten?

Dies sind qualitative Aussagen, bei denen Zahlen nicht weiterhelfen. Vermittelt das Unternehmen keine Veränderungsbereitschaft, dreht der GLS Anlageausschuss in letzter Instanz den Daumen nach unten. Dann steigt die GLS Bank aus der Investition aus.

Auf Unternehmen zugehen, das kann sich auszahlen. Erst im November teilte die DZ Bank — die derzeit zweitgrößte deutsche Bank — mit, dass sie aus der Projektfinanzierung für Kohlekraftwerke aussteigt. Anlass dazu war u.a. der engagierte Einsatz der GLS Bank sowie die Forderungen verschiedener Kirchenbanken und NGOs.

Und was ist nun mit der Grünwerk-Aktie? Die würde erstmal im Anlageuniversum bleiben.

Passend dazu auch dieser Artikel:

Bankspiegel: Reise in die GLS Bank – Teil 3 – Research

Photo by Markus Spiske on Unsplash

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