Das Online Nachrichten Magazin Perspective Daily will der Nachrichtenflut und der damit verbundenen Verunsicherung mit konstruktivem Journalismus und nur einem Artikel pro Tag entgegenwirken. Mit der Gründerin Maren Urner habe ich gesprochen.
Schön, dass du da bist Maren! Gerade sitzt du ja in Münster, in eurem Büro. Was hast du denn heute schon gemacht?
Heute Morgen habe ich sehr zeitig, um 7:30 Uhr damit angefangen am Text für morgen rumzudrehen und zu finalisieren. Um Elf hatten wir eine Besprechung mit vier Autoren für den Text von Donnerstag, bei dem es um die Sicherheitskonferenz geht. Dann ging es weiter mit ein paar Kleinigkeiten von meiner To – Do Liste. Nach dem Mittag gegen viertel vor Zwei haben wir in unserem Konferenzraum unser Daily Meeting – unsere Tagesbesprechung, bei der sich alle vom Redakteur über den Designer bis zum Entwickler austauschen. Und gerade hatten wir noch eine Besprechung mit unserem Chefdesigner, weil es um neue Flyer geht. Das war so die Kurzversion.
Wow, das ist ja einiges für so einen Vormittag. Es ist jetzt halb drei.
Ach, zwischendurch habe ich auch noch mit einer Gastautorin in London geskypet. Das kommt noch dazu.
Nicht schlecht! Auf eurer Homepage kommt einem der Ausdruck, “konstruktiver Journalismus“ immer wieder entgegen. Was ist das denn? Und was macht der herkömmliche Journalismus denn falsch?
Es geht uns nicht darum zu sagen, dass anderer Journalismus falsch ist. Im Prinzip kommt beim konstruktiven Journalismus nur ein weiteres Werkzeug hinzu. Nämlich die Frage: „Was nun?“. Nicht nur zu schauen: Ok, das ist passiert und wir sind hilflos. Sondern zu schauen: Was gibt es für Lösungsansätze oder Zukunftsmöglichkeiten, die zu dem „Das ist passiert“ passen. Ideen könnten aus einem anderen Land oder zu einem anderen Kontext stammen. Sie können aber dazu führen, dass man dem Problem oder der Herausforderung besser begegnen kann.
Ich bin eigentlich kein Freund von schlauen Sprüchen. Aber einer fasst das Konzept ganz gut zusammen: „Das Reden über Probleme schafft Probleme. Das Reden über Lösungen schafft Lösungen“ – Steve de Shazer. Das mag simpel klingen, aber es ändert die komplette Herangehensweise. Sowohl journalistisch, als auch generell. Mit allen Dingen im Leben. Ich gehe auf ein Thema zu und frage mich: Wie könnte es weiter gehen? Eine Lösung muss es noch nicht sofort sein. Nur ein: Was kommt nach dem „Jetzt“? Wer hat da vielleicht schon einmal drüber nachgedacht? Und plötzlich verändert das die komplette Berichterstattung und damit auch den anschließenden Diskurs.
Das klingt sehr spannend. Ihr sucht also nach Lösungen. Habt ihr denn schon mal eine gefunden?
Das ist immer eine gute Frage. [lacht] Gerade am Anfang, als wir uns vorgestellt hatten, noch ohne Produkt oder Artikel und noch sehr theoretisch über unsere Idee gesprochen haben wurde gefragt: „Ok, und wie löst ihr den Syrienkonflikt?!“
Genau, macht doch mal.
Unsere ehrliche Antwort darauf war, dass wir keine Zauberer sind und keine Lösungen für alles finden werden. Aber die Frage ist doch will ich den Kopf in den Sand stecken oder über eine Zukunft, die bereits morgen beginnt, sprechen? Zynismus bringt uns meiner Meinung nach nicht weiter. Natürlich gibt es Probleme für die wir (noch) keine Lösungen haben. Aber wir versuchen zumindest darüber nachzudenken. Denn dadurch ändert sich vielleicht das Denken und Handeln zu den Herausforderungen.
Es gibt auch Homepages die nur über gute Nachrichten berichten. Das finde ich nicht schlecht, zur Abwechslung mal zu lesen, was bereits gut auf der Welt läuft. Aber ihr seid quasi etwas dazwischen.
Genau. Es geht nicht darum positiven Journalismus zu betreiben. Obwohl uns das häufig von anderen Journalisten vorgeworfen wird. Nicht-Journalisten bzw. Konsumenten fragen das übrigens nie. Das zeigt uns, das Journalisten hierzulande darauf geprägt werden sich auf das Negative zu fokussieren. Das ist tatsächlich ein Problem, da es dazu führt, dass wir ein zu negatives Weltbild entwickeln. Prozentual gesehen spiegelt die Berichterstattung nicht die Realität wider. Das lässt sich leicht überprüfen, indem man Menschen Fragen über größere Zusammenhänge des Weltgeschehens stellt. Über solche Dinge, die es normalerweise nicht auf Seite 1 schaffen, da sie keine Schlagzeile haben.
Antworten auf solche Fragen, welche wir auch immer wieder stellen, werden häufig zu negativ beantwortet. Das ist natürlich vollkommen legitim, das Wissen kommt hauptsächlich aus den Medien. Woher sonst. Aber das führt zu einer gelernten Hilflosigkeit, da wir das Gefühl haben: Wir können sowieso nichts daran ändern. Überspitzt gesagt: „Was kann ich als kleiner Mensch da schon ändern.“ Dann passiert es das der Mensch sich zurück zieht und nur noch Zeitschriften über eingekochte Marmelade liest. Das ist natürlich ein Problem, weil dadurch eine Passivität entsteht. Genau da setzten wir an und wollen ein realistischeres Weltbild zeigen, wodurch die Menschen wieder Hoffnung haben. Nicht zu positives, aber optimistisch und realistisch. Das führt a) dazu, dass Menschen mehr politische Zusammenhänge verstehen und b) bereit sind, selber aktiv zu werden und auch mehr darüber sprechen.
Wenn man sich bei euch anmeldet, kann man zu jedem Artikel auch direkt in eine Diskussion einsteigen. Dabei benutzt jeder seinen richtigen Namen, wodurch des doch bestimmt netter zugeht als in sozialen Netzwerken. Wie ist das bei euch?
Das war am Anfang super spannend. Wir haben uns gefragt, ob die Menschen überhaupt bereit dazu sind mit ihrem Klarnamen zu schreiben. Und ja, sind sie. Aber bei uns herrscht keine „Kuschelmentalität“, sondern da wird stark und kontrovers diskutiert. Es gibt auch mal Missverständnisse. Aber man beginnt sensibel diese aufzuräumen und sich auch selber zu hinterfragen. Dazu bekommen wir sehr positives Feedback, da die Menschen begeistert sind, dass man online doch so schön diskutieren kann.
Sind denn eure Diskussionen in der Firma auch anders, als in anderen Journalistischen Büros?
Ja. Ich kann es natürlich nicht verallgemeinern, aber zumindest sagen viele Mitarbeiter oder Besucher, dass es hier anders ist. Bei uns herrscht auf der einen Seite ein hohes Tempo und viele Prozesse passieren gleichzeitig. Auf der anderen Seite passiert viel unkonventionell. Wir versuchen Entscheidungen gemeinsam zu treffen um gemeinsam weiter zu kommen. Das klingt jetzt etwas episch und so einfach ist es nicht immer, aber ich glaube das wir es geschafft haben ein Team von sehr unterschiedlichen Menschen aufzubauen, die jetzt an einem Tisch sitzen und gemeinsam diskutieren. Unsere eigene Perspektive können und wollen wir dadurch und durch Gastautoren immer wieder erweitern.
Bei euch gibt es jeden Tag nur einen Artikel. Wie wählt ihr diesen aus und wie tagesaktuell könnt ihr da noch sein?
Wir haben 1 bis 2 Mal die Woche Redaktionskonferenz, wo die Autoren ihre Themen vorstellen können. Es gibt keinen Chefredakteur, der entscheidet, welches Thema bearbeitet wird und es gibt keine Ressorts wie Wirtschaft oder Feuilleton, die bedient werden müssen. Stattdessen bringt jeder Autor sein Fachgebiet mit. Dadurch ist der Autor auch auf dem aktuellen Stand, was in diesem Themengebiet gerade passiert und kann dann sagen: „Da müssen wir drüber schreiben“.
Der Auswahlprozess sich bisher so eingespielt: Die Artikelvorschläge werden mit der Redaktion diskutiert und dann wird „mit Augen zu“ abgestimmt, um nicht beeinflusst zu werden. Der Autor sagt dann „Augen öffnen“ und wenn der Artikel angenommen wird, werden diesem drei weitere Autoren zugeeilt und dann beginnt der recht lange Prozess bis der Artikel fertig ist (ca. 2 Wochen).
Mit der Tagesaktualität ist es dadurch natürlich schwierig. Allerdings schauen wir sehr genau was gerade passiert und wie man diese Dinge gegebenenfalls auch Kombinieren kann. Häufig kann man die Dinge dann mit einem reflektierten Blick einsortieren.
Aber dann habt ihr auch gar nicht den Anspruch an euch “Schlagzeilen“ zu produzieren?
Nein, Perspective Daily ist ein kleines Start-up. Wir könnten es gar nicht stemmen, immer vor Ort zu sein. Außer wir sind zufällig vor da. Es ist uns wichtiger den einen reflektierten Artikel zu bringen um auch der Überflutung an Nachrichten entgegenzuwirken. Heutzutage könnten wir ja 24 Stunden Nachrichten konsumieren. Quasi die Spitze des digitalen Zeitalters. Mit einem Artikel habe ich meinen „Informationslust“ befriedigt und bin dann fertig.
Wie kann ich denn als Konsument gut mit Nachrichten umgehen? Es gibt ja entweder die Variante, dass mich Nachrichten überfordern und ich dann gar keine mehr lese. Oder ich sehe zu viele Nachrichten und Facebooknews, welche womöglich noch fake sind und rege mich auf.
Dieser Schutzmechanismus „bis hierhin und nicht weiter“ ist völlig natürlich. Aus evolutionstheoretischer Sicht, sichert es das Überleben, da es bestimmt nicht von Vorteil für deine Gesundheit ist, dich mit Negativität zu beschäftigen. Mit Perspective Daily versuchen wir eine andere Stimme zu sein. Tagesaktuelle Themen sind nicht unwichtig. Aber es ist gut eine bewusste „Medienhygiene“ zu betreiben. News bewusst auswählen und zu entscheiden was ich an mich ranlassen möchte. So bekommt man auch wieder Lust sich mit Themen auseinander zu setzen. Zumindest wird uns das von Lesern auch zurückgespielt. (Tipp: Die News Diät von Rolf Dobelli oder The News Manual)
Medienhygiene ist ein tolles Wort! Ist das auch deine bzw. eure Vision? Das in der Gesellschaft ein anderer Umgang mit Medien stattfindet?
Das ist Teil unserer Vision bzw. der Idee hinter Perspective Daily. Da spielt mein persönlicher Hintergrund mit rein (Maren ist studierte Neurowissenschaftlerin). Woher bekommen wir unsere Informationen und wie entstehen dadurch Informationsnetzwerke? Da wir nicht alles selbst sehen können, bekommen wir Informationen über die Medien. Dadurch entstehen Informationsnetzwerke, die unser Weltbild formen. Zum einen möchten wir anregen, dass zu hinterfragen und zum anderen zeigen, dass es auch anders gehen kann.
Sehr viele Artikel von dir beschäftigen sich mit Nachhaltigkeit. Ist das auch so dein Ding?
Mein Thema bei Perspective Daily heißt „Mein Gehirn und ich“. Einfach da ich in Neurowissenschaften promoviert habe und mich viele Jahre damit beschäftigt habe wie unser Gehirn und unser Lernen funktioniert. Auf der anderen Seite treibt mich das Thema Gerechtigkeit an. Kann es die in unsere Welt überhaupt geben? Und wie können wir die Welt hinterlassen, damit auch die nächste Generation ein einigermaßen gutes Leben hat? Das der Klimawandel bedeutet, dass wir unsere Lebensgrundlage zerstören und nicht „nur“ die Umwelt. Und da sehe ich unsere wichtigste Aufgabe: Das nicht nur als Wendepunkt zu sehen, sondern auch als Chance etwas zu verändern. Das haben die Medien in den letzten Jahren versäumt. Sonst würde der „Glaube“ an den Klimawandel nicht in einigen Ländern abnehmen. Um Menschen zum Handeln zu bringen müssen wir (durch Medien) Hoffnung und positives Triggern. Das macht Spaß, aber ganz ehrlich: es ist auch anstrengend. Man bekommt doch auch viele Steine in den Weg gelegt.
Das ist doch echt krass, dass die Medien da so viel Macht haben zu entscheiden welche Informationen an die breite Masse herangetragen werden und welche nicht.
Ja, dieses Paradox von dem du sprichst beschäftigt uns auch sehr oft. Wir hatten auf der Welt noch nie so viele Möglichkeiten an Informationen zu kommen und dennoch wissen wir vieles nicht und fragen uns welchen Fakten können wir denn noch vertrauen. Und da kommt dann die große Frage wie könne oder müssen wir mit dem Internet umgehen? Vor allem im Wahljahr 2017 stellen wir uns diese Frage. Und genau da komme ich nochmal auf deine Frage „Was kann denn der Konsument machen?“. Kritisch denken und hinterfragen.
Da du die Wahlen dieses Jahr ansprichst: Habt ihr das Gefühl da eine noch größere Verantwortung zu haben?
Gegenfrage: Ist ein Jahr relevanter weil eine Wahl stattfindet? Ich glaube nicht. Die Verantwortung ist immer da. Interessanter ist doch was zwischen den Wahlen passiert. Das Interesse an Nachrichten und Mitspracherecht sollte doch ein Dauerzustand sein und nicht nur zur Wahl ein Thema.
Zu guter Letzt: Was bedeutet für dich privat Nachhaltigkeit?
Da muss ich doch noch einmal unprivat Antworten: Wir haben uns bewusst dazu entschieden das Wort “Nachhaltigkeit“ nicht zu benutzen. Nicht weil es unwichtig ist, sondern weil der Begriff ein negatives Image hat. Der Begriff “Zukunft“ geht in eine ähnliche Richtung. Er ist uns sehr wichtig und interessiert am Ende doch fast alle.
Da kommt zumindest keiner drum rum.
Genau! Auch privat versuche ich bewusst zu kommunizieren. Wenn ich auf Menschen treffe die beim Wort Nachhaltigkeit an Blumenhippies denken, rede ich über Zukunft und spreche die Themen direkt an. Dadurch habe ich einen anderen Zugang zu ihnen. Wie kommuniziere ich Nachhaltigkeit bzw. Zukunft, ist als Autorin wichtig. Der Klimawandel und ähnliche Themen dürfen nicht wieder zu einem Failure der Medien werden. Das wir z. B. nicht über Dinge schreiben die in 1000 Jahren passieren, sondern die Menschen jetzt abholen. Das ist manchmal anstrengen, aber es funktioniert. Es ist toll wenn man merkt hier habe ich einen Menschen erreicht, nur weil ich andere Wörter gewählt habe.
Ein guter Impuls für meine nächsten Blogbeiträge!
Danke Maren und Perspective Daily für das schöne Gespräch und die vielen guten Gedanken!
[dark_box]
Autorin dieses #glskoop Artikels ist Stefanie, 28 Jahre alt Gutmensch und Schauspielerin mit einem Hang zur Ökoliebe. Diese verpackt sie in ihre Artikel auf www.fairflixt.de. Dort geht es um Müllvermeidung, fairen Konsum, bewusste Gedanken und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Eben ein buntes Leben, ohne Leid für andere Lebewesen. Mit allen Höhen und fairflixten Tiefen.
[/dark_box]
Schreibe einen Kommentar