Einmal mehr als genug Geld haben, um sich alles damit kaufen zu können – wer hat nicht insgeheim diesen Wunsch? Dabei kann viel Geld zu einer Belastung werden. Susanne Auwärter-Brodbeck fand einen Ausweg: Sie brachte ihr Vermögen in eine Stiftung ein und übernimmt gesellschaftliche Verantwortung.
Von Sven Focken-Kremer, GLS Treuhand
Um diese Entwicklung zu verstehen, besuchen wir Susanne Auwärter-Brodbeck zu Hause im schwäbischen Stuttgart. Hier war von 1935 bis 2001 der Stammsitz der Gottlob Auwärter GmbH, bekannt durch seine Omnibusmarke „Neoplan“. Der Aufstieg des Unternehmens war das Lebenswerk des Vaters von Susanne Auwärter-Brodbeck. Durch seinen frühen Tod wurde sie als älteste von vier Kindern plötzlich zur Hauptgesellschafterin. Das bedeutete für die damals erst 29-Jährige in erster Linie eine riesengroße Verantwortung: „Für uns hatte das Unternehmen immer auch einen gesellschaftlichen Wert. Wir haben damit Sinn geschaffen: Arbeitsplätze und ein Produkt, das einen Bedarf deckt.“ Umso schlimmer war es, als sich das Unternehmen 2001 in der Branche nicht mehr in Familienhand halten lies und verkauft werden musste. Für Susanne Auwärter-Brodbeck ein Wendepunkt: Sie bekam ihren Anteil ausgezahlt und aus Unternehmensanteilen wurde flüssiges – „über – flüssiges“ – Geld: „Plötzlich war mehr Geld da, als ich für gerecht und angemessen empfand. In meinen Augen stand mir das nicht zu und ich wollte und brauchte es auch gar nicht.“ Noch etwas wurde ihr klar: Das Geld hatte keinen Sinn mehr, weil es nicht mehr an das Unternehmen gebunden war: „Es ist nicht der Zweck von Geld, auf der Bank zu liegen und sich zu vermehren“. So wurde die Fülle zur Belastung. Doch der Rat eines Freundes, das Vermögen als Segen anzusehen, mit dem Gutes bewirkt werden kann bestärkte sie darin, einen eigenen neuen Weg zu suchen.
Eine Veranstaltung über die „Geld-Qualitäten“ von Rudolf Steiner, wurde dabei zum Schlüsselmoment für die Stifterin. Dort hörte sie einen Vortrag des damaligen Vorstands der GLS Bank, Paul Mackay, und sprach mit Dr. Annette Massmann, die heute die Zukunftsstiftung Entwicklung leitet und 2018 mit dem „25-Frauen-Award“ für ihren Einsatz für eine gerechtere Wirtschaft ausgezeichnet wurde. Besonders das Verständnis von „Schenkgeld“, welches aus Unternehmensüberschüssen entsteht und hin zu gesellschaftliche Aufgaben wie Bildung und Erziehung zurückfließen soll, gab Auwärter-Brodbeck die Bestätigung, mit der Gründung ihrer Stiftung das Richtige getan zu haben.
Wie es zur Zusammenarbeit mit der GLS Bank kam schildert sie so: Als sie vor etwa 18 Jahren ihre Kinder aus dem Waldorf-Kindergarten abholte, kam ihr ein Bankspiegel in die Hände, der einen anderen als den herkömmlichen Blick auf Geld zeigte. Der Weg zur Filiale Stuttgart war dann allerdings ein kleines Abenteuer, wie sie noch heute lachend erzählt: „Von außen ein unscheinbares Mehrfamilienhaus, ging es drinnen ein gefliestes Treppenhaus hinab ins Untergeschoss, um in die Filiale zu gelangen – das war mal wirklich eine „Alternative“ zu anderen Banken. Informationen erhielt ich schlussendlich von einem birkenstockbeschuhten jungen Mann. Und da sollte ich mein Geld unterbringen?“ Aber genau das tat sie kurz darauf und eröffnete ein erstes Konto. Die Gründung der Stiftung erfolgte wenige Monate später gemeinsam mit der GLS Treuhand, die sie bis heute berät und die Stiftung verwaltet.
Jetzt, 18 Jahre später, sprüht Auwärter-Brodbeck immer noch vor Begeisterung, wenn Sie von den Menschen erzählt, denen sie in ihrer Stiftungsarbeit begegnet. Menschen, die mit ganzem Einsatz an einer Idee arbeiten. „Mein Schenken aus dem Überfluss heraus ist nicht die große Leistung, sondern dasjenige, was diese Menschen aus und mit diesem Geld machen. Sie helfen mir, meinem Geld wieder einen Sinn zu geben! Dafür bin ich dankbar und deswegen sage ich beim Geben Danke!“ Die Entscheidungen, wohin das Geld fließen soll, trifft sie ganz bewusst mit dem Herzen und aus dem Bauch heraus und es geht dabei weniger um die Projektinhalte, als um die Menschen, die für ihre Projekte brennen. Von komplizierten Antragsformularen, Förderbedingungen und Wirkungsmessungen hält sie dagegen nicht viel.
Dass der Umgang mit der geerbten Fülle von der anfänglichen Belastung zu einem langsam entstehenden ganz eigenen und freudigen Weg wurde, hat Susanne Auwärter-Brodbeck auch dem „Pecunia Erbinnen Netzwerk“ zu verdanken, welches sie mitgegründet hat und in dem sie sich bis heute engagiert.
Zum Ende des Gesprächs wollen wir noch wissen, was sich die Stifterin für die Zukunft wünscht. Sie macht ihre bislang längste Pause. Dann antwortet sie: „Eine Zukunft, in der die Gesellschaft kreative Wege findet, Kapitalströme so zu steuern, dass es nicht zu unsinnigen Anhäufungen auf der einen Seite und viel zu wenig auf der anderen Seite kommt. Bis es soweit ist, sollten Menschen weniger dogmatisch mit Geld umgehen – und realisieren, dass aus zu viel nicht immer noch mehr werden muss.“
pecunia-erbinnen.net
auwaerter-museum.de
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[green_box] Ein Artikel aus dem GLS Kundenmagazin Bankspiegel. Diesen und viele andere spannenden Artikel finden Sie im Blog. Alle Ausgaben des GLS Bankspiegel als PDF finden Sie unter: https://www.gls.de/bankspiegel/. [/green_box]
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