Wie können wir wieder positive Zukunftsbilder aufbauen, die Menschen ermutigen, optimistisch in die Zukunft zu schauen? Mit Aufklärung, Solidarität und vor allem: einer humanen Wirtschaftsweise. In der Klimareporter°-Kolumne „Osmanoglus Woche“ beantwortet GLS-Vorstandssprecherin Aysel Osmanoglu regelmäßig Fragen zu aktuellen Themen. Die Fragen stellte Jörg Staude.
Frau Osmanoglu, statt des Vertrauens in die Chancen einer anderen Klimazukunft wuchs in den letzten Jahren der Widerstand gegen jede Art ökologischer Transformation. Schon lange gehe es dabei nicht mehr um Klima- oder Energiewende-Kommunikation, sondern es gehe jetzt um Politik und Macht, um Demokratie und Frieden.
Ich bin überzeugt, dass positive Zukunftsbilder immer noch der richtige Ansatz sind. Frau Kemfert beschreibt die Wirkweise von Desinformation und gezielten Verunsicherungskampagnen.
Wir müssen uns fragen, an welche Ängste und Emotionen diese Strategien andocken. Ich glaube, dass Ängste in einer Gesellschaft weniger instrumentalisiert werden können, wenn Menschen miteinander verbunden sind und sich selbst als Teil einer Gemeinschaft fühlen.
Ein Baustein zur Lösung muss also sein, solchen Erzählungen von Niedergang den Nährboden zu entziehen. Hier schlage ich den Bogen zu unserer Wirtschaftsweise, die in ihrer jetzigen Form viele Menschen auslaugt und von eigentlichen Grundbedürfnissen abschneidet: bezahlbares Wohnen, gesunde Ernährung, solidarische Beziehungen, intakte Umwelt, mentale Gesundheit.
In einer regenerativen Wirtschaftsweise steht der Mensch im Mittelpunkt, und die Ressourcen der Natur werden respektiert und aufgebaut. Was ich hier aufzähle, hilft natürlich nicht im Handumdrehen. Doch sowohl jede und jeder Einzelne von uns als auch Politiker*innen ebenso wie Unternehmen und Banken können daran arbeiten, unsere Gesellschaft gerechter, resilienter und demokratischer zu machen.
Der deutsche Wald gibt inzwischen mehr CO2 ab, als er aufnimmt, legt die neue Bundeswaldinventur offen. Der Verlust an Biomasse durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall sei größer als der Zuwachs an lebender Biomasse, sagt der zuständige Landwirtschaftsminister. Das klingt so, als habe unser wenig nachhaltiger Umgang mit den Wäldern so gar nichts mit seinen Problemen zu tun. Wie muss dem Wald geholfen werden?
Auch der Wald kann nur gesund sein und bleiben, wenn er als Ökosystem respektiert wird und sich regenerieren kann. Das ist mitten in der Klimakrise umso schwerer, da die Schäden schon sehr groß sind.
Ich kann nicht erwarten, dass der Wald zugleich Bewirtschaftungsfläche, Holzlieferant und Erholungsort ist und dann noch Biodiversität beherbergt und CO2 speichert, während wir alles ökonomisch Mögliche aus ihm herauspressen. Deshalb auch hier: Weniger ist mehr.
Eine regenerative Nutzung und Bewirtschaftung hilft dem Wald. Es gibt Beispiele, wo der Wald einfach sich selbst überlassen wurde und dadurch eine resiliente Form gefunden hat durch sich ansiedelnde Baumarten und minimale Eingriffe der Förster*innen.
Seit dem vergangenen Jahr entsteht mithilfe der von der GLS Bank mitgegründeten Genossenschaft Bioboden und der Biohöfe Stiftung ein Wald des Wandels. Im brandenburgischen Havelland werden klimaresiliente, teils nicht heimische Bäume gepflanzt.
Unternehmen sollten auf die Qualität ihrer Klimaprojekte achten und nicht nur auf die Menge an kompensiertem CO2, empfiehlt Jérôme Cochet, Chef der Handelsplattform Goodcarbon. Ein Markt für freiwillige CO2-Projekte funktioniere nur, wenn Unternehmen bereit seien, heute Geld in die Hand zu nehmen für CO2-Zertifikate, die sie erst in Zukunft bekommen. Die Projekte müssten zudem versicherbar sein und mit der lokalen Bevölkerung umgesetzt werden. Können solche Kriterien am schlechten Ruf des freiwilligen CO2-Handels etwas ändern?
Wenn ein Unternehmen CO2 kompensiert, sollte es dies selbstverständlich in sinnvoller Form tun und ein Projekt wählen, das auch wirkt. Bei der GLS Bank sehen wir CO2-Kompensation trotzdem kritisch und nur als allerletzten Schritt nach einer Reihe anderer Schritte.
Unternehmen sollten sich fragen, warum sie überhaupt CO2 kompensieren müssen. Sie sollten zunächst alles tun, um ihren direkten oder indirekten Ausstoß an Klimagasen auf das absolut unvermeidbare Minimum zu bringen. Da denke ich an Lieferketten, an Unternehmensstandorte und ihre Energieversorgung und auch ihre Mobilitätskonzepte.
Übrigens ist das Klima nur eine von mehreren planetaren Grenzen. CO2-Reduktion ist essenziell, aber leider noch nicht alles. Deshalb brauchen wir eine regenerative Wirtschaftsweise in allen Belangen.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Die Verkündung des Friedensnobelpreises für die japanische Organisation Nihon Hindankyo, die sich für eine atomwaffenfreie Welt einsetzt. Ich freue mich, dass hier Menschen geehrt werden, die schon ihr ganzes langes Leben lang dafür kämpfen.
Denn die Organisation wurde von Überlebenden der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki gegründet. Diesen Zeitzeugen, die das erlebt und überlebt haben, sollten wir alle gut zuhören.
„Ich möchte weiterhin an die Menschen in der Welt appellieren, die Atomwaffen abzuschaffen und einen dauerhaften Frieden zu erreichen“, hat der Präsident von Nihon Hindankyo gesagt.
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