Die Bürger haben die Erneuerbaren Energien vorangebracht. Ein neues Gesetz könnte sie nun beide ausbremsen, warnt GLS-Aufsichtsrat Hermann Falk. So könnten die Pariser Klimaziele nicht erreicht werden.
Wie sehen die Pläne für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus?
Diese EEG-Reform schneidet tief ins Herz der Energiewende. Ihre Lokomotive – die Bürgerenergie – wird aufs Abstellgleis gestellt. Der Ausbau der Windkraft an Land wird stark gestutzt. Die EEG-Vergütung wird nicht mehr staatlich festgelegt, sondern ausgeschrieben. Und: Der Ausbau wird hart gedeckelt. Bis 2025 sollen die Erneuerbaren höchstens 40 bis 45 Prozent am Strommix ausmachen.
Dabei hat dieselbe Bundesregierung im Dezember in Paris zugesagt, den Klimaschutz deutlich zu stärken. Dafür brauchen wir deutlich mehr grünen Strom! Und zusätzlich eine konsequente Wärme- und eine Verkehrswende, wo riesige CO2-Minderungspotentiale liegen.
Ist das Ausbauziel 40-45% Erneuerbare bis 2025 nicht ehrgeizig?
Ehrgeizig wäre es, wenn sich Deutschland 60 Prozent vornähme – das ist das Mindestmaß der Pariser Klimaschutzvereinbarung! Bis 2040 müssen wir ganz ohne Kohle und Gas auskommen.
Die Erneuerbaren machen heute bereits ein Drittel am Stromverbrauch aus. Wir würden also die 40 Prozent in den nächsten neun Jahren rechnerisch mit einem Zuwachs von weniger als ein Prozent pro Jahr erreichen. Da hatten wir selbst in Zeiten der schwarz-gelben Koalition eine größere Dynamik. Die politische Pointe ist, dass jetzt ein SPD-Wirtschaftsminister die FDP-Agenda von Ausschreibungen und Deckelung konsequent umsetzt.
Was sollen die Ausschreibungen neuer Projekte bringen?
Die Regierung verspricht sich zwei Vorteile: Weniger Kosten und eine genaue Steuerung. Es werden dann jedes Jahr nur noch soviel Megawatt freigegeben, wie zur Erreichung des Ausbaudeckels notwendig sind. Vermutlich werden die Kosten dadurch auch sinken. Aber nur weil insgesamt wenig Leistung ausgeschrieben wird und sich sehr viele Projekte auf diese Leistung in der Auktion bewerben werden.
Außerdem zeigen Erfahrungen im Ausland, dass die Zuschläge zwar teilweise zu niedrigen Preisen erfolgen. Dafür sind die Margen dann so gering, dass viele Investoren die Projekte gar nicht umsetzen. Und so wird nochmals weniger gebaut, als wir für einen effektiven Klimaschutz brauchen.
Warum sollen neue Windräder offshore, also im Meer gebaut werden?
Ich freue mich ja über jede Kilowattstunde Strom, die nicht aus einem Steinkohlekraftwerk an der Nordsee, sondern von einem sauberen Windkraftwerk auf See stammen. Auch die vielen Volllaststunden durch den starken und relativ stetigen Wind sprechen für Offshore. Trotzdem sind viele Menschen dagegen: Wenige Konzerne teilen sich den Markt. Die Erzeugung ist sehr teuer und darum eine der wesentlichen Gründe für die steigende EEG-Umlage.
Was bedeuten die Ausschreibungen für Bürgerenergie?
Die Hauptsorge des BEE und des Bündnis Bürgerenergie: Genossenschaften und andere Bürgerenergie-Gesellschaften können sich einen Misserfolg nicht leisten. Um überhaupt bei einer Auktion mitzubieten, müssen sie hohe Entwicklungskosten stemmen. Die können schnell bei über 200.000 Euro liegen. Wenn sie dann keinen Zuschlag erhalten, bleiben sie auf den Kosten sitzen. Dieses Risiko können Bürgerprojekte gar nicht eingehen. Wer möchte als Genossenschaftsvorstand seinem Nachbarn schon sagen, dass die eingezahlten 5.000 Euro weg sind? Großkonzerne können so etwas aushalten, weil sie viele Projekte einreichen und eine Mischkalkulation machen.
Wieso sind Bürgergenossenschaften so sinnvoll für die Energiewende?
Ich finde, es tut uns als Gesellschaft gut, wenn sich Menschen engagieren. Sie warten nicht auf den Staat oder die Industrie, sondern nehmen ihre Interessen an einer klimafreundlichen Energieerzeugung gemeinschaftlich in die Hand. Hier zeigt sich das Idealbild des Wirtschaftsbürgers, also eines Menschen, der unternehmerisch denkt und handelt und doch seinen angeborenen Egoismus zugunsten der Gemeinschaft zurückstellt. Abgesehen von diesem gesellschaftskulturellen Wert haben Bürgerinnen und Bürger, auch die Landwirte, in den letzten Jahren ungefähr die Hälfte aller Investitionen in Erneuerbare Energien gestemmt. Auf beiden Ebenen, der kulturellen und der finanziellen, ist die GLS Bank ja übrigens hoch engagiert.
Neue Anlagen bis ein Megawatt (MW) sollen sich ohne aufwendige Genehmigung an einer Ausschreibung beteiligen können. Reicht das aus? Sicherlich ist das der richtige Weg. Entscheidend ist aber, wer davon befreit wird. Wir sagen: solche Windparks mit bis zu 6 Anlagen à 3 MW, zumindest aber alle Unternehmen, die den in der EU bewährten Begriff des kleinen oder mittelständigen Unternehmens (KMU) erfüllen. Die derzeitigen Regierungspläne sind leider völlig realitätsfern: Sie gehen davon aus, dass Bürgerenergie in der Lage ist, in einem einzigen Landkreis die Investition von mindestens 2 Millionen Euro für eine Windanlage einzusammeln.
Welche Alternative schlagen Sie vor?
Neben der Befreiung muss die Eigenerzeugung wieder anerkannt werden: im eigenen Haus, in Mietshäusern und in Unternehmen. Wenn diese ihre eigene Energie verbrauchen, sparen wir beim Netzausbau; auch kommen günstige Speicher und innovative Technologien viel schneller in den Markt. Hier liegt auch die Brücke in eine klimafreundlichere Wärmeerzeugung, wenn man z.B. Wärmepumpen mit dem Solarstrom vom Dach betreiben kann.
Überhaupt schaffen wir das Ziel von Paris – eine weltweite Erhitzung auf 1,5 Grad, höchstens 2 Grad zu begrenzen – nur dann, wenn wir zusätzlich zu den gängigen Wind- und Solaranwendungen das ganze Spektrum nutzen: Flexible Biogasanlagen, Batterien im Auto, Speicher im Haushalt, Solarwärme als Fernwärme und vieles mehr. Die technischen Lösungen sind vorhanden. Doch man hat den Eindruck, dass sich manche Politiker vor der Dynamik solch einer dezentralen, bürgernahen Entwicklung fürchten.
Was kann der einzelne Bürger jetzt unternehmen?
Schreiben Sie Ihrem Bundestagsabgeordneten die Sorgen, dass die Bürgerenergie aufs Abstellgleis gestellt wird und dass wir mit dieser Politik die Klimaschutzziele nicht erreichen! Bis zum endgültigen EEG-Beschluss im Bundestag Ende Juni werden die Erneuerbaren Energieverbände viele Aktionen in den Bundesländern und in Berlin organisieren. Dafür wünschen wir uns die Beteiligung der schweigenden Mehrheit: 93 Prozent der Bevölkerung ist für die Energiewende, 86 Prozent für einen rascheren oder gleichbleibenden Ausbau auf dem bisherigem hohen Niveau.
Dr. Hermann Falk ist Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) und Aufsichtsrat der GLS Bank.
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