In der vergangenen Woche waren wir mit der GLS Online-Redaktion auf der re:publica in Berlin. Das Motto der größten deutschen Webkonferenz war in diesem Jahr „Into The Wild“. Dabei ging es jedoch gar „wild“ zu, vielmehr wurde in einer angenehmen Unaufgeregtheit über wesentliche und zentrale Fragen unserer Gesellschaft diskutiert.
Unaufgeregtheit meint dabei nicht, dass es thematisch und inhaltlich nicht genügend Anlass zur Aufregung gegeben hätte, im Gegenteil. Aber die Art und Weise, wie sich alle mit den bisweilen wirklich schwierigen Themen wie Big Data, Gleichberechtigung, Bürgerrechte, Netzneutralität oder Datensicherheit auseinandersetzen, war wohltuend unaufgeregt und in der Sache durchweg sehr fundiert.
Meine ganz persönlichen Highlights der re:publica habe ich zusammengetragen und empfehle, die verlinkten Videos mal in einer ruhigen Stunde anzuschauen. Ich meine, es lohnt.
The Yes Men :: Eröffnungskeynote
Auf die Eröffnungssession der Yes Men hatte ich mich bereits vorab sehr gefreut, denn ich verfolge seit langer Zeit intensiv, was dieses Aktionskunst-Duo so auf die Beine stellt. Immer wieder bin ich beeindruckt, mit welcher Professionalität und Chuzpe Andy Bichlbaum und Mike Bonanno Wirtschaft, Medien und Gesellschaft auf höchstem Niveau narren. Davon braucht die Welt mehr und mit ihrer geplanten Webplattform „Action Switchboard“ wollen sie künftig dazu beitragen, dass genau das passiert.
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Sascha Lobo :: Rede zur Lage der Nation
Wie in jedem Jahr war der Saal zu Sascha Lobos‘ Rede brechend voll. Eine Aufmerksamkeit, die sich der gefühlt oberste Repräsentant der deutschen Netzwelt schwer erarbeitet und durchaus verdient hat. Nach den eher flauschigen Vorjahresreden gab es diesmal wieder eine Wutrede, einen Rant. Lobo forderte von den Anwesenden und Mitschauenden ein deutlich stärkeres Engagement zur Verteidigung der (digitalen) Bürgerrechte. Die Hobby-Lobby habe ausgedient, es sei höchste Eisenbahn, den so wichtigen Protest gegen Vorratsdatenspeicherung, Ausspähung, anlasslose Verdächtigung und die Aushöhlung der Netzneutralität zu professionalisieren. Und zwar kommunikativ wie auch finanziell. Die Rede war inhaltlich brillant und in seiner unnachahmlichen Art auch unterhaltsam, ohne dabei klamaukig zu wirken. Ich will mich seiner Forderung gern anschließen und verweise auf die aus meiner Sicht drei wichtigsten Vereine, die die o.g. Anliegen am besten vertreten und repräsentieren. Alle haben ihre Konten übrigens bei uns, was mich sehr freut:
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Prof. Dr. Viktor Mayer-Schönberger :: Big Data – Freiheit und Vorhersage
Womit wir beim Beitrag wäre, der mich wirklich am nachhaltigsten beschäftigt und beeindruckt hat. Ein Artikel auf heise.de fasst den Beitrag so treffend zusammen, dass ich mich damit gar nicht lange aufhalten will. Was mich seitdem aber wirklich umtreibt, ist die die Frage, wie wir Menschen auf die Gefahren von Big Data hinweisen und sie für einen Kampf gegen die ethisch-moralisch falsche Nutzung gewinnen können, ohne ihnen gleichzeitig Angst zu machen oder sie hinsichtlich der ebenfalls darin liegenden Chancen zu verunsichern.
Eine Antwort darauf habe ich bislang noch nicht gefunden. Ein erster Ansatz könnte sein, dass Kunst (siehe Yes Men) eine zentrale Rolle dabei spielen könnte oder sogar sollte. Prof.Mayer-Schönberger hat mich nicht nur inhaltlich beeindruckt, auch sein fulminanter Vortragsstil war erfrischend und mitreißend. Da wäre ich gern nochmal Student.
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Teresa Bücker :: Burnout & Broken Comment Culture
Ein leiser, aber in der Sache sehr klarer und bestimmter Vortrag über die Gefahren, die einer jeden Form von Aktivismus inne wohnen. Terese Bücker analysierte die Ursachen dafür, warum viele Aktivistinnen und Aktivisten so schnell ausbrennen und warum die Diskurs-Kultur insbesondere in digitalen Medien aggressiver und verletzender ist, als in anderen Bereichen. Sie zeigte zudem Lösungsansätze auf, wie dies für zukünftige Diskussionen geändert werden kann und wie sich Aktivistinnen und Aktivisten gegenseitig schützen und unterstützen können. Ein Vortrag, der mich sehr beeindruckt und in vielen Aspekten nachdenklich gemacht hat.
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Holm Friebe :: Die Stein-Strategie – Von der Kunst, nicht zu handeln
Ich bin fast versucht, Holm Friebe’s Vortrag der Kategorie „Unterhaltung“ zuzuordnen, doch dafür waren seine Gedanken und Denkanstöße einfach zu ernst und man würde seinem Anliegen nicht gerecht werden. Gerade dieser Vortrag steht für die Unaufgeregtheit, die ich in meinem Eingangsfazit meinte. „Don’t believe the hype“ – eine zentrale Forderung im Vortrag – war auf der diesjährigen re:publica irgendwie spürbar. Der Diskurs in den drei Tagen war geprägt von großer Ernsthaftigkeit und gegenseitigem Respekt. Ganz anders, als das im virtuellen Raum sooft der Fall ist. Friebe’s Plädoyer fürs Abwarten, fürs Hinterfragen und genaue Hinschauen wider den allseits vorherrschenden Aktionismus lässt sich kurz mit den zwei Zitaten zusammenfassen, die mir am meisten im Gedächtnis geblieben sind:
Gras wächst auch nicht schneller, wenn Du an ihm ziehst.
und
Wir sollten nicht so leicht auf das Kindchenschema des Fortschritts hereinfallen.
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Wibke Ladwig :: Ein blindes Huhn ist kein Ponyhof – Mit Schabernack auf Wortschatzsuche
Ein echtes Highlight war auch die Session von Wibke Ladwig, deren wortverliebten und -akrobatischen Fertigkeiten ich schon des Öfteren genießen durfte. Sie nahm die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine wortgewaltige Reise, deren Ziel es war, echte Wortschätze zu heben. Die liebevoll illustrierte Präsentation machte ebenso gute Laune wie die Aufforderung, spontan Sprichwörter zu vervollständigen. Schaut Euch einfach den Mitschnitt an und Ihr werdet verstehen, was ich meine. Wibke sorgte für einen mittäglichen Stimmungsaufheller und den wohl kreativsten Hashtag der re:publica: #ponyhofgate.
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Und sonst so?
Und auch sonst war die re:publice nett und inspirierend. Ich durfte mit der GLS-Mitfahr-WG im Elektroauto der GLS Bank mit netten Menschen an- und heimreisen. 12 Stunden Autofahrt, die wie im Fluge vergingen, so nett waren meine Begleiterinnen und Begleiter. Dafür an dieser Stelle ein dickes Dankeschön. Die Kommunikation konnte man ein bisschen via twitter verfolgen.
Riesig gefreut habe ich mich über die viele positive Resonanz zu GLS Blog-Kooperative, die ich beruflich ins Leben gerufen habe. Damit hatten wir nicht gerechnet und wir haben großen Respekt vor der Auswertung und Auswahl der überwältigend vielen Bewerbungen in den kommenden Tagen. Die Resonanz zeigt uns, dass faire Angebote geschätzt werden, und dass so manche „How to buy a blogger?“-Session eigentlich längst obsolet sein sollte. Es geht nämlich einfach um realistische Wertschätzung. Und zwar die der Leistung anderer, aber auch die, der eigenen Leistung. Manchmal kann es so einfach sein.
Last but not least möchte ich den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, aber auch den Profi-Organisatoren und sonstigen guten Geistern der re:publica ein dickes Dankeschön für Ihr unglaubliches Engagement sagen. Macht bitte weiter und lasst nicht nach. Die Welt braucht die re:publica mehr denn je.
Bilder zur re:publica 2014 findet Ihr drüben bei flickr. Keine Profi-Bilder, aber vielleicht lassen Sie ein bisschen von der Atmosphäre spürbar werden, die uns so inspiriert und bisweilen gar beseelt hat.
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