Archivbeitrag

Wohin mit der Wolle von Schafen?

Coburger Fuchsschafe, Schwarzkopfschafe, Heidschnucken, Pommersche Landschafe: Rund 1,5 Millionen Schafe liefern in Deutschland etwa 6.000 Tonnen Wolle pro Jahr. Doch mit Schafwolle lässt sich hierzulande kein Geld verdienen: Deutsche Schafwolle ist eher rau und spielt deshalb in der Textilindustrie keine Rolle. Wohin also mit deutscher Wolle?

Leider lautet eine Antwort auf diese Frage: Nicht selten landet deutsche Wolle in der Verbrennung. Die Verarbeitung der Rohwolle ist aufwendig und teuer, die Konkurrenz aus dem Ausland zu stark.

Es gibt keine Wollwäschereien mehr in Deutschland

Für die Weiterverarbeitung in der Textilbranche muss Rohwolle nach der Schur schonend gewaschen und gezupft werden. Da es in Deutschland keine Wollwäschereien mehr gibt, wird die Wolle nach China verschifft. Beim Zupfen wird die Wolle in kleine Stückchen portioniert, vorhandene Verschmutzungen und kleinere Knoten entfernt. Anschließend erfolgt ein Kämmen der Woll-Stückchen, dessen Ergebnis lange, knotenfreie und saubere Wollfasern sind. Erst dann wird die Wolle in einer Spinnerei zu Wollfäden verarbeitet. Wollspinnereien und Webereien, wo der Faden zu Stoff verwebt wird, befinden sich ebenfalls in Asien: Indien, China, Bangladesch. Der Textilmarkt ist global und deutsche Wolle kann mit Merino-Schafen aus Australien und Neuseeland nicht mithalten.

Schafe sind inzwischen Landschaftsgärtner

In Deutschland halten sich Schäfer*innen mit der Landschaftspflege über Wasser. Schafe dienen seit Jahren nicht mehr als Wolllieferanten, sondern als Landschaftsgärtner: Sie grasen Flächen ab und schützen Deiche und Überflutungsflächen vor der Verbuschung.

Einmal im Jahr müssen die vierbeinigen Landschaftsgärtner geschoren werden und Schäferinnen und Schäfer haben ein Problem. Reine Schurwolle genießt in Deutschland einen schlechten Ruf. „Kratzig“, „nicht waschmaschinentauglich“ und „läuft schnell ein“ lauten die Vorurteile, hinzu kommt der hohe Preis für reine Wollpullover.

Mit Wolle kommt kein Mikroplastik ins Abwasser

Dabei ist Wolle ein nützliches und vielseitiges Material. Zunächst ist es ein Naturprodukt und beim Waschen gelangt kein Mikroplastik ins Abwasser. Die Wärmeleistung von Wolle ist um ein Vielfaches besser als von Synthetikfasern oder Baumwolle. Wer zwei kuschelige Strickjacken und Wollpullover aus reiner Schurwolle sein Eigen nennt, spart sich einiges an Heizkosten. Wolle hält warm. Je schonender die Wolle gewaschen und verarbeitet wurde, je länger also die Faserlänge ist, desto besser die Wärmeleistung.

Der Textilmarkt ist radikal zerstörend. Reine Wollkleidung wird auf diesem Markt auch in den nächsten Jahren eine Nische bleiben. Dennoch ist das hochwertige Naturprodukt vielseitig verwendbar.

Schafwolle ist ein natürliches Düngemittel

Wolle enthält Phosphor, Kalium, Schwefel und jede Menge Stickstoff – alles wichtige Nährstoffe für Nutzpflanzen. Ungewaschene Wolle liefert Pflanzen über einen sehr langen Zeitraum Nährstoffe und sorgt für ein gesundes Wachstum. Dank seiner Fähigkeit viel Wasser aufzunehmen, fungiert der organische Langzeitdünger zugleich als Feuchtigkeitsspeicher. In Form sogenannter Düngepellets (erhältlich beim Onlineversandhandel Waschbär) leistet die unbehandelte Schafwolle einen wertvollen Beitrag als natürliches Düngemittel.

Wolle als Unkrautbekämpfer

Zu Matten gepresst und auf dem Beet im Garten ausgebreitet, eignet sich die vollständig biologisch abbaubare Schafwolle sehr gut zur Unkrautbekämpfung. Das Unkrautvlies schützt nicht nur vor pflanzlicher Konkurrenz, sondern stellt auch eine wirksame Schneckenbremse dar. Aufgrund der höheren Wärme im Boden trägt die luft- und wasserdurchlässige Matte aus Schafwolle ferner zu einem schnelleren Pflanzenwachstum bei.

Bleibt das Fazit: Nichts wärmt besser als regionale Wolle – und mit den Wollresten geht es am besten ab ins Gemüsebeet! Eine Kreislaufwirtschaft, in der alles verwertet und nichts weggeschmissen wird, ist nachhaltig und zukunftsweisend. In Zeiten von hohen Heizkosten und Düngemittelmangel kann deutsche Schurwolle Teil einer Lösung sein.

Was meinst du zu diesem Thema? Hast du Wollpullis im Schrank oder schon mal Wolle mit ins Beet genommen? Hinterlasse gerne einen Kommentar.

Und falls du jetzt feststellst, dass dir wirklich noch ein wärmendes Stück fehlt, schau dich doch einmal bei unseren GLS Kund*innen der nachhaltigen Mode um. Hier findest du Pullis, Jacken, Sweatshirts, Hosen, Wäsche, Schuhe und mehr, bio, fair, tiergerecht oder vegan. Vor allem langlebig statt „Fast Fashion“. Alle Infos auf unserer „Zieh dich warm an“-Seite.

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20 Antworten zu „Wohin mit der Wolle von Schafen?“

  1. Avatar von Amargo
    Amargo

    Das Filzen kann mit Sicherheit eine Herausforderung sein, und manchmal fühlt es sich an, als ob das Flies seinen eigenen Willen hat. Doch wenn man nach all der Mühe eine Wolle mit erstaunlicher Qualität erhält, hat sich die Arbeit schon gelohnt. Davon zarte Wollsocken herzustellen bzw. sie zu warmen Socken zu verarbeiten, die die Kälte des Winters fernhält, ist der Aufwand wert.

  2. Avatar von Gisela
    Gisela

    Ich möchte auf die Handspinngilde e.V. aufmerksam machen. Der 2004 gegründete gemeinnützige Verein hat sich zur Aufgabe gemacht, die alte Kunst des Handspinnens zu fördern. Der Verein berät zu allen Themen, die mit dem Handspinnen zu tun haben, vom Waschen der Wolle, Färben, Kämmen, Kardieren und Spinnen mit Handspinnrädern aller Art und Spindeln.
    Inzwischen gibt es bundesweit mehr als 1000 Mitglieder, darunter auch Schäfer:innen. Jährlich findet ein großes Spinntreffen statt, mit einem vielfältigen Angebot von Kursen und einem Markt, auf dem Produzent:innen in Kontakt mit den Spinner:innen kommen können.
    Jedes Jahr gibt es ein „Schaf des Jahres“ – 2022 ist es das Jakobsschaf.

    Nähere Informationen und Kontaktdaten sind hier zu finden: https://www.handspinngilde.org/

  3. Avatar von Jahme
    Jahme

    Kennst du den“Finkhof“ in Bad Wurzach? Frag da mal, wegen Wollwäsche und Wollverarbeitung.

    Einziges großes Problem bei Wolle: Motten und Wollkäfer. Irgendwie finden sie immer einen Weg….

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