Junge Aktivist*innen starten gemeinsam mit der GLS Bank einen Generationenfonds. Um ihre Ideen erlebbar zu machen, kreierten sie in Berlin-Neukölln einen „goldenen Raum“.
Radfahrer*innen halten an, Einkäufer*innen bleiben stehen, die sanft ansteigende „Morgendämmerung“ aus Edvard Griegs „Peer Gynt“ erklingt aus Lautsprechern, eine Reise beginnt. An verschiedenen Stationen stellen zwölf Aktivist*innen ihre Themen und Projekte in inszenierten Akten vor. Vieles berührt. Feuchte Augen im Publikum.
Etwa 40 Menschen sind hier Anfang Oktober 2021 zum Start eines Generationenfonds zusammengekommen. Die Idee dazu war sechs Wochen vorher bei einem Treffen von jungen Aktivist*innen entstanden. Die einen kämpfen gegen die Klimakrise, die anderen wollen die Obdachlosigkeit beenden und brauchen dafür Ressourcen. Trotz aller Gemeinsamkeiten wurde schnell klar, wie unterschiedlich die Herkünfte und die Bedarfe sind. Die einen wollen das Klima auf die öffentliche Agenda setzen, die anderen möchten Entwicklungsschritte von einzelnen Menschen ermöglichen, hin zu mehr Selbstwirksamkeit und gesunden Lebensverhältnissen.
Es schien naheliegend, diese unterschiedlichen Bedarfe in getrennten Gruppen zu organisieren. Als dies jedoch so ausgesprochen wurde, stockte allen der Atem: Ist nicht genau eine solche Trennung die Ursache vieler Probleme? Sollten für den Klimaaktivismus nicht auch persönliche Entwicklungsschritte und für die Abschaffung der Obdachlosigkeit nicht auch politische Aktivitäten wichtig werden? Und wenn unsere Bildungshintergründe so verschieden sind: Macht das nicht genau die gesellschaftliche Spaltung aus, die wir so dringend überwinden müssen? Wie stark wären denn Peergroups, in denen beides zusammenfließt?
Das Ergebnis ist jetzt, Anfang Oktober, hinter dem Karstadt am Hermannplatz zu besichtigen, auf einem Parkplatz, durch den ein Fahrradstreifen führt. Hier stehen Container, in denen die KARUNA Sozialgenossenschaft das Café Pala betreibt. Auf dessen Dach wachsen Paprika und Grünkohl und stehen Bänke. Heute sind goldene Rettungsdecken um das Geländer der Rampe gewickelt, die hinauf zum Eingang führt. Das Künstler*innenkollektiv Kernkraft hat mit den Aktivist*innen die Performances einstudiert. Rahel Savoldelli: „Ein Vortrag bleibt zu kopfig, die Herzensebene soll durch Kunst geöffnet werden.“
Durch goldene Flügel um die Arme der Aktivist*innen werde die gegenseitige Unterstützung
sichtbar. Die Themen sind mit den Lebensgeschichten der jungen Menschen verbunden. Es geht um ein selbst organisiertes Haus für Alleinerziehende, Lastenräder, die zu 100 Prozent aus Schrott gebaut werden, Aktionen gegen die Klimakrise und anderes. Mit dabei sind Menschen von Fridays for Future, Extinction Rebellion und der Demokratischen Stimme der Jugend.
Einige Zuschauer*innen ziehen fröstelnd ihre Pullover über die Hände, die Sonne ist hinter den Dächern verschwunden. Manche Beiträge lassen in die Abgründe blicken, die Kinder auf der Straße erleben müssen. Der Moderator, Simon Hoffmann von der Demokratischen Stimme der Jugend, hält die unterschiedlichen Räume achtsam, lässt Schmerz und Herzqualitäten erleben und auch Freude daran, in fremde Lebenswelten einzutauchen. Er begeistert mit seinem Song: „Ich bin ein Potenzialentfalter, ich mach mein Schmetterlingding / Und ich sprühe Funken, lass die Welt im Dunkeln funkeln.“
Füße treten rhythmisch auf den Boden, Körper wiegen sich, wie um zu spüren, dass sie noch da sind. Am Ende der Reise rufen die Aktivist*innen dazu auf, sich in ein goldenes Buch einzutragen und den Generationenfonds zu unterstützen. Besucherin Joy steht an dem runden Hochtisch, auf dem das Buch ausliegt, und blättert vorsichtig durch die Seiten. Ermutigungen, E-Mail-Adressen, auch Joy schreibt ihren Namen und „Ich bin dabei“ dazu. „Entfaltung geht manchmal ganz indirekte Wege, wir können nie wissen, wie sie sich am besten zeigt“, sagt sie. „Ich hätte mir gewünscht, dass ich vor 20 Jahren eine solche bedingungslose Unterstützung gehabt hätte, wie wir sie heute versuchen, hier zu kreieren.“
Der Generationenfonds ist ein erster Versuch eines Aktivismus mit gemeinschaftlichen
Finanzstrukturen. „Es kommt aber nicht nur auf das Geld an, sondern auch auf die Menschen, die das mittragen können“, sagt Daria, Besucherin und Teil des Zukunftsdorfs Sonnerden. Genau darum geht es vier Tage später beim nächsten Treffen der Aktivist*innen: „Mein Vater ist zwar Banker, aber mit
Geld kann ich gar nicht umgehen“, so gleich am Anfang eine Aktivistin. Sofort kommt das Angebot aus der Runde für eine solidarische Geldberatung. Und so geht es weiter mit Bedarfen und Angeboten. Es sind die Unterschiedlichkeiten, die diese Menschen hier stark machen. Nicht nur in Neukölln hinter dem Karstadt.
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Fotos: bobs airport
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