Eins haben wir in diesem Jahr nachhaltig begriffen: Deutschland ist abhängig von fossilen Energien aus Russland, und sowohl Unabhängigkeit als auch Klimaschutz lassen sich nur mit erneuerbaren Energien erreichen. Ein guter Moment, um sich das EEG, das Erneuerbare Energien Gesetz, anzuschauen. Wann ist es entstanden? Wie oft wurde es angepasst? Macht sich der Wegfall der EEG-Umlage in diesem Jahr bemerkbar? Und was ist wünschenswert für die Energie-Zukunft?
Die meisten Menschen denken bei erneuerbaren Energien an Solaranlagen und Windräder. Es zählt mehr dazu: „Erneuerbare Energien sind Wind- und Sonnenenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft“, definiert das Bundesumweltamt. Das Grundprinzip von erneuerbaren Energien besteht darin, dass in der Natur stattfindende Prozesse genutzt und aus nachwachsenden Rohstoffen Strom, Wärme und Kraftstoffe erzeugt werden. Damit tragen erneuerbare Energien in großem Maß zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit sowie zur Vermeidung von Rohstoffkonflikten bei. Schon im April hat Energieökonomin Claudia Kemfert auf dem GLS Blog für „eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien“ geworben. Nur sie „schafft dauerhaft Frieden, stärkt Demokratie und Freiheit“, so Kemfert. „Die Energiewende ist das sinnvollste Friedensprojekt, welches wir weltweit haben.“
1. Was ist das EEG?
Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) wurde erstmals im Jahr 2000 eingeführt, um den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung zu fördern. Es verpflichtet Netzbetreiber, Erneuerbare Energien-Anlagen vorrangig an ihr Netz anzuschließen, den erzeugten Strom abzunehmen und weiterzuleiten. Das Gesetz soll eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung ermöglichen, die Kosten der Energieversorgung verringern, fossile Energieressourcen schonen und die technologische Weiterentwicklung der Erneuerbaren Energien unterstützen. Durch die Förderung soll die Wirtschaftlichkeit der Anlagen sichergestellt werden. Die Höhe der Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien unterscheidet sich nach Art der Förderung (Einspeisevergütung, Marktprämie, Mieterstromzuschlag) und richtet sich jeweils nach dem Datum der Inbetriebnahme sowie der Größe einer Anlage.
Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch hat sich seit der Einführung des Gesetzes im Jahr 2000 von ca. 6,3 Prozent auf 41,1 Prozent im Jahr 2021 erhöht.
2. Warum gibt es so viele Versionen des EEG?
Seit seiner Einführung im Jahr 2000 wird das EEG fortlaufend angepasst und weiterentwickelt. Grundlage dafür ist ein sogenannter Erfahrungsbericht, der dem Bundestag alle vier Jahre vorgelegt werden muss.
Bisher gibt es acht verschiedene Fassungen des Gesetzes: die EEGs 2000, 2004, 2009, 2012, die PV-Novelle für das EEG 2012, die EEGs 2014, 2017 und 2021. Die neueste Reform – also die neunte Fassung und somit das EEG 2023 – ist teilweise bereits umgesetzt worden, die meisten Regelungen gelten jedoch ab dem 1. Januar 2023.
3. Was bezweckte die EEG-Umlage und warum wurde sie abgeschafft?
Die Netzbetreiber zahlen für den abzunehmenden Strom eine festgelegte Einspeisevergütung und verkaufen ihn anschließend an der Strombörse. Die EEG-Umlage sorgte lange Zeit dafür, Verluste zu vermeiden. Differenzen zwischen dem Preis, den der Netzbetreiber beim Kauf des Stromes an den Erzeuger zahlte, und dem Verkaufspreis an der Börse wurden damit ausgeglichen. Dies galt auch für Betreiber größerer Anlagen, die keine fixe Vergütung erhielten, sondern den Strom direkt an der Strombörse vermarkten mussten. Die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen wurde mit der sogenannten Marktprämie gefördert und ebenfalls durch die EEG-Umlage finanziert.
Alle Stromverbraucher*innen zahlten über ihre Stromrechnungen diese Umlage. Ausnahmen gab es für Industriezweige mit hohem Stromverbrauch sowie (anteilig) für Eigenverbraucher*innen. Mit einem Preis von 3,723 Cent pro Kilowattstunde war die EEG-Umlage in diesem Jahr auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Zum 1. Juli 2022 wurde die Umlage ganz abgeschafft, um die Verbraucher*innen aufgrund stark gestiegener Strompreise zu entlasten. Dennoch benötigte Mittel sollen zukünftig aus dem Bundeshaushalt sowie dem Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ (EKF) fließen.
Bei den derzeitigen Marktpreisen stellt sich dieses Problem allerdings nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Es wird derzeit aktiv überlegt, über einen „umgekehrten EEG-Mechanismus“ die teils hohen Erlöse über einer Obergrenze abzuschöpfen. „Dann würden Erlöse, die einen festgelegten Höchstpreis übersteigen, auf das EEG-Konto fließen und von dort aus durch die Netzbetreiber an die Stromverbraucher*innen umverteilt. So die Theorie. Bis zur Praxis sind aber noch eine Reihe komplexer Fragestellungen zu klären, unter anderem zu angemessenen Höchstpreisen, zum Umgang mit bereits geschlossenen Vermarktungsverträgen, zum Verteilungsmechanismus nach Bedürftigkeit etc.“, erklärt Christian Marcks vom Kompetenzcenter Erneuerbare Energien der GLS Bank.
4. Bemerken Verbraucher*innen den Wegfall der Umlage?
Um die Entlastung der Verbraucher*innen sicherzustellen, sollten die Stromlieferanten gesetzlich verpflichtet werden, den Wegfall der Umlage an ihre Kund*innen weiterzugeben. Laut Berechnungen der Bundesregierung hätte eine vierköpfige Familie so zukünftig 300 Euro im Jahr sparen können.
Nun hat sich die Situation drastisch gewandelt. Der Markt für fossile Energien ist in Aufruhr, vor allem im europäischen Raum rasen die Energiekosten davon. Während die Bundesregierung das dritte Entlastungspaket berät, haben viele Menschen Angst, ihre Strom- und Heizungsrechnungen schon bald nicht mehr bezahlen zu können.
Das heißt: Nein, aktuell macht sich der Wegfall der Umlage nicht bemerkbar. Wie bereits angeführt, war sie zuletzt sowieso sehr niedrig, und sie machte immer nur einen Teil des Strompreises aus (hinzu kommen Steuern, Beschaffungs- und Vertriebskosten, Netzentgelte, Verwaltungskosten der Netzbetreiber). Aufgrund der hohen Beschaffungskosten und schwierigen Versorgungssituation an den Energiemärkten versuchen die Stromanbieter derzeit vielmehr, ihre immens gestiegenen Kosten an die Kund*innen weiterzugeben.
5. Was hat das Osterpaket von Robert Habeck mit dem EEG zu tun?
Mit dem Osterpaket (offizieller Name: Energiesofortmaßnahmenpaket) von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck wurde das Energierecht in Deutschland umfassend novelliert. Die Bundesregierung hat das Paket im Juli beschlossen – mit dem vorrangigen Ziel, mehr Tempo in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bringen.
Der verabschiedete Gesetzentwurf umfasst insgesamt fast 600 Seiten. Umfangreiche Änderungen hat es im Energie-Wirtschaftsgesetz (EnWG), im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) sowie im EEG gegeben. Einige Passagen der EEG-Novelle sind direkt in Kraft getreten, das Gros der weiteren Regelungen des neuen EEG 2023 gilt jedoch ab 1. Januar 2023.
6. Was will das EEG 2023 erreichen?
Das EEG 2023 will den Anteil von erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 fast verdoppeln: Er soll auf 80 Prozent statt bisher 65 Prozent steigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien soll nun im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Damit sollen Hemmnisse beseitigt und Genehmigungsverfahren für Wind- und Solaranlagen vereinfacht werden, indem sie Vorrang vor anderen Schutzgütern erhalten. Zudem soll die Abhängigkeit von Energieimporten schneller gesenkt werden. Der Ausbau der Erneuerbaren ist somit zu einer „Frage der nationalen Sicherheit geworden“. Mithilfe vieler Einzelmaßnahmen sollen die Rahmenbedingungen für neue EE-Anlagen verbessert werden.
7. Welche Veränderungen sind für PV, Wind und Wasserstoff geplant?
Um die neuen Ziele zu erreichen, will die Bundesregierung einen deutlichen Zubau von Photovoltaik- und Windanlagen erreichen. Neue Flächen für Solaranlagen sollen zur Verfügung gestellt, sowohl auf Dächern als auch auf Freiflächen. PV-Dachanlagen erhalten bessere Rahmenbedingungen, beispielsweise durch angehobene Vergütungen. Zudem bleiben die Vergütungssätze 2022 und 2023 konstant. Bisher wurden sie monatlich abgesenkt, was bei späteren Inbetriebnahmen zu einer geringeren Vergütung führte.
Für die Windenenergie wurde ein eigenes Gesetz verabschiedet: das „Wind-an-Land-Gesetz“. Es besagt, dass bis 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden sollen. Die Bundesländer erhalten verbindliche Flächenziele als Vorgabe, dadurch werden auch windschwache Standorte verstärkt erschlossen.
Bürgerenergieprojekte mit Wind- und Solaranlagen sollen unbürokratischer und einfacher umzusetzen sein. Des Weiteren soll es leichter werden, Kommunen finanziell an den Überschüssen von Windparks an Land und von Photovoltaikanlagen zu beteiligen. Dies gilt nun auch für bereits bestehende Anlagen.
Innovative Anlagenkombinationen mit erneuerbaren Energien und einem lokalen Stromspeicher mit Wasserstoff sollen gefördert werden, um die Wasserstofftechnologie zu erproben und voranzubringen.
8. Was ist aus unserer Expertensicht wünschenswert für die Zukunft?
Damit die beschlossenen Maßnahmen wirksam werden, müssen nun auf allen Verwaltungsebenen die Voraussetzungen geschaffen werden, Projekte effektiv planen und umsetzen zu können. „Das erfordert einerseits den politischen Willen zur Durchsetzung bis auf die untersten Behördenebenen und zum anderen zusätzliche Kapazitäten, damit Genehmigungs- und auch Klageverfahren in deutlich kürzerer Zeit abgeschlossen werden können“, sagt Christian Marcks vom Kompetenzcenter Erneuerbare Energien der GLS Bank. Auch in Bereichen wie dem Denkmalschutz müsse ein Umdenken erfolgen, um verfügbare Flächenpotenziale nutzen zu können.
Der Energieexperte gibt zu bedenken: „Die hier umrissene Thematik betrifft nur die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und verstellt zuweilen den Blick darauf, dass die Wärmewende noch deutlich dringender vorangebracht werden muss. Hierzu müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Wärmenetze und Quartiersversorgung angepasst und entschlackt werden. Und auch hier ist zielgerichtete Förderung nötig, wie z.B. die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, die mit über einem Jahr Verzögerung erst kürzlich in Kraft getreten ist.“
Das EU-Parlament beschäftigt sich in dieser Plenarwoche intensiv mit der Energiepreiskrise und Europas Abhängigkeit von Energieimporten. Zwei Richtlinien stehen auf dem Programm: die Energieeffizienzrichtlinie (EED) und die Erneuerbare Energien Richtlinie (RED III). Zudem sind Debatten zum drastischen Anstieg der Energiepreise in Europa sowie zum Klimawandel und den extremen Wetterphänomenen geplant.
Vielen Dank an meine Kollegin Désirée Mertens für die EEG-Recherche!
Energie einsparen, Erneuerbare ausbauen, Energiekosten wuppen: Das Thema Energie beschäftigt uns derzeit wie fast kein anderes. Wenn ihr dazu etwas loswerden möchtet (die Netiquette bitte berücksichtigen), nutzt gerne die Kommentarfunktion dafür.
Auf der Seite Erneuerbare Energien erfahrt ihr, was die GLS Bank in dem Bereich alles macht.
Lest zum Thema Energie auch den Gastbeitrag von Klaus Mindrup und Ernst von Weizsäcker auf dem Blog.
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