Na, wieviel Zeit haben Sie denn für diese Linksammlung eingeplant? Haben Sie schon nach unten gesehen, wie lang sie diesmal wieder ist? Sind Sie am Ende auch so ein digital gestresster Hektiker, der alles in maximal zwei Minuten erledigen muss? Hm? To-Do-Liste abhaken wie ein Workaholic auf Speed? Zuckt der Finger über der Maus, kreisend wie ein Raubvogel über einem Feld voller junger Karnickel? Kein Problem, wir sind hier unter uns. Wirklich, das können Sie ruhig zugeben. Wir sind alle so, anders funktioniert die Welt doch nicht mehr, die digitale schon gar nicht. Die Wirtschaft natürlich auch nicht. Zeit ist Geld, das war nie so wahr wie heute! Und beides wird immer knapper, wenn wir nicht immer schneller hinterherlaufen. Und wir erziehen auch unsere Kinder schon so, eh klar, die müssen sich uns ja anpassen. Alles muss ganz schnell gehen, dann ist man am Ende schneller… äh… irgendwas. Später mal nachdenken. Keine Zeit jetzt gerade.
Gegen den Geschwindigkeitswahn hilft vielleicht die Rückbesinnung auf Zeiten, in denen man noch Zeit hatte. Denen kann man sich auch wieder anpassen, den guten alten Zeiten, etwa modisch, aber auch im Lebenstil. Ist es nicht logisch, dass jemand die Langsamkeit als Trend wieder auferstehen lässt, als Gegenentwurf zu unserem durchgetakteten Alltag? Und wenn wir es nicht tun wollen, dann machen es eben unsere Kinder, die mit 18 womöglich das Smartphone rebellierend aus dem Fenster werfen, Schäferinnen-Figuren aus heimischem Tannenholz schnitzen und abends mit Gitarre am Lagerfeuer sitzen. Bei Kid37 sind zwei Filmchen verlinkt und erklärt, denen man auch den überaus passenden Smalltalk-Begriff der Woche entnehmen kann: Vintage Ride. Ist es ein netter Freizeitspaß durchgeknallter Hipster – oder geht es um mehr? Mal zwei Minuten erörtern? Ach was, viel zu lang. Schon klar.
Einer von denen, die den überhitzen und rasenden Märkten vor ein paar Monaten zum Opfer fielen, ist, man stelle sich den Namen mit der Synchronstimme von Lee Marvin gesprochen vor, Dirk Nonnenmacher. Der von der Nordbank, der von den Medien zu einer Art Fürst der Finsternis des deutschen Bankwesens stilisiert worden ist. Die Zeit über seinen Prozess und die Hintergründe.
Andererseits ist es aber, wir wollen hier ja möglichst ausgewogen und also verwirrend bleiben, vielleicht doch so, dass dieses Land gar kein Problem mit rasender Geschwindigkeit hat, sondern immer noch viel zu langsam ist. Etwa beim Umbau der Bildung, wie Nico Lumma hier in einem längeren Stoßseufzer feststellt.
Aber genug von Speed und digitalen Branchen, es gibt noch andere Branchen und Lebensbereiche. Und es ist manchmal geradezu erfrischend, sich bodenständigeren Themen zuzuwenden. Etwa Drogeriemärkten. Werfen wir noch einmal einen Blick auf arbeitslose Schlecker-Frauen, um das grauenvolle Wort aus dem letzten Jahr noch einmal zu erwähnen. In der Süddeutschen ein langer Bericht über drei Damen, die erfolgreich eine eigene Drogerie aufgemacht haben, die sich also die “Anschlussverwendung”, selbst geschaffen haben – und sogar ziemlich schnell.
Dazu passend titelt die Monde Diplomatique von der “Union der Lohndrücker”, fast möchte man doch wieder an den Sinn von Gewerkschaften glauben. Nach all den Jahren! Oder gehen die Gedanken sogar noch weiter nach links? Hört wer die Signale? Ach was. Da müssen die Gedanken nicht hin, da ist auch nichts zu holen. Zumindest könnte man das aus dem Status Quo auf Kuba schließen, die hatten dort immerhin ein wenig Zeit zum Experimentieren.
Es geht auch noch bodenständiger als mit Drogerien, denken wir etwa an Schäfer. Ein wirklich ganz einfacher Beruf, der Mann in diesem Artikel der Zeit nennt ganz schlicht als Jobbeschreibung: “Ein Schäfer ist draußen und hütet die Schafe”. So schlicht kann es sein. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Natürlich nicht.
Der Schäfer hat ein Problem mit der EU, andere Menschen hoffen dagegen auf Hilfe durch die EU. Etwa die Arbeiter aus Rumänien oder Bulgarien, die in Niedersachsen vielleicht Arbeit finden, aber keine akzeptablen Bedingungen.
Aber die armen Bulgaren oder Rumänen können wir wahrscheinlich eh nicht verstehen, uns geht es nämlich viel zu gut.
Und wenn wir über gut und schlecht im wirtschaftlichen Sinn nachdenken – welches europäische Land führt das bedingungslose Grundeinkommen wohl zuerst ein, zumindest vielleicht? Es ist eher schwer zu raten, glaube ich.
In diesem Wirtschaftsteil ist auch oft von Ressourcen die Rede, von Rohstoffen und vom Umgang damit. Die Ressource Dunkelheit kam bisher noch nicht vor. Aber jetzt rücken wir sie mal ins Licht.
Erwähnen wir kurz noch die natürliche Ressource Schönheit, die der Mensch auch gerne einmal versaut. Denken wir nur an unsere Beine, die viele Menschen seit ein paar Jahren in etwas enden lassen, das man nur als den schändlichsten Moment in der Geschichte der Schuhmode, als Tiefpunkt des Billigkults und als Verwirrung aller ästhetischen Grundregeln bezeichnen kann. Es geht um traumatisierend häßliche Treter, um die fiesesten aller Fußverblendungen, die scheußlichsten Schlappen aller Zeiten, die peinlichsten Puschen ever, schon gut, ich hör ja auf. Was ich sagen wollte – ungesund sind die Dinger auch noch.
Der Designlink der Woche einmal wieder mit architektonischem Bezug: Wohnen in Ruinen. Das sieht wesentlich besser aus, als es klingt. Es erinnert ein wenig an englische Gentlemen, deren Anzüge von den Butlern eingetragen wurden. Damit sie um Gottes willen nicht neu aussahen, neu war in gewissen Kreisen einmal peinlich. Those were the days. Fast könnte man jetzt noch einmal auf diesen Tweed-Film klicken, nicht wahr? Wenn man Zeit hat jedenfalls.
Schreibe einen Kommentar