Archivbeitrag

„Ja!“ zum bedingungslosen Grundeinkommen

Die Idee ist gewagt, aber eine zukunftsweisende: Das Grundeinkommen. Unser Leben wäre erfüllter. Bereits vor mehr als 10 Jahren beschäftigte sich die GLS Bank auf ihrer Generalversammlung mit dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Seitdem hat sie sich immer wieder an der Debatte beteiligt.

Das BGE steht jeder und jedem zu. Niemand muss seine Bedürftigkeit beweisen, dafür arbeiten oder eine Gegenleistung erbringen. Das BGE sichert Existenzen und ermöglicht Teilhabe. Einfach so. Die Menschen können also ihren wahren Berufungen nachgehen. Soweit die Theorie.

Die Praxis ist natürlich nicht so einfach. BGE-Konzepte gibt es wie Sand am Meer. Die Anzahl der Modellversuche und die mediale Aufmerksamkeit wachsen. Man blicke jüngst nach Finnland oder zur Gesetzesinitiative in die Schweiz. Bedingungslos erheben auch die Kritiker Ihre Stimme. Ihre Einwände:

  1. Das Grundeinkommen lässt sich nicht finanzieren.
  2. Der Mensch ist zu faul, um freiwillig zu arbeiten.
  3. Die Umwälzung wäre zu radikal, die Folgen unabsehbar.

Fangen wir mit dem letzten Argument an: Der Angst vor einer ungewissen Zukunft. Fakt ist: Wir befinden uns bereits in einer gewaltigen Transformation. Durch die Digitalisierung wird immer weniger Arbeit gebraucht. Deshalb müssen wir uns fragen: Wie verteilen wir zukünftig Güter und Dienstleistungen?

Geld ist nichts anderes als ein soziales Gestaltungsmittel, und damit ein Instrument zur Verteilung ebendieser Güter und Dienstleistungen. Dafür könnte das bedingungslose Grundeinkommen neue Denkweisen und Wege aufzeigen. Treffend sinnierte dm-Gründer Götz Werner 2006 im Podiumsgespräch mit Thomas Jorberg: Christoph Kolumbus habe die revolutionäre Idee gehabt, den Seeweg nach Indien zu finden. Statt zum Fernen Osten zu segeln, entdeckte er gen Westen Amerika. Solche Visionäre, so Werner, gäbe es heutzutage schon nicht mehr. Wir finden: Es ist Zeit, die Segel zu setzen, den vermeintlich sicheren Hafen zu verlassen und dem BGE eine Chance zu geben.

Doch macht ein unbegrenzt fließendes Einkommen den Menschen frei oder faul? Das kommt drauf an, wie wir „Arbeit“ verstehen. Für uns ist der Begriff positiv aufgeladen, er kennt viele Formen. Die „Erwerbsarbeit“ für Lohn und Brot ist nur eine davon. Erziehung, Ehrenamt oder Kultur zeigen: Niemand arbeitet nicht.

Ein Grundeinkommen würde nun Einkommen und Arbeit entkoppeln. Wir könnten unsere eigenen Talente entdecken, uns weiterentwickeln und uns sinnstiftend für die Gesellschaft einsetzen. Wir sind überzeugt: Der Mensch ist von Natur aus motiviert und engagiert. Die BGE-Pioniere Daniel Häni und Phillip Kovce postulieren: „Wer nicht arbeiten will, tut das Falsche.“ Warum Unabhängigkeit und Leidenschaft für das eigene Tun im Wirtschaftsleben so wichtig sind, erläuterten die beiden Aktivisten bereits 2016 hier im Blog.

Es bleibt die Frage nach der Finanzierbarkeit. Elisebeth F. schrieb uns dazu: „Eine Fehlfinanzierung könnte mit den Einnahmen aus einer Vermögenssteuer ausgeglichen werden.“ Für die Krautreporter hat Stefan Bergmann eine Möglichkeit aufgezeigt. Unser Kunde Mein Grundeinkommen e.V. sammelt Spendengelder und verlost Grundeinkommen.

Anstatt hier eine starre Lösung vorzugeben, möchten wir Eure Ideen lesen und gemeinsam in die Diskussion gehen. Schon Christoph Kolumbus erkannte: „Nichts, was der menschliche Fortschritt hervorbringt, erhält die Zustimmung aller.“

Autorin: Alice Redhardt / Foto: Generation Grundeinkommen / Weltrekord (CC BY 2.0)

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22 Antworten zu „„Ja!“ zum bedingungslosen Grundeinkommen“

  1. Avatar von Paul Eisenblätter
    Paul Eisenblätter

    Ich finde gut das dieses Thema immer noch im Gespräch ist. Es zeigt das ein umdenken nötig ist und kommen muss. Aber wo Anfangen? Als Student würde ich es sehr begrüßen kein Bafög mehr beantragen zu müssen, denn das ist umständlich und wird nur für eine gewisse Länge gewährt. Allerdings halte ich nichts von der Idee, dass jeder das Grundeinkommen einfach so erhält, Menschen mit hohen Einkommen sind ja bereits abgesichert und bedürfen keiner weiteren Einkommensquelle.
    Auch sollte es Beantragt werden müssen bzw. sollte es automatisch ausgezahlt werden wenn eine gewisse Einkommensschwelle unterschritten wird. Praktisch ist ja eines der Ziele solch eines Einkommens die Lücke zwischen den Einkommen zu schließen und somit auch Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft zu mindern oder gar zu vermeiden. Es bietet auch Vorteile für Arbeitgeber, ihre Mitarbeiter sind (intrinsisch) motivierter und somit Leistungsfähiger und das gesamte Potenzial eines jeden kann in den Arbeitsprozess eingebracht werden.

    1. Avatar von Martina
      Martina

      Wenn das Grundeinkommen nicht bedingungslos ist muss wieder die „Bedürftigkeit“ geprüft werden. Das ist nicht nur stigmatisierend sondern auch viel zu teuer.

  2. Avatar von Thomas Schulz
    Thomas Schulz

    Das Thema Grundeinkommen ist sicherlich ein schwieriges und komplexes Thema. Ich stehe dem Ganzen etwas skeptisch gegenüber, würde mich aber gerne eines Besseren belehren lassen. Sicherlich ist Geld ein Gestaltungsmittel, aber das bedeutet nicht automatisch eine positive Gestaltung, wie uns die Beispiele der Finanzkrise, die Rüstungsindustrie oder der Diesel-Skandal zeigen bzw. gezeigt haben. Auch die Höhe von z. B. 750,00 € würde nicht zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben reichen. Das tut der heutige Hartz IV Satz auch nicht und der ist doch höher (wenn auch nicht bedingungslos). Eine Anhebung auf 1.000,00 oder 1.200,00 € würde die Frage der Finanzierbarkeit in den Vordergrund rücken und so die Abhängigkeit von den Finanzmärkten verstärken. Es ginge dann nicht mehr um die Frage wie wir Reichtum erzeugen, sondern ob wir genug Geld erwirtschaften, um ein entsprechendes BGE finanzieren zu können. Meines Erachtens müsste ein GE an das Produkt gekoppelt werden, an die Frage der Gemeinnützigkeit und der Nachhaltigkeit. Ist es nicht auch das, was Steiner meinte?
    Und um auf Herrn Götz Werner mit seinem Beispiel von Columbus zu kommen: Columbus wollte nach Indien, hat es aber nicht erreicht, sondern einen neuen Kontinent gefunden. Doch das war nicht alles. Bedenken wir auch die Folgen für die Ureinwohner Amerikas. Sie wirken bis heute nach. Gehen wir nüchtern und sachlich an die Sache mit dem BGE. Bei aller Begeisterung sollte man die Folgen nicht vergessen.
    Aber wie gesagt, ich lasse mich gerne überzeugen.

  3. Avatar von Darkspirit
    Darkspirit

    Man sollte derzeit nicht von einem „bedingungslosen“ Grundeinkommen sprechen
    und auch nicht pauschal ein Sanktionsmoratorium beim SGB II einführen,
    sondern schlichtweg folgende Bedingung für die Grundsicherung/Grundeinkommen einfordern:

    Nachweis einer Tätigkeit beim Jobcenter (in der Summe z.B. 8 Stunden pro Tag, bei Erwerbsminderung je nach Fähigkeit)
    * Erwerbstätigkeit
    * Bildung (Schule, Abendschule, Studium)
    * gesellschaftliches Engagement (bei einer steuerbegünstigten (gemeinnützigen/mildtätigen/kirchlichen) oder öffentl.-rechtl. Organisation, der Einsatz von Arbeitskraft sollte als ordnungsgemäße Mittelverwendung geprüft werden)
    oder
    ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit
    ansonsten
    nach einer bestimmten Frist: verpflichtendes betreutes Wohnheim mit Werkstätten (alle über Camping-/Roadtripzwecke hinausgehende Obdachlosigkeit) mit dem jeweils selbstgewählten Ziel, entweder wieder zum alleinstehenden Wohnen befähigt zu werden oder dort in Gemeinschaft zu leben (kommunales nichtreligiöses Kloster: quasi die Pflege-/Alten-/Jugend-/Obdachlosenheime zusammenführen). Quelle: https://twitter.com/TerraX_net/status/843797899821617152

    Ich finde das BGE als Ansatz sehr wichtig: Wir dürfen aber auch nicht außer Acht lassen, dass wir uns irgendwie zu Wirksamkeit zwingen müssen, um den Wohlstand zu halten und fortzuentwickeln (sinnvolle/effektive Güterverwendung). Erst wenn das gut läuft und auch in Nachbarländern etabliert ist, sollte man darüber nachdenken, diesen Nachweis auch abzuschaffen.

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