Aktien, bei denen es keine Rendite in Euro und Cent gibt, sondern in Form von Mitbestimmung und Mitwirkung bei Kulturvorhaben, wer kauft so etwas? „Eine ganze Reihe Rostocker Bürgerinnen und Bürger, die damit in die kulturelle Zukunft Rostocks investieren“, erklärt Dr. Helge Schilf, Vorstandsvorsitzender der Karo gAG. Karo steht für Kulturaktie Rostock. Die Initiative will in der Hansestadt wichtige und gemeinwohlorientierte Kulturprojekte umsetzen. Zu den Gründern gehören das Institut für neue Medien, das Lichtspieltheater „Wundervoll“, das Lokalradio Rostock (Lohro) und die Kunstschule Rostock. Im Sommer 2012 wurde mit „Frieda 23“ das erste Projekt in Angriff genommen: der Umbau eines DDR-Plattenschulbaus in ein modernes Kunst- und Medienzentrum.
„Die Aktie hat etwas Sinnliches“
„Wir stellten uns die Frage, wie können wir Beteiligung für ein Projekt einwerben, das Kulturwirtschaft – eigentlich eine Contradictio in adiecto (ein Widerspruch in sich) – leben will?, erinnert sich Helge Schilf. „Hier standen mehrere Beteiligungsformen zur Debatte. Die Aktie schien uns aber diesem Anspruch am meisten gerecht zu werden.“ Obwohl man bei gemeinnützigen Unternehmungen doch eher an eine Genossenschaft denke. „Die Aktiengesellschaft erfordert einerseits einen transparenten Umgang mit den eingeworbenen Geldern sowie andererseits eine finanzielle Grundausstattung, die den Beteiligten die Sicherheit ihres Engagements signalisieren soll“, erklärt der Karo Vorstandsvorsitzende. „Nicht zuletzt hat die Aktie, die der Aktionär bei uns noch ganz altmodisch als gestaltetes Papier erhält, in einer Ausführungsvariante sogar als „Gemälde“, auch etwas Sinnliches. Man kann sie im Gegensatz zur elektronischen Aktie schlichtweg anfassen und sie sieht gut aus.“
Der Erfolg gibt der Karo gAG Recht. Seit der Gründung im Jahr 2008 haben 91 Aktionäre und Aktionärinnen – darunter natürliche Personen, Körperschaften und eine Leih- und Schenkgemeinschaft der GLS Bank – 4297 Aktien gezeichnet. Das Stammkapital beträgt insgesamt 109.325 Euro (Stand September 2012).
Die Frieda 23
Das alte Schulgebäude in der Friedrichstraße 23, ein 30-jähriger Plattenbau, ist Sitz der Gründungsaktionäre. Er wird bis Ende des Jahres 2013 komplett saniert und umgebaut. “Danach beherbergt die Frieda 23 auf einer Fläche von 2.800 Quadratmetern Schule, Werkstatt, Labor, Atelier, Galerie, Kino, Studio, Büro, Tagungszentrum, Eventlocation, Technologiezentrum und mehr“, so Helge Schilf. „Die Menschen, die hier tätig sind, agieren mit Farbe und Fantasie, mit Tastatur und Tinte, zaubern mit Ton und Tönen, mit Gips und vor allem mit Grips.“
Viel „Grips“und Engagement waren auch beim Finanzierungskonzept erforderlich. Rund 5 Millionen Euro sind für das Bauvorhaben veranschlagt. Der größte Teil der Kosten wird durch Städtebaufördermittel aufgebracht. Außerdem hat die Karo gAG zwei Kredite gezeichnet. 1,25 Millionen Euro stellt die GLS Bank zur Verfügung, die Ostseesparkasse einen Kredit in Höhe von 350.000 Euro, wofür die Landesbürgschaftsbank MV erstmals für ein gemeinnütziges Projekt in Mecklenburg-Vorpommern bürgt. In der Bauphase unterstützt die Hansestadt Rostock die Karo gAG außerdem mit 150.000 Euro.
Gesucht: die richtige Bank
„Die größte Hürde war natürlich, jene Bankpartner zu finden, die sich nicht nur kurzfristigen Renditeverpflichtungen ausgesetzt sehen, sondern an nachhaltigen Entwicklungen interessiert sind“, beschreibt Schilf den schwierigen Weg zur Finanzierung. „Man traut Kulturträgern offensichtlich nicht allzu viel kaufmännische Kompetenz zu, erst recht nicht die Abwicklung eines solchen Vorhabens wie die Frieda 23. Wir konnten in anderthalbjähriger Zusammenarbeit die GLS Bank davon überzeugen, dass wir uns der Verantwortung für ein solches Projekt bewusst sind, auch der kaufmännischen. Nicht zuletzt konnten wir auch nachweisen, dass die Stadt Rostock, die Bürger und die Bürgerschaft, die Frieda 23 wollen. Das hat wohl auch die GLS überzeugt.“ Nicht zuletzt sei die GLS Bank für die Karo gAG attraktiv, weil die Initiative die Ausrichtung der Bank auf Gemeinsinn und verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld ihrer Anleger teile.
Weitere Pläne
Gleichzeitig mit dem ersten Spatenstich wurde auf dem Hof der Frieda 23 die Installation einer skandinavischen Künstlerin enthüllt. Diese Installation, liebevoll „Lolli“ genannt, entstand in einem europäischen Wettbewerb zum Thema Kunst und regenerative Energien und ist das Ergebnis einer Kooperation des Rostocker Projektbüros „Rotorwerk“ und der Karo gAG. „Solche gemeinsamen Aktivitäten werden wir natürlich noch viel besser entfalten können, wenn wir selbst unser „Nest“ errichtet haben“, meint Helge Schilf. „Dabei soll es aber weniger um „Höhenkamm“-Kultur gehen, sondern um eine Unterstützung von Basisprojekten.“ Nicht zufällig sind es Kinder und Heranwachsende, die in den Kunst- und Medienschulen der Frieda 23 den Umgang mit Pinsel, Kreide, Druck oder Filmschnitt erlernen.
Weitere Unterstützung
Sowohl an Frieda 23 als auch an der zukünftigen Arbeit können sich auch Nicht-Rostocker beteiligen. Informationen zum Aktienerwerb finden sie auf der Website der Karo gAG. Auch Spenden sind willkommen.
Mehr Informationen zum Fortgang des Projektes und zur Karo gAG findet Ihr unter www.karo-ag.com
Copyright alle Bilder: Karo gAG
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