Systemrelevant? Über die Bedeutung kleiner Banken

Sind systemrelevante Banken wegen ihrer Größe für die Versorgung von Bürgern, Unternehmen und Staat mit Finanzdienstleistungen tatsächlich unverzichtbar? Sind kleine und mittlere Banken wirklich zu klein, zu wenig und deshalb noch instabiler als die Großen und daher keine flächendeckende Alternative?

Ein Beitrag von Thomas Jorberg, Vorstandssprecher GLS Bank.

Die Ursachen der Finanzmarktrisiken sind unstrittig bei den großen Banken in der Rechtsform der Aktiengesellschaft beziehungsweise in den Kapitalcasinos ihrer Investmentabteilungen zu suchen. Und die Spekulation mit Rohstoffen, Währungen, Staatsanleihen und landwirtschaftlichen Flächen geht munter und teilweise verstärkt weiter. Weil diese Banken aufgrund ihrer systemrelevanten Größe nicht pleitegehen „dürfen“, müssen sie im Krisenfall nicht einmal die eigenen, direkten Risiken tragen – geschweige denn die indirekten Risiken in der sogenannten Realwirtschaft, also zum Beispiel bei den Teilen der Weltbevölkerung, die sich die spekulativ verteuerten Rohstoffe nicht mehr leisten können und Hunger leiden.

Diese einzelnen großen Banken dienten nun auch als Muster für die Bankenregulierung. Es ist zu erkennen, dass man im Auge hatte, was es zu verhindern gilt. Gleichzeitig lässt weder die Regulierung noch die Politik erkennen, was es im Finanzmarkt zu befördern gilt. Dabei gibt es auch im traditionellen Bankgewerbe durchaus positive Alternativen. Die deutschen Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind eine davon. Sie sind nah an den Menschen vor Ort und decken den Bedarf kleiner und mittelständischer Unternehmen. Durch ihre Verbundsinstitute sind sie – trotz der zu korrigierenden Fehlentwicklungen bei den Landesbanken – in der Lage, auch große und internationale Finanzgeschäfte abzuwickeln. Sie sind dezentrale, kleine und mittlere, selbstständige Institute und decken doch einen Marktanteil von rund 60 Prozent im Privatkundengeschäft ab. Von daher sind sie durchaus in der Summe systemrelevant – und zwar im Sinne einer Stabilisierung, weil sie lernende Systeme darstellen.

Natürlich darf auch ein Sparkassen- oder Volksbankvorstand grundsätzlich keinen Fehler machen. Der große Unterschied zum Großbankvorstand ist jedoch, dass ein Fehler in einer dezentralen Bank nicht das ganze Bankensystem gefährdet. Im Gegenteil: Durch die Verbunds- und Sicherungsstrukturen werden Fehler hier früh erkannt und Auswirkungen über die Institutssicherung der Bankenverbände ohne Schädigung von Kunden, Drittbanken oder gar des Staats aufgefangen. Und die Fehler in einzelnen Banken führen letztendlich zu einer Stabilisierung der Systeme durch Analyse, Diskussion, gegenseitiges und solidarisches Einstehen sowie Anpassung der Früherkennung und Prüfung. Dabei fehlen allerdings auch vielen Volksbanken und Sparkassen eine klare Zukunftsorientierung und ein Bekenntnis dazu, welche Geschäfte sie machen und welche dezidiert nicht. Ohne ein solches Zukunftsbild sind auch sie für sich ändernde Rahmenbedingungen schlecht gerüstet.

International gibt es Banken wie die GLS Bank, die ein gemeinsames wertebasiertes Geschäftsmodell prägt. Einige haben sich der im Jahr 2009 gegründeten „Global Alliance for Banking on Values“ (GABV) angeschlossen. Das Netzwerk ist auch eine positive Resonanz auf die Finanzmarktkrise und nimmt als einzige weltweite Allianz von Mikrofinanz- und Nachhaltigkeitsbanken zu globalen Themen mit einer Stimme Stellung.

Sowohl die GLS Bank und die anderen Mitglieder der GABV als  auch Genossenschaftsbanken und Sparkassen könnten als positives Modell für die Regulierung und die Politik dienen, anstatt als exotisches Ausnahmephänomen an den Rand gedrängt zu werden. Dies ist weder sachlich, menschlich und politisch noch wirtschaftlich vertretbar.

 

Thomas Jorberg

ist Diplom-Ökonom. Seit 1986 ist er Mitarbeiter bei der GLS Bank, seit 1993 im Vorstand. Zudem ist er seit 2009 Steering-Committee-Mitglied der Global Alliance for Banking on Values, einem internationalen Bündnis sozial-ökologisch orientierter Banken.

  1. Sehr geehrter Herr Jorberg,

    Gegenthese.

    Die Ursachen der Finanzmarktrisiken liegen in einem schuldenbasierten Geldsystem, in dem die privaten Geschäftsbanken die Geldmenge kontrollieren, in Verbindung mit Finanzinstituten, die den Interessenskonflikt einer Geschäftsbank und einer Investmentbank unter einem Dach austragen, in Situationen, in denen tragende solvente Schuldner abhanden kommen.

    Das alles hat mit der Rechtsform der Aktiengesellschaft überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil haben beispielsweise die Sparkassen im Zuge der Wiedervereinigung durch ihre inkompetente Bewilligung von Dispositionskrediten erhebliche Probleme erzeugt. Ob Kreditvergabe den Menschen nützt oder nicht, hängt in unserem Geldsystem nun einmal nicht von der guten Absicht des Bankberaters ab, sondern von der Wirtschaftssituation nach Kreditvergabe und bei Kreditfälligkeit.

    Die Sparkassen und VR-Banken könnten ohne ihre Landesbanken respektive die DZ ihrem Auftrag überhaupt nicht mehr gerecht werden. Sie wären meiner Meinung nach im Gegenteil von Markttrends abgeschnitten und würden massiv Geschäftsvolumina verlieren.

    Die Landesbanken und die DZ scheinen leider nicht besonders begabt zu sein. Dies in einem Halbsatz abzutun halte ich für streitbar. Genauso gut kann es sich dabei um ein konstruktionsbedingtes Problem handeln, was ich eher glaube.

    Die von Ihnen kritisierte “Spekulation” mit Ressourcen wird zwar teilweise von besagten Investmentabteilungen mit Interessenskonflikt betrieben, zum großen Teil aber auch durch nicht-Banken. Ermöglicht wird sie in der jetzigen Situation durch billiges Zentralbankgeld, nicht durch die Investoren an sich.

    Das billige Zentralbankgeld wird bereitgestellt, um Fehlinvestitionen der Vergangenheit zu kaschieren. Die Alternative wären erhebliche Abschreibungen, auch bei Banken, auch bei der GLS.

    Ich will das nicht bewerten, sondern nur klarstellen, dass ich finde, dass Ihre Kritik nicht substanziell genug ausfällt. Was reformiert werden muss ist das Finanzsystem an sich, das erst durch die Einführung von Privatkonten das Maß an Schwankungen ermöglicht, das wir heute erleben.

    Jede Einführung von Regelungen für das bestehende System findet eine Entsprechung in Symptombekämpfungen in der Medizin — etwas, das die GLS ja auch nicht unbedingt gutheißt. Symptombehandlung am bestehenden System wird überhaupt keine Besserung bringen. Sie wird nur andere Krankheiten an anderen Stellen ausbrechen lassen

    Ich hätte erwartet, dass Sie nicht weniger fordern würden als ein vollständig neues System wie beispielsweise Vollgeld.

    Von der Politik, die im jetzigen System zum jetzigen Zeitpunkt vollständig von den Kapitalmärkten abhängig ist, eine sinnvolle Transformation hin zum Besseren zu erwarten, scheint mir auf recht viel Hoffnung zu bauen.

  2. […] auch Basel III zwei grundlegende Sicherheitsrisiken im Finanzsystem nicht: das Risiko der sog. Systemrelevanz großer Banken und die Risiken der Schattenbanken. Das Thema Bankenregulierung ist auch mit Basel […]

  3. Geraldine

    Da das Thema hier gerade auftaucht – anbei ein sehr interessanter Artikel zum Vollgeldkonzept:

    http://www.n-tv.de/politik/dossier/Das-Ende-der-monetaeren-Fata-Morgana-article917399.html

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