Altersversorgung für Frauen: Zeit zum Umdenken

Die Altersversorgung für Frauen und Männer ist in vielen Ländern ungleich. Begründet wird dies häufig damit, dass Frauen sich weniger mit der Altersvorsorge beschäftigen. Interviews, die mit Frauen und Männern in England geführt wurden, stellen diese Behauptung in Frage. Denn Frauen setzen sich aktiv mit dem ungleichen Rentensystem auseinander und verfolgen längst alternative Vermögensstrategien.

Krisen wie die Pandemie und der Anstieg der Lebenshaltungskosten haben die systemimmanenten Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern wieder sichtbarer gemacht. Trotz sich verändernder Gesellschaftsnormen und stärkerem Bewusstsein für den Gender Pension Gap ist die Rentenversorgung in europäischen Ländern wie England und Deutschland weiterhin ungleich. Mutterschaftsurlaub, Teilzeitarbeit und vermindertes Einkommen sind in einem Rentensystem, das auf maskulinen Normen aufgebaut wurde, nicht berücksichtigt. Welche Mutter kann 35 Jahre Vollzeit in einem gutbezahlten Beruf arbeiten und zusätzlich in eine private Altersvorsorge einzuzahlen? Und selbst in Familien, in denen die Frau mehr verdient als ihr Partner, sind die Rollen in der Haus- und Erziehungsarbeit traditionell verteilt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Frauen weniger für die Zukunft planen oder sich weniger aktiv mit der Rente auseinandersetzen.

Strukturelle Ungleichheiten in den Rentensystemen

Studien und Unternehmen zeigen die Ungleichheiten auf, die unseren Rentensystemen innewohnen. Demnach sollten Frauen – so die Forderung – aktiver werden, um ihre Rentenperspektive zu verbessern. Interviews mit 61 Frauen in England zeigen nun allerdings, dass es daran nicht liegt. Das Hauptproblem sind strukturelle Ungleichheiten, die aufgehoben werden müssen.

Das englische Rentensystem umfasst eine staatliche Rente von maximum 185,15 Pfund pro Woche (aktuell ca. 215 Euro) und eine zusätzliche berufliche Rente. Die bekommt aber nur, wer mindestens 10.000 Pfund im Jahr (ca. 11.600 Euro) in einer Arbeitsstelle verdient und wenn gleichzeitig der Arbeitgeber mindestens drei Prozent bezahlt und der/die Arbeitnehmer*in mindestens fünf Prozent einzahlt.

Während in Deutschland der Schwerpunkt auf der staatlichen Rente liegt (60 Prozent der Altersvorsorgeleistungen), deutet die durchschnittliche Altersrente auf ähnliche strukturelle Unterschiede hin. Die Altersrente von Frauen liegt im Durschnitt zwischen 807 und 856 Euro, während die der Männer zwischen 1.204 und 1.227 Euro liegt. Sollte der deutsche Sozialstaat weiterhin reduziert werden, ähnlich wie in England, ist davon auszugehen, dass diese Schere noch größer wird. Trotz der im Vergleich niedrigeren Kinderbetreuungskosten in Deutschland, liegt der unbereinigte Gender Pay Gap bei 20,7 Prozent (Großbritannien 19,1 Prozent). Das heißt Frauen verdienen im Durchschnitt 20 Prozent weniger als Männer und arbeiten mehr in Teilzeit und in weniger gut bezahlten Jobs.

Die Auswirkung von einem geringeren Sozialstaat mit einer der höchsten Kinderbetreuungskosten zeigt sich in dem höheren bereinigten Gender Pay Gap in Großbritannien (10,5 Prozent im Vergleich zu 5,8 Prozent in Deutschland). Er deutet darauf hin, dass Frauen in Gehaltsverhandlungen dafür bestraft werden, Kinder zu haben oder haben zu können, da diese zu Berufspausen führen können.

Wie reagieren Frauen auf strukturelle Ungleichheiten?

Frauen sind sich sehr bewusst, dass das momentane Rentensystem sie benachteiligt. Oft mussten die Befragten aus der beruflichen Altersversorgung austreten, sobald sie Kinder hatten. Einerseits haben Mutterschaftsurlaub und ein verringertes Einkommen es ihnen unmöglich gemacht, monatliche Beiträge für die berufliche Rente zu bezahlen. Andererseits führen die hohen Kosten für Kinderbetreuung dazu, dass Frauen keinen Zugang zur beruflichen Vorsorge haben oder kein Geld für Altersvorsorge übrig ist.

Die Kindergartenkosten in England können mehrere tausend Pfund betragen. Deshalb bleiben viele Frauen mit Kindern zuhause, bis kostenlose Betreuungsstunden im Kindergarten vom Staat zur Verfügung gestellt werden. Das geschieht bei Kindern ab drei Jahren. Doch selbst wenn die Kinder extern betreut werden, so haben die Interviews gezeigt, tragen die Frauen die Kosten dafür – und nicht ihre Männer. Da sie die Rentenbeiträge in der beruflichen Vorsorge nicht flexibel anpassen können, versuchen die interviewten Frauen, entweder ihre Rentenbeiträge zu erhöhen, bevor sie Kinder haben, und somit einen Puffer zu schaffen. Oder sie sparen in einer privaten, flexibler anpassbaren Rentenversicherung. Diese Strategien zeigen, dass Frauen nicht weniger vorsorgen, sondern dass das momentane Rentensystem sie benachteiligt.

Sorge vor finanziellen Engpässen beeinflusst Wahl der beruflichen Altersvorsorge

Nicht nur übernehmen Frauen vorwiegend die Kinderbetreuung, Männer sind auch häufiger für die finanzielle Langzeitplanung des Haushaltes zuständig. Dies hat zur Folge, dass Männer sich weniger auf kurzfristige finanzielle Engpässe – etwa durch Kinderbetreuungskosten – sondern mehr auf monetäres Wachstum konzentrieren, während Frauen kurzfristig Geld zurücklegen wollen für den Fall, dass sie Einkommensschwankungen erleben. Die Verantwortung für Kinderversorgung und den Haushalt beinhaltet ebenfalls eine Finanzplanung, jedoch mit anderem zeitlichen Horizont. Diese Planung beim Einkauf und in der Haushaltsführung hat wiederum Einfluss auf die finanziellen Strategien von Frauen.

Um auf neue Situationen reagieren zu können und kurzfristig liquide zu sein, bevorzugen Frauen häufig Finanzprodukte, auf die sie im Notfall zugreifen können. Berufliche Altersvorsorge erfüllt dieses Kriterium nicht. Sie ist ein unflexibles und intransparentes Langzeitprodukt, auf das man nicht flexibel zugreifen kann und dessen Wachstum man nicht wöchentlich online sehen und managen kann. Vergleiche zu Sparprodukten oder flexiblen Investmentfonds werden gezogen, deren Status man jederzeit online oder auf einer App sehen kann. Da die befragten Frauen aber trotzdem nicht auf den Arbeitgeberanteil in der beruflichen Altersvorsorge verzichten wollen, zahlen sie ihren Anteil der monatlichen Beiträge, setzen sich aber nicht mit den Investitionspaketen auseinander. Interessanterweise ist ihnen bewusst, dass das gegen die Erwartungen einer verantwortungsvollen Rentenplanung spricht und die geschlechterspezifischen Ungleichheiten verfestigt.

In vielen Lösungsvorschlägen zu dem Rentendefizit von Frauen liegt der Fokus darauf, die Finanzbildung von Frauen zu erhöhen, da sie oft als weniger interessiert an Finanzthemen dargestellt werden. Jedoch zeigen die Aussagen der Befragten, dass es nicht (oder zumindest nicht nur) darum gehen sollte die Finanzbildung zu erhöhen, sondern die limitierenden Faktoren für Frauen in der Rentenplanung zu durchbrechen. Ihr Desinteresse, die berufliche Rente zu beeinflussen, ist vielmehr eine logische Schlussfolgerung der systemimmanenten Ungleichheiten. Selbst wenn Frauen regelmäßig ihr Investmentpaket anpassen, sind sie immer noch den strukturellen Ungleichheiten ausgesetzt.

Rentenplanung – Was sind alternative Strategien von Frauen?

Um die strukturellen und normativen Ungleichheiten zu umgehen, haben die weiblichen Befragten eine dritte Altersvorsorge-Strategie entwickelt. Da Rentenversicherungen Langzeitinvestitionen sind, die von einem Fondsmanager kontrolliert und gemanagt werden, passen sie nicht zu den Lebensstrukturen von Frauen und Müttern. Nicht nur erleben Frauen Berufspausen aufgrund von Kinderbetreuung, sie verdienen oftmals weniger als Männer und erlangen seltener Führungspositionen. Um trotzdem genauso viel Renteneinkommen wie ihre männlichen Kollegen zu erhalten, müssten sie wesentlich mehr Ersparnisse zur Seite legen und/oder risikoreicher investieren. Das ist jedoch nicht möglich (aufgrund von strukturellen Ungleichheiten) und nicht ratsam, wenn man schon aus einer niedrigeren Ausgangsbasis investiert.

Die befragten Frauen realisieren dies und suchen daher nach alternativen Investitionsstrategien, anstatt sich auf die staatliche und berufliche Altersversorgung zu konzentrieren. Kriterien für diese privaten Investitionen sind Flexibilität und Kontrolle, was zur Folge hat, dass risikoreichere Investitionen mit höheren Gewinnen nicht in Betracht gezogen werden. Infrage kommen vielmehr Sparprodukte mit einer Investitionskomponente, kurz- bis mittelfristige Bonds und Investitionen in Immobilien.

Immobilien haben bei der Befragung eine besondere Stellung, da bis vor kurzem der Zugang zu Hypotheken in England relativ einfach war. Der Vermietermarkt in England ist weniger geschützt als in Deutschland, sodass Hauspreisanstiege häufig als Rentenstrategie benutzt werden. Interviewte Frauen empfanden Investitionen in eine Immobilie daher also kontrollierbarer als Rentenversicherungen. Investitionen in Immobilien halfen ihnen auch, wenn sie eine Scheidung erlebten. In einem Fall hatte die Befragte wenig Rente angespart, da sie hauptsächlich für den Haushalt zuständig war. Als der Ehemann sich trennte, musste sie also schnell eine Strategie finden, um passives Einkommen zu verdienen, da sie nur noch fünf Jahre bis zur Rente hatte. Die Investition der Scheidungsabfindung in eine Immobilie bot sich hier als Lösung an.

Fazit: Frauen sind aktiv, wir müssen Ungleichheiten aufheben

Diese alternativen Strategien zeigen, dass Frauen sich aktiv mit ihrer finanziellen Vorsorge auseinandersetzen, jedoch durch strukturelle und normative Ungleichheiten benachteiligt sind. Lösungsvorschläge, die sich auf individuelle Verantwortung konzentrieren, sind nicht ausreichend. Das Ziel sollte nicht sein, Frauen zur aktiveren Altersvorsorge zu animieren, sondern wir sollten anstreben die Ungleichheiten aufzuheben. Selbst wenn Frauen mehr private Altersvorsorge betreiben, sind sie dennoch benachteiligt gegenüber Männern, die Zugang zu den vollen Leistungen im momentanen Rentensystem haben.

Was denkst du zum Thema Altersvorsorge von Frauen? Hast du Erfahrungen damit gemacht? Wie steht es um deine eigene Vorsorge fürs Alter? Hinterlasse gerne einen Kommentar!

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