Greenwashing bei nachhaltigen Fonds: „Kein Kavaliersdelikt, sondern kriminell“

Greenwashing bei nachhaltigen Fonds: „Kein Kavaliersdelikt, sondern kriminell“

Viele Fonds behaupten nachhaltig zu sein, doch einer kritischen Prüfung halten die vollmundigen Werbeversprechen nur selten Stand. Immer öfter verklagen Verbraucherzentralen solche Fondsgesellschaften wegen Irreführung. Maximilian Gege, Ehrenvorsitzender des B.A.U.M. e.V. und Gründer von Green Growth Futura, fordert im Interview, Greenwashing als kriminelle Handlung zu bewerten.

Ein Gastbeitrag von Dr. Baris Calisan

Herr Gege, Sie haben gemeinsam mit der GLS Bank 2018 den B.A.U.M. Fair Future Fonds ins Leben gerufen. Was war die Idee dahinter?

Der B.A.U.M. Fair Future Fonds ist ein Gemeinschaftsprojekt der GLS Bank und der Green Growth Futura. Als Aktienfonds investiert er vor allem in kleine und mittelständische Unternehmen, die in wichtigen Zukunftsmärkten wie Energie, Ressourceneffizienz, nachhaltige Mobilität, Abfallvermeidung oder Gesundheit aktiv sind. Die Green Growth Futura übernimmt als Beratungsgesellschaft das sozial-ökologische Research und Monitoring der Unternehmen im Anlageuniversum des Fonds.

Wie können Sie sicher sein, dass dieser Fonds wirklich nachhaltig ist?

Jedes einzelne Unternehmen im B.A.U.M. Fair Future Fonds wird vor Aufnahme in das Anlageuniversum nach strengen Ausschluss- und Positivkriterien geprüft und erhält ein individuelles Nachhaltigkeits-Rating. Mit einem eigens entwickelten Verfahren wird geprüft und bewertet, ob und inwieweit das jeweilige Unternehmen soziale, ökologische und unternehmensethische Muss-Kriterien erfüllt. Wird das Unternehmen nach eingehender Prüfung als nachhaltig eingestuft und bewertet, entscheidet dann im nächsten Schritt ein unabhängiger Nachhaltigkeitsbeirat, ob die Aktie ein glaubwürdiges, nachhaltiges Investment ist oder nicht. So ist gewährleistet, dass jedes Unternehmen im B.A.U.M. Fair Future Fonds einen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft leistet.

Ihre Beratungsgesellschaft analysiert auch andere Fonds. Wie verbreitet ist Greenwashing?

Leider entpuppen sich als nachhaltig deklarierte Fonds immer wieder als Etikettenschwindel. In den Portfolios dieser Produkte finden sich beispielsweise große Lebensmittel-Konzerne, deren Geschäfte nur durch Ausbeutung, zerstörerische Palmöl-Produktion und andere Umweltsünden florieren. Leider ist dies keine Seltenheit und oft geschieht Greenwashing im großen Stil. Greenpeace hat kürzlich darauf aufmerksam gemacht, dass die vier größten deutschen Vermögensverwalter mit gewaltigen Summen weiterhin in den Ausbau fossiler Brennstoffe investieren, obwohl sie sich der Initiative „Net Zero Asset Managers“ angeschlossen haben und sich verbindlich zum 1,5-Grad-Ziel des Klimaschutzabkommens bekennen. Doch vielen Anleger*innen, die in diese vermeintlichen Ökofonds investieren, ist gar nicht bewusst, dass ihre Ersparnisse in klimaschädlichen und menschenfeindlichen Aktien stecken.

Die tatsächliche Nachhaltigkeit von „nachhaltigen Fonds“ muss also genau beleuchtet werden. Wo genau beginnt in Ihren Augen Greenwashing?

Das lässt sich pauschal gar nicht beantworten und erschwert daher die Entscheidung, ob ein Fonds das passende Produkt ist oder nicht. Viele Fondsanbieter sehen Nachhaltigkeit immer noch als Modethema, das ihnen hilft, ein neues Produkt gut zu vermarkten. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Anbieter, die das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft und glaubwürdig angehen. Ob ein Fonds tatsächlich nachhaltig ist, kann jedoch erst nach einer umfassenden Analyse festgestellt werden. Dafür gibt es ja Research – also die Menschen und Abteilungen in Finanzinstituten und Beratungsunternehmen, die die Fonds zuverlässig prüfen, auch mithilfe von Datenbanken. Geben sich die Angebote nur einen grünen Anstrich oder verfolgen sie tatsächlich eine transparente Nachhaltigkeitsstrategie? Am Ende der Recherche hat man hierzu die Antwort.

Warum fehlt für Geldanlagen eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit und was müsste getan werden, um Greenwashing endgültig einen Riegel vorzuschieben?

Kürzlich hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg beim Landgericht Frankfurt Klage gegen ein bekanntes deutsches Investmentunternehmen eingereicht, um gezielt gegen irreführende Werbung für angeblich nachhaltige Geldanlagen vorzugehen. Das zeigt, dass eine klare gesetzliche Regelung dringend vonnöten ist. Greenwashing sollte ein Vergehen sein, gegen das man klagen kann, und nicht als „Kavaliersdelikt“ in der juristischen Grauzone herumwandern.

Die Anbieter deklarieren möglichst viele Produkte als nachhaltig, da immer mehr Anleger*innen nachhaltig investieren möchten. Auch die Einhaltung der aktuell gültigen EU-Verordnung lässt sich als Vorzug anpreisen und wie eine Art Gütesiegel bewerben, obwohl das Regelwerk nicht eindeutig vorschreibt, was einen wirklich nachhaltigen Fonds ausmacht. Zudem gelten demnach ja auch Atomenergie und Erdgas als nachhaltige Übergangstechnologien. Hier muss die Politik nachbessern und die Stellschrauben fester ziehen, denn nur dann kann die Finanzwirtschaft den erhofften Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation leisten.

Auf die EU-Verordnung gehen wir in unserem Blogbeitrag “Taxonomie mit Gas und Atom: Noch schlechter als eine 6” ein. Wenn du in die Welt der nachhaltigen Geldanlage einsteigen möchtest, empfehlen wir dir unseren Text zu Fünf wichtigen Begriffen und unsere Tipps für Einsteiger. Schreib uns gern Deine Erfahrungen mit nachhaltigen Fonds in die Kommentare.

Fünf wichtige Begriffe in der Welt der nachhaltigen Geldanlage

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