Seit gut vier Jahren verwaltet Kirsten Paul das Vermögen der Bewegungsstiftung . Am 12. November nimmt sie an der Podiumsdiskussion „Mission erfüllt? 20 Jahre Mission Investing“ beim dritten Mission Investing Forum teil. Im GLS Bank Blog erklärt sie die Bedeutung der ethisch-nachhaltigen Geldanlage für die Bewegungsstiftung und gibt einen Überblick über Chancen und Herausforderungen des Mission Investing.
von Saskia Geisler
Frau Paul, wie unterscheidet sich generell das Vermögensmanagement im Bereich der Stiftungen zu dem von Privatpersonen? Als Laie denke ich da ja zunächst einmal an den Betrag.
Kirsten Paul: Ja, sicherlich ist das erst einmal die Höhe des Betrags. Aber auch die Gesamtstruktur ist anders. Zum Beispiel legen Stiftungen insgesamt eher langfristig an und nutzen nicht ausschließlich die Bankprodukte einer Bank, wie es bei Privatleuten üblich ist. Zum Beispiel vergeben wir – innerhalb bestimmter Grenzen – auch Darlehen an Wohnprojekte. Außerdem ist bei uns das Risikoverhalten sicherlich auch noch einmal anders. Wir investieren bis zu zwanzig Prozent unseres Stiftungsvermögens in Beteiligungen wie Genussrechte. Aber auch Genossenschaftsanteile sind für uns ein wichtiges Anlageinstrument.
Jetzt ist die Bewegungsstiftung ja durchaus als Vorreiter im Bereich des Mission Investing oder der ethisch-nachhaltigen Geldanlage bekannt. Wie sind Sie zu dieser Art des Anlegens gekommen?
Ich selbst bin quasi über meine Anstellung bei der Bewegungsstiftung zum Thema gekommen, hatte allerdings schon zuvor meine Zweifel am provisionsgetriebenen Bankengeschäft und den Hintergründen. Die Stiftung selbst hatte aber schon immer die Maxime, ethisch-nachhaltige Geldanlage zu betreiben. Mit der Gründung 2002 wurde das in der Satzung verankert. Wir haben sehr strenge Kriterien, anhand derer wir unsere Anlageentscheidungen treffen. Dabei sind wir nicht thematisch begrenzt, wichtig ist nur: Die Projekte, in die wir investieren, müssen den gesellschaftlichen und sozialen Wandel vorantreiben. Dabei gucken wir dann von Bereich zu Bereich. Vor einigen Jahren haben wir zum Beispiel beim Fairen Handel näher recherchiert, gerade vertiefen wir uns in den Bereich der ökologischen Landwirtschaft. Noch ist es so, dass wir da selbst ganz gezielt suchen müssen.
Sie sprachen gerade vom Suchen und von Kriterien. Wie genau muss man sich den Auswahlprozess einer Anlage bei der Bewegungsstiftung vorstellen?
Es ist so, dass die Recherche tatsächlich erst einmal über mich läuft. Dabei kommen aber auch Anregungen von unserem fachlich wirklich hervorragenden Anlageausschuss oder einzelnen Stifterinnen und Stiftern. Dann mache ich für jedes einzelne Anlageprojekt, das für unser Portfolio in Frage käme, eine ausführliche Einzelfallrecherche und erstelle ein circa 5-seitiges Gutachten. Zweimal im Jahr trifft sich dann der Anlageausschuss, wo wir jeden Fall einzeln diskutieren. Bei einstimmiger Entscheidung, dass dieses Investment zu uns passen würde, muss dann noch der Stiftungsrat seine Zustimmung geben, bevor wir wirklich anlegen können.
Das klingt nach einem unheimlich aufwändigen Prozess. Was treibt die Bewegungsstiftung an, sich so zu engagieren?
Es ist in der Tat viel Arbeit. Aber sie lohnt sich in meinen Augen! Denn es kann ja bei der herkömmlichen Anlage durchaus passieren, dass diese dem eigentlichen Stiftungszweck sogar zuwiderläuft und Stiftungen hier sozusagen unbewusst in Bereiche investieren, gegen die sie sich mit ihrer Arbeit engagieren. Zusätzlich sehen wir, dass bei den Projekten, in die wir investieren, ganz oft der Erfolg von der Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel abhängt. Und wir sehen, dass wir mit unserer Art zu investieren, eine soziale Wirkung erzielen. Bei den Darlehen an die Wohnprojekte handelte es sich zum Beispiel auch um Investitionen, in die Banken nicht mehr finanzieren wollten. Wir sind dieses Risiko sehr bewusst eingegangen. Für uns steht da der Versuch, Dinge zu ermöglichen im Vordergrund. Aber wir haben natürlich auch andere Anlagen, zum Beispiel die Investition in Wohngenossenschaften. Dadurch entziehen wir ja bewusst Wohnraum der Spekulation. Ein anderes Beispiel sind Sparbriefe bei der GLS Bank. Da ist uns dann eben auch wichtig, dass wir ganz transparent nachvollziehen können, in welche Projekte das Geld fließt. Für uns ist wichtig: Wer kann das Geld gebrauchen und wofür?
Das sind die Chancen und Möglichkeiten, die Mission Investing liefert. Wie sieht es mit den Herausforderungen aus? Wo sind aus Ihrer Sicht die Hemmschuhe, dass nicht alle Stiftungen sagen: Das machen wir auch?
Das hat sehr unterschiedliche Ursachen. Einerseits würde ich ganz klar sagen, dass es die Anlage erschwert. Es ist schwierig, Projekte zu finden, die zu unseren Kriterien passen. Das ist eine recht hohe Hürde. Oft würde ich mir da auch mehr wirklich dunkelgrüne Anlageprodukte wünschen, um mehr Auswahl zu haben. Zusätzlich haben viele auch diesen Irrglauben, dass nachhaltiges Investment mit einem höheren Risiko und einer geringeren Rendite behaftet sei. Das kann ich beides nur verneinen. Genau wie im konventionellen Bereich kommt es auf das Produkt an. Diese sehr eingehende Betrachtung macht aber Arbeit und braucht Zeit – da kann es bequemer sein, einfach bei seiner Bank ein Depot zu haben und sich darauf auszuruhen. Ich merke aber, dass hier ein Wandel stattfindet. Wir sind ja auch Mitbegründer des Netzwerks „Wandelstiften“, da waren unsere Anlagerichtlinien ein Maßstab für die Kriterien der anderen und auch sonst wird immer häufiger nachgefragt, wie wir das eigentlich machen. Im Zuge dessen wurden wir auch von der Stiftung :do angefragt, eine Kooperation im Bereich der Vermögensanlage einzugehen. Wir sehen uns auch ein bisschen in der Vorreiterrolle und sind von einem sehr großen Transparenzgedanken geprägt. Zum Beispiel kann bei uns jeder das Investmentportfolio einsehen und so nachvollziehen, wo genau die Bewegungsstiftung investiert hat.
Sie sind am 12. November auch in der GLS Bank zu Gast und sitzen beim dritten Mission Investing Forum auf dem Podium. Was erwarten Sie von der Veranstaltung?
Ich selbst bin tatsächlich zum ersten Mal auf dem Mission Investing Forum dabei, auch wenn die Bewegungsstiftung schon immer vertreten war. Ich freue mich sehr auf die Veranstaltung, weil hier der Netzwerkgedanke und Austausch deutlich im Vordergrund steht. Gleichzeitig geht es ja nicht nur darum, sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren, sondern auch neue Entwicklungen aktiv mitzugestalten. Diese Möglichkeit, das Mission Investing voranzutreiben und neue Impulse zu setzen, finde ich sehr reizvoll.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fotos hat die Bewegungsstiftung zur Verfügung gestellt. Auf den Projektbildern ist zum Einen eine Floßtour von Flüchtlingsfrauen, an der das Projekt „Women in Exile“ der Bewegungsstiftung beteiligt war, zu sehen. Das andere Foto zeigt die Allmende Wulfsdorf im Entstehen. Hier hat die Bewegungsstiftung ein Darlehen gewährt.
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