Abstrakte Spekulationen am Finanzmarkt. Ein Beispiel

Es wird längst nicht mehr nur auf Klassiker wie Öl und Gold spekuliert, sondern auf alle Rohstoffe, die an der Terminbörse gehandelt werden können. Diese Spekulationen sind mit ein Grund für die explodieren Preise von Weizen und Reis. Die Folge für breite Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern: Hunger. Sie können sich die teuren Nahrungsmittel kaum noch leisten.

Fast zeitgleich mit dem steilen Anstieg der Agrarpreise kamen neue Finanzprodukte auf den Markt. Als hätten sie nur auf den Moment gewartet, werben Banken mit „Soft-Commodity-Basket-Zertifikaten“ und ähnlichen Fantasienamen dafür, von der Teuerung zu profitieren. Abgebildet sind oft ästhetische Fotos von Ernten oder von gefüllten Jutesäcken, man hat den Eindruck von exotischen Weltgegenden und zufriedenen Menschen. Aber darum geht es gar nicht.

Der Käufer eines Weizenzertifikates hat genauso wenig Interesse daran, Weizen zu kaufen, wie ein Spieler eine Roulette-Kugel. Der Weizenpreis dient ihm nur als Basis für seine Spekulation. Dabei hat der Käufer von solchen Finanzprodukten größere Chancen als im Glücksspiel, wenn seine Rechnung aufgeht: An den Waren-Börsen kann heute Weizen zu einem bestimmten Preis gekauft werden, der erst in 3 Jahren geliefert wird, der also zum Zeitpunkt des Kaufs noch gar nicht ausgesät ist. Die Spekulanten wetten bei diesen Waren-Termin-Geschäften auf einen Preisanstieg. Die Krux daran ist, dass sie mit ihrem Kauf eine – realwirtschaftlich nicht existierende – Nachfrage schaffen und damit einen weiteren Anstieg der Agrarpreise bewirken. Gleichzeitig profitieren sie davon – auf Kosten breiter Bevölkerungsschichten.

Den so schön fotografierten Weizen will der Käufer also nicht haben und für den Bedürftigen ist er oft zu teuer. So illusionär können Finanzprodukte sein.

Eine nachhaltige Finanzwirtschaft

Finanzinstitute und -instrumente sollten statt tausenden Menschen die Lebensgrundlage zu entziehen, vielmehr deren  Grundbedürfnisse sichern, denn das eigentliche Ziel des Wirtschaftens ist es, Bedürfnisse zu befriedigen. Dem hat die Finanzwirtschaft zu dienen. Dazu gehört auch, dass die finanzierten Unternehmen und Initiativen über den kurzfristigen Verkauf von Waren und Dienstleistungen hinaus für Nachhaltigkeit, Entwicklung und soziales Engagement stehen – im Grunde wie jeder gute Kaufmann.

Diesen Artikel teilen

3 Antworten zu „Abstrakte Spekulationen am Finanzmarkt. Ein Beispiel“

  1. Avatar von Übernommener Kommentar*
    Übernommener Kommentar*

    |

    Spekulation soll die Lösung sein?

    Dass es zur Absicherung einzelner realwirtschaftlicher Geschäfte Sinn macht, Finanzprodukte in Anspruch zu nehmen, ist an dem Artikel von Martin Herrndorf gut dargestellt. Gewiss ist auch die Unterscheidung von Gut und Böse nicht immer einfach. Gerade das dargestellte Beispiel der Entwicklungsfinanzierer ? und als seit langem für Oikocredit Engagierter kenne ich das Problem – zeigt aber, dass Speziallösungen für ethisch einwandfreie Investitionen offenbar besser sind, als auf allgemeine Spekulanten zu setzen. Spekulanten haben mit einer Versicherung für Risiken im Allgemeinen so viel gemeinsam wie Brandstifter und Feuerwehr. Beide leben vom Risiko, aber der eine heizt es an, damit sein Geschäft auf Kosten der anderen blüht und am Ende alle die Rechnung zahlen.
    Deshalb will mir überhaupt nicht einleuchten, warum man mit Nahrungsmitteln spekulieren soll ohne am Ende Waren abzuholen oder zu liefern. Wehe den Armen, die auf Nahrungsmittel auf solchen Märkten angewiesen sind.
    Ohne eine neue Finanzordnung mit mehr Transparenz, Ethik und Verantwortung aller für die Folgen werden wohl noch viele Krisen kommen

  2. Avatar von Übernommener Kommentar*
    Übernommener Kommentar*

    |

    Böse Spekulanten – so einfach?

    Ich befürchte, der Artikel macht es sich mit seiner recht kollektiven Verdammung von Spekulation etwas einfach. Es ist volkswirtschaftlich nicht ganz einfach zur erklären, wie Derivate auf Nahrungsmittel zu mehr als kurzfristige Preissteigerungen führen sollen. Denn die „virtuell“ gekauften Nahrungsmittel müssen ja irgendwann von jemand „real“ gekauft werden, grade weil sie nicht wirklich gelagert werden können

    Positive Effekte wäre zB ein frühzeitiges Anzeigen von Knappheit und eine entsprechende Ausweitung der Produktion sowie die Möglichkeit für Entwicklungsländer, ihre (realwirtschaftlichen) Im- oder Exporte von Nahrungsmitteln über Derivate gegen Preisschwankungen abzusichern. Dies ist möglich und geschieht.

    Wie sogar die Spekulation mit Währungen den Armen helfen kann, habe ich hier kurz beschrieben: http://unternehmenarmut.wordpress.com/2009/01/30/vielen-dank-herr-spekulant/
    Ansonsten: Viel Energie und Erfolg beim Aufbau einer neuen Finanzwelt!

  3. Avatar von Übernommener Kommentar*
    Übernommener Kommentar*

    |

    realwirschaftsbezogene und spekulative Finanzwirtschaft

    Der Artikel ist mE. eine treffliche Ausarbeitung zu den Spekulationen um Lebens- und Nahrungsmittel. Ich bedaure, dass diese Klarheit bei den Poltikern ausbleibt, die jetzt gerade mit Bürger-Milliarden (Steuergeldern) den Bankrott („Banca-rotta“) derjenigen Banken aufzuhalten versuchen, die durch Spekulationen in Schieflage gekommen sind. Gleichzeitig können Lebensmittelspekulationen mit Hilfe der Weltbank-Milliarden weiter „blühen“.
    Zum Glück gibt es die GLS für die grüne Realwirtschaft, oder?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere aktuelle Themen