Die Blockchain-Technologie ist umstritten. Inwiefern können wir sie aber für nachhaltige Zwecke nutzen? Hier drei Beispiele aus der GLS Community
Vom Institute for Social Banking, Berlin
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Spekulativer Reichtum für wenige auf Basis eines obszön hohen Stromverbrauchs: Was über Bitcoins und andere Blockchain-Währungen zu hören ist, das klingt nicht besonders nachhaltig. Doch ein genauerer Blick lohnt sich, denn diese Technologie könnte unsere ökonomischen Beziehungen direkter und transparenter machen. Staatliche Behörden, Banken oder Plattformkonzerne verlören so an Relevanz. Im positiven Fall spart das nicht nur Kosten und Zeit, sondern sorgt sukzessive für eine Demokratisierung der Gesellschaft.
Aber ist eine solche Entwicklung realistisch? Gibt es bereits konkrete Ansätze, die funktionieren? Darüber hinaus: Sind technische Systeme ohne staatliche Kontrollinstanzen überhaupt wünschenswert? Mit solchen Fragen haben wir uns drei Blockchain-Initiativen im Umfeld der GLS Bank genauer angeschaut und stellen sie der Diskussion.
JOLOCOM – Eigentümer*in der eigenen Daten werden
„Viele der großen Konzerne sind sammelwütig“, sagt Kai Wagner von Jolocom über die Verbreitung und Nutzung unserer persönlichen Daten im Internet. Er und seine Mitstreiter*innen haben sich zum Ziel gesetzt, dass die Nutzer*innen die Hoheit über ihre Daten zurückgewinnen und sie nicht in den Händen solcher Konzerne belassen. „Wir bauen per Blockchain eine Art Telefonbuch. Wenn ein Unternehmen persönliche Daten von dir haben will, dann kann es über das Telefonbuch bei dir anklopfen und dich fragen. Du entscheidest dann, ob du mit ihm sprechen willst und welche deiner Daten du preisgibst“, erklärt er weiter. Gespeichert sind die Informationen in einem sogenannten SmartWallet, also einem virtuellen Geldbeutel auf dem Smartphone. Wir als Eigentümer*innen dieser Daten entscheiden, was wir in diesem Geldbeutel hinterlegen und für wen wir ihn wie weit öffnen. Noch steckt das Konzept in der Forschungsund Entwicklungsphase. „Damit es sich durchsetzt, muss es für alle Beteiligten einfach anwendbar sein.“ Das soll durch den Einsatz von Open Source, also frei zugänglichen und kostenlosen Programmen, erreicht werden. Zudem setzt Jolocom auf offene Standards, die überall im Internet verstanden werden. So können alle Beteiligten einfach auf den Zug aufspringen. „Damit sich diese Standards in Zukunft durchsetzen, müssen wir gut vernetzt sein. Wir engagieren uns zum Beispiel im Blockchain Bundesverband.“ Die Blockchain könnte dann in Zukunft eine Basis für unsere digitalen Bürgerrechte bilden.
jolocom.io
Testumgebung zum Ausprobieren
avalon.jolocom.com
StromDAO – Gemeinsam in erneuerbare Energien investieren
Nicht alle haben ein Dach, um eine Solaranlage zu installieren. Doch der Traum, sich selbst mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu versorgen, ist dank dem GLS Bank Kunden StromDAO jetzt für alle realisierbar. Thorsten Zoerner, einer der Gründer von StromDAO, erklärt: „Unser Produkt Corrently ist bereits auf dem Markt. Alle, die Strom konsumieren, können damit zugleich Anteile an regenerativen Energieanlagen erwerben.“ Das funktioniert folgendermaßen: Für jede Kilowattstunde Strom, die Sie als Kund*in bei Corrently verbrauchen, gibt es einen Bonuspunkt. Für die Punkte erhalten Sie dann Eigentumsanteile zum Beispiel an einer kleinen Windanlage im benachbarten Dorf. Dieser allmähliche und kleinteilige Eigentumsübergang funktioniert dank Blockchain-Technologie schnell und einfach. „Sie können jederzeit online einsehen, wie viel Ihnen von der Anlage gehört. So beziehen Sie Strom von einer Anlage, an der Sie schrittweise Eigentümer werden“, schwärmt Zoerner. Der sonst intransparente und schwerfällige Strommarkt, in dem Großkonzerne das Tempo für den Ausbau von erneuerbaren Energien mitbestimmen, wird im Kleinen verändert. Die Anwendungsgebiete im Bereich Strom sind vielfältig. Auch der Energiebedarf für Elektromobilität könnte so gesteuert werden. Vor allem kleine Stadtwerke seien daran interessiert, auch um sich von der großen Konkurrenz abzuheben. Vielleicht schaffen wir den Ausstieg aus dem Kohlestrom damit schneller, als die Konzerne das vorgeben wollen.
THE SUN PROTOCOL – Lokale Gemeinschaften fördern
Eigentlich sieht ein Solartainer aus wie ein ganz normaler Schiffscontainer. In ihm steckt allerdings ein kompaktes Solarkraftwerk — mit Batteriespeicher und Satellitenanlage. Einmal ausgeklappt, erzeugt sein Dach Strom. In einigen Dörfern der Subsahara sogar für bis zu 4.000 Menschen. Damit kommen Strom und Internet in Gegenden, die bislang von Landflucht geprägt waren, und werten die Regionen auf. Doch das ist nicht alles: Ludwig Schuster untersucht derzeit die Kombination von Solartainern mit Blockchain-Währungen. THE SUN PROTOCOL heißt sein Forschungsprojekt vom Cryptoeconomics-Institut der WU Wien. „Die Menschen könnten mit Blockchain-Währung für den bewussten Umgang mit Energie belohnt werden, beispielsweise wenn Sie die Energie für den Betrieb einer Nähmaschine oder zur Reinigung von Wasser einsetzen“, berichtet er. Außerdem sei es möglich, durch Mikrokredite neue ökonomische Kreisläufe in Gang zu bringen. Schuster weiter: „Mit dieser Blockchain-Währung bin ich in der Lage, einen Kühlschrank zu kaufen, um damit regionale Produkte zu kühlen und diese dann in einem kleinen Laden meiner Dorfgemeinschaft anzubieten.“ Damit würden ebenfalls die lokale Entwicklung gefördert und eine nachhaltige Wertschöpfungskette in Gang gesetzt. Eine lokale Geldinfrastruktur, die es den Dörfern erlaubt, sich selbst zu versorgen. Darum ist eine von Schusters Forschungsfragen, ob und wenn ja wie auf diese Weise faire Handelsbeziehungen in der global vernetzten Welt aufgebaut werden können. Aber es wird wohl mehr als ein Dorf brauchen, um das herauszufinden …
thesunprotocol.io
africagreentec.com
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Foto: Hitesh Choudhary
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