Europa … verzweifelt gesucht! – Interview mit Richard David Precht

Gastbeitrag: Das Interview stammt aus dem philosophischen Wirtschaftsmagazin agora42, Thema: EUROPA. Fotos: Janusch Tschech

Europa … verzweifelt gesucht! - Interview mit Richard David Precht / Foto: Janusch Tschech Richard David Precht, geboren 1964 in Solingen, studierte Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Köln und promovierte 1994 in Germanistik. 1997 war Precht Fellow bei der Chicago Tribune, 1999 erhielt er das Heinz-Kühn-Stipendium. In den folgenden beiden Jahren war er Stipendiat am Europäischen Journalistenkolleg der FU Berlin. Er hat für viele große deutsche Magazine, Zeitungen und Sendeanstalten gearbeitet, unter anderem als Kolumnist des Magazins Literaturen (2002–2004) und von 2005 bis 2008 als freier Moderator der WDR-Sendung Tageszeichen. 2007 erschien sein bisher erfolgreichstes Sachbuch Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?, das bisher über 1,5 Millionen Mal verkauft und in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurde. Sein autobiografisches Buch Lenin kam nur bis Lüdenscheid. Meine kleine deutsche Revolution wurde 2008 verfilmt. Seit 2010 ist er Mitherausgeber des Magazins agora42. Als Honorarprofessor lehrt er seit 2011 Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg und seit 2012 an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin. Seit September 2012 moderiert er die Philosophiesendung Precht im ZDF. 

Von geografischen Definitionen abgesehen: Was bedeutet Ihnen Europa?

Ich habe kein starkes emotionales Verhältnis zu Europa. Ich halte es auch für zwecklos, Europa über einen besonderen Wesenszug definieren zu wollen. Ohne Zweifel wurde Europa durch die Aufklärung geprägt. Aber dieses Erbe ist für mich kein Grund, in Begeisterung auszubrechen, denn es ist genauso wunderbar wie fürchterlich. Europa hat so viel Unheil über sich selbst und die Welt gebracht, dass ich jeder Form von romantischer Verklärung skeptisch gegenüberstehe. Für mich ist Europa, ein geeintes Europa, ein sehr nützliches Werkzeug, um gewaltige Zukunftsprobleme zu lösen. Das ist mein Verhältnis zu Europa.

Ein Werkzeug, das zuletzt eine lang anhaltende Periode des Friedens hervorgebracht hat. Ist das nicht ein Grund zur Freude?

In der Tat wird die Geschichte, dass Europa letztlich im Frieden zueinander gefunden hat, gerne erzählt. Das ist die Geschichte eines Europas, das nach vielen Kriegen, und zuletzt durch die Erfahrung zweier blutiger Weltkriege, zu der Erkenntnis gelangte, dass es besser ist, in Frieden miteinander zu leben. Von dieser Erzählung halte ich nicht viel. Ich finde sie kitschig.

Europa … verzweifelt gesucht! - Interview mit Richard David PrechtIch würde die Geschichte anders erzählen: Das friedliche Europa ist entstanden, weil sich Kriege innerhalb Europas nicht mehr lohnen. Und das aus drei Gründen: Erstens, weil es in Europa nichts mehr zu holen gibt. Es gibt keine relevanten Gasvorkommen, keine Ölvorkommen, keine Uranvorkommen, keine materiellen Ressourcen, für die es sich lohnen würde, einen Krieg zu führen. Als „gutes Geschäft“ ist Krieg also sinnlos geworden. Zweitens haben die beiden Weltkriege gezeigt, dass Kriege heute einen gewaltigen Blutzoll fordern, den keine Regierung auch nur ansatzweise mehr der Bevölkerung verkaufen kann. Der dritte Grund hat schließlich mit der Überalterung Europas zu tun. Kriege beziehungsweise kriegerische Auseinandersetzungen oder Rebellionen wie beispielsweise der Arabische Frühling ereignen sich nur in Ländern, in denen die Anzahl junger Menschen viel höher ist als die der älteren. Revolten ereignen sich, wenn es viele junge Menschen gibt, die nicht an die Fleischtöpfe kommen. Klassische Regime haben gerne die jungen Männer in den Krieg geschickt, bevor sie sich gegen das eigene Regime wenden konnten. In dem überalterten Europa, in dem wir heute leben, ist das völlig undenkbar. Zumal das Leben eines Kindes heute so unsagbar wertvoll ist wie noch nie zuvor. Bei all dem, was wir in unseren Nachwuchs investieren, wird man in Deutschland kaum noch jemanden finden, der bereit wäre, seine Kinder in den Krieg zu schicken.

Es eint uns also ein großes gemeinsames Interesse, Krieg zu vermeiden. Dafür brauche ich keine romantische oder kitschige Verbrämung. Auch muss ich nicht dem Irrglauben anhängen, dass die europäischen Nationen aus der Geschichte gelernt haben. Solche Lernerfahrungen enden meistens mit der Generation, die sie gemacht hat – sonst würden sich nicht so viele Fehler in der Weltgeschichte wiederholen, wie zum Beispiel das Aufflackern des Kalten Krieges in der Rhetorik der USA und der EU gegenüber Russland in der Krim-Krise. Ein verstörendes Signal dafür, wie wenig wir in den letzten 25 Jahren dazugelernt haben.

Damit haben Sie ein Europa skizziert, das sich über die Vermeidung von Negativem definiert. Was hält Europa in positiver Hinsicht zusammen?

Die treibende Kraft der europäischen Einigung war das gemeinsame wirtschaftliche Interesse. Nicht umsonst hat die EU ihre Wurzeln in der Montanunion. Man hatte erkannt, dass man nur noch als Verbund gegen die USA oder die damalige Sowjetunion eine Chance hat. Das gilt für die Beschaffung von Rohstoffen wie auch für den Zugang zu Absatzmärkten.

»Das ist so ähnlich wie beim Monopoly. Sobald einer die profitablen Straßen besetzt hat, macht das Spiel keinen Spaß mehr.«

Die Gründung der Montanunion erfolgte auch vor dem Hintergrund, dass die europäischen Staaten durch ihre Mitgliedschaft in der NATO bereits ihre militärische und außenpolitische Souveränität aufgegeben hatten und letztlich zu Vasallen von Amerika geworden waren. So wollte man sich zumindest wirtschaftlich noch eine gewisse Eigenständigkeit bewahren, was zu Beginn auch wunderbar funktionierte.

Oft wird gerade die Tatsache kritisiert, dass bei der EU wirtschaftliche Faktoren im Vordergrund stehen und nicht kulturelle. Hat Europa überhaupt eine kulturelle Identität?

Europa … verzweifelt gesucht! - Interview mit Richard David PrechtEs gibt sicherlich so etwas wie eine christlich-abendländische Kultur, die in der Tradition des Christentums und der klassischen griechischen Philosophie steht; eine Kultur, welche so unterschiedliche Dinge wie die Demokratie und den Kapitalismus hervorbrachte, deren frühe Wurzeln beide im Athen des 6. Jahrhunderts v. Chr. liegen. Schließlich war es vor allem die Einführung des Münzgeldes und die neue Macht der Händler, die die alte aristokratische Herrschaftsform im alten Griechenland unterspülte und dabei zeitweise zur attischen Demokratie führte – und sei es auch nur als ein temporärer Unfall der Geschichte. Dieselben Turbulenzen von Markt und Moral, privaten Wirtschaftsinteressen (oikos) und Staatsinteressen (polis) motivierten auch die konservativen Philosophien von Platon und Aristoteles, die bis heute unserem geistigen Hausschatz in Europa die Begriffe lieferten. Man kann also sicherlich einiges finden, was die Länder Europas eint. Aber selbst wenn es gelänge, einen gemeinsamen Vorratsschatz zu identifizieren, den Europa der Welt voraushat, wäre ich skeptisch, ob uns das dabei hilft, Lösungen für die heutigen Probleme zu finden. Ich glaube ohnehin, dass Geschichte völlig überschätzt wird. Sie spielt im Alltagsdenken der meisten Menschen keine Rolle. Sie spielt auch dann kaum eine Rolle, wenn über den aktuellen Zustand der EU diskutiert wird.

Interessanterweise soll der französische Unternehmer Jean Monnet, der das Zusammenwachsen der Wirtschaftsunion vorangetrieben hat, einmal gesagt haben: „Wenn ich noch einmal anfangen könnte, dann würde ich mit der Kultur beginnen.“ Aber selbst, wenn dies Konsens werden würde, wie soll man sich so etwas praktisch vorstellen? Und wie lange würde das dauern? Wie viele Hundert französische Theaterstücke und Filme müsste man in Deutschland anschauen, wie viele Musikgruppen müssten auf Tournee nach Deutschland kommen, wie viele Schulklassen müssten das jeweils andere Land besuchen? Und wir reden bis jetzt nur über Deutschland und Frankreich. Wir reden noch nicht von allen sechs Gründungsländern, geschweige denn von all den Ländern, die heute zur EU gehören. Über Kultur hätte man diese Einigung nicht hinbekommen und das wusste man damals auch.

Und doch nähern sich die Lebensstile in Europa immer mehr an.

Ja, aber das hat nichts mit einem gemeinsamen kulturellen europäischen Erbe zu tun, sondern vielmehr mit der Globalisierung, die sich nicht um die europäischen Kulturen schert. Wenn heute die Italiener zu 95 Prozent dieselbe Musik wie die Deutschen, die Dänen, Niederländer oder die Slowenen hören, dann liegt das daran, dass die großen Musiklabels den globalen Markt beherrschen. Auch die Mode ist so einheitlich wie noch nie zuvor. Aber das ist kein Verdienst einer europäischen Kultur, sondern das Resultat der Konsumgüter-Globalisierung.

Auf der anderen Seite beobachten wir gerade, dass die wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa eher dazu beitragen, Europa wieder zu spalten. Ist die verbindende Kraft der Wirtschaft aufgebraucht?

Die Wirtschaft verbindet, solange es gut läuft. Sobald die Entwicklung kippt, wird es kompliziert, weil sehr viele Interessen berücksichtigt werden müssen. Interessen, die sich teils komplett widersprechen. Beispielsweise wies Deutschland jahrelang die niedrigsten Lohnstückkosten in Europa auf. Entsprechend konnten die deutschen Unternehmen ihre Waren sehr günstig an die anderen europäischen Länder verkaufen. Auf Dauer ist das problematisch. Denn wenn die anderen Länder ständig mehr Güter aus Deutschland importieren, als sie nach Deutschland exportieren, steigt ihre Verschuldung immer weiter an. Von dieser Situation haben wir jahrelang profitiert. Jetzt stehen wir vor den Schäden, die wir in anderen Ländern angerichtet haben, und sagen, ihr müsst eure Mentalität ändern oder was weiß ich. So ein Unsinn!

Das ist so ähnlich wie beim Monopoly. Sobald einer die profitablen Straßen besetzt hat, macht das Spiel keinen Spaß mehr. Die Mitspieler verschulden sich immer weiter und irgendwann schmeißen sie ihre Sachen hin und sagen, mach deinen Mist doch alleine. Das Gleiche beobachten wir in der Fußballbundesliga, die der FC Bayern München gerade im Begriff ist abzuschaffen. Noch vor wenigen Jahren hatte Uli Hoeneß die Investoren kritisiert, die sich mit riesigen Summen in europäische Topvereine einkauften und sich die besten Spieler angelten. Er schlug damals konsequenterweise vor, die Spielergehälter zu begrenzen. Jetzt, wo die Bayern in der Lage sind, bei den ganz hohen Gehaltszahlungen mitzuhalten, ist er plötzlich dagegen. Es ist immer dasselbe: Du machst dir nur dann Gedanken über das ganze System, wenn du nicht davon profitierst. Sobald du zu den Profiteuren gehörst, ist dir das System egal. Dann machst du so lange mit, bis du das Ding gegen die Wand fährst.

Das macht wenig Hoffnung auf ein Ende der europäischen Krise …

Die Krise hat viele Facetten, das macht es schwer, eine Lösung zu finden. Nehmen Sie die seltsame Rolle, welche die Deutschen darin einnehmen: Einerseits sind wir nach wie vor die Profiteure der Krise. Dennoch wünschen wir uns andererseits, dass die Krise behoben wird – auch damit die Länder, in denen es wirtschaftlich nicht so gut läuft wie bei uns, wieder mehr deutsche Produkte kaufen. Aber gleichzeitig sind wir nicht bereit, unser Verhalten zu ändern oder eine Lösung zu akzeptieren, durch die wir ernsthaft in die Pflicht genommen werden.

Zu dieser merkwürdigen Situation kommt noch unser gespaltenes Verhältnis zu Europa. Auf der einen Seite lernen wir bereits in der Schule das großartige europäische Erbe zu schätzen: die alten Griechen, die Aufklärung, die Gründung der Montanunion oder die Maastrichter Verträge. Uns wird erzählt, wie toll das alles ist und dass wir alle Europäer sind. Auf der anderen Seite fordert der bayerische Ministerpräsident, kaum steht eine Wahl an, eine PKW-Maut für „Ausländer“. Gemeint sind auch in diesem Fall wieder Europäer, nur sind das dann plötzlich ausländische Europäer. Diesem Muster folgen zahlreiche Politiker in Europa. Sie versuchen, nationale Interessen gegen die der EU durchzusetzen – und lassen sich feiern, wenn das gelingt. Erfolge werden nationalisiert, bei Misserfolgen die EU vorgeschoben. Da darf man sich nicht wundern, dass sich kein europäisches Bewusstsein entwickelt und schon gar keine Solidarität.

Plädieren Sie dann für eine Abschaffung der Nationen?

Ich habe einmal mit dem Schriftsteller Robert Menasse darüber diskutiert, ob man die Fußball-Europameisterschaft abschaffen soll. Er war der Meinung, dass durch einen solchen Wettbewerb, in dem sich die Nationen gegenüberstehen wie früher im Krieg, der europäische Gedanke zersetzt würde. Als großer Fußballfan wünsche ich mir natürlich, dass die Europameisterschaft auf gar keinen Fall abgeschafft wird, und habe deswegen versucht, Argumente für den Erhalt der Nationen zu finden.

Europa ist etwas viel zu „Teflonartiges“, Abstraktes, Ungreifbares, eine zu große Einheit, als dass sich ein europäisches Nationalbewusstsein entwickeln könnte. Als emotionale Identifikationsgröße finde ich die Nationen nach wie vor unverzichtbar. Und die Erfahrung lehrt ja auch, dass kleine Nationen hinsichtlich des Gemeinsinns und eines positiven Patriotismus besser funktionieren als große Länder. Dänemark ist ein sehr patriotisches Land, ohne dass es dazu tendieren würde, aggressiv zu sein. In Deutschland wäre das anders. Das liegt einfach daran, dass Deutschland aufgrund der Größe eigentlich eine Überforderung darstellt. Das ganze Gebilde ist sozusagen nicht mit Wärme gefüttert. In größeren Staatengebilden fehlt der echte Gemeinsinn und deswegen schlägt dann Patriotismus leicht in Nationalismus um. Insofern plädiere ich nachdrücklich dafür, dass wir die kleinen Bezugsgrößen erhalten, sie weiterhin pflegen und kultivieren.

Stichwort Überforderung: Oft hat man das Gefühl, dass die Menschen nichts gegen die EU haben, aber die Sympathien für sie doch stark unter den zahlreichen Regulierungen leiden. Täuscht der Eindruck, dass sich die europäischen Behörden vor allem mit Nebensächlichem beschäftigen?

Es ist in der Tat so, dass viele an die Normierung von Gurken oder Zuckertüten denken, wenn sie das Wort EU hören. Und da ist auch etwas dran. Man hat den Eindruck, dass das Projekt EU eine Gesamtstrategie vermissen lässt. So wurde beispielsweise auf der einen Seite der Euro eingeführt und eine vollständige Liberalisierung des EU-Binnenmarktes geschaffen, auf der anderen Seite hat man aber nicht für Mindeststandards auf den Arbeitsmärkten gesorgt oder an eine Harmonisierung der Finanzsteuersätze gedacht. So ist das Kapital immer in die Länder gegangen, wo man die geringsten Löhne und Steuern bezahlen muss. Diese Situation führte sofort zu einem Unterbietungswettbewerb der Länder beziehungsweise dazu, dass die großen Firmen die Regierungen erpressen konnten. Beides hätte nicht passieren dürfen.

»Europa ist etwas viel zu „Teflonartiges“, Abstraktes, Ungreifbares, eine zu große Einheit, als dass sich ein europäisches Nationalbewusstsein entwickeln könnte.«

Hätte man mit der Einführung des Euros auch die Finanztransaktionssteuer eingeführt und die Kapitalertragssteuern, die Körperschaftssteuern und die Vermögenssteuern auf europäischer Ebene homogenisiert, wäre es nicht zu einer Krise dieses Ausmaßes gekommen. Aber dafür hätte es zunächst eine klare politische Strategie gebraucht. Stattdessen hat man das gemacht, was das Kapital wollte. In den 90er-Jahren dachte man ja auch, dass erfolgreiche Wirtschaftspolitik automatisch eine gute Politik ist. Dass alles, was der Wirtschaft nutzt, am Ende jedem Menschen nutzt. Das war die politische Dummheit von Siegern nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus im Osten.

Aber spätestens mit Beginn der Krise im Jahr 2008 ist doch allen klar geworden, dass diese Politik gescheitert ist und man um Reformen nicht herumkommt.

Ich finde es katastrophal, dass man den Moment, als die europäische Schuldenkrise eskalierte und die Banken vor dem Kollaps standen, ungenutzt verstreichen ließ. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber zu diesem Zeitpunkt hätte man handeln müssen. Was tat man stattdessen? Man lobte die Kanzlerin dafür, dass sie auf Sicht fuhr, statt von ihr zu fordern, die nötige Weitsicht an den Tag zu legen.

Der Moment wurde verpasst.

Dann hat man sich gesagt: Uff, gerade noch einmal davongekommen, warum also etwas verändern? Und jetzt werden diese Phantastillionen gedruckt, mit denen placebomäßigdas System am Laufen gehalten wird.

Um zu vernünftigen Regelungen zu kommen, müssten sich alle Regierungschefs der EU an einen Tisch setzen und die nationalen Interessen hinter die gemeinsamen Interessen stellen. Wie realistisch ist das?

Natürlich würde ich mir wünschen, dass sich die europäischen Staatschefs einigen könnten. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass das nicht passieren wird. Deshalb muss man aber nicht gleich in Trauer verfallen, denn ich kenne keine große Errungenschaft – Abschaffung der Sklaverei und der Kinderarbeit, Gleichberechtigung der Frau und so weiter –, die durch das Treffen von 20 oder 30 Regierungschefs herbeigeführt wurde.

Deswegen bin ich ein Freund nationaler Alleingänge. Beispielsweise haben die Niederländer das Cappuccino-Modell für die Rentenversicherung eingeführt. Als dieses Modell dort zu ersten Erfolgen führte, hat man sich auch in anderen Ländern getraut, es aufs Tapet zu bringen. Was dabei herausgekommen ist, steht auf einem anderen Blatt, aber das Beispiel zeigt, dass Veränderungen sehr wohl möglich sind, wenn einer den ersten Schritt gemacht hat.

Können solche Alleingänge aber nicht nur die absolute Ausnahme sein? Würde nun die Bundesregierung tatsächlich eine Finanztransaktionssteuer einführen, haben bereits etliche Bankvorstände angekündigt, den Firmensitz nach London zu verlegen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass der gesellschaftliche Aufschrei, den dies zur Folge hätte, die Banken zum Bleiben animieren würde, man müsste diesen „Vaterlandsverrat“ nur hinreichend medial skandalisieren.

Außerdem besteht doch weithin Einigkeit darüber, dass Banken mit Kundengeschäft nicht gleichzeitig im Investmentbanking tätig sein dürfen. Da aber das Investmentbanking sowieso schon in London sitzt und das Kundengeschäft der deutschen Banken in Deutschland stattfindet, wäre eine solche Trennung ziemlich unproblematisch zu vollziehen.

Insofern müssen wir uns gar keine Sorgen machen. Diese ganze Rhetorik dient nur dazu, uns Angst einzujagen. Genau wie bei der Atomkraft, wo es auch immer hieß, dass die Lichter ausgehen, wenn wir die Atomkraftwerke abschalten.

Brauchen wir dann Europa, verstanden als politische Einheit, überhaupt noch?

Selbstverständlich. Nur darf uns die derzeitige Situation nicht als Ausrede dienen, um gar nichts mehr zu versuchen, was uns wichtig und richtig erscheint. Natürlich wäre es ungleich einfacher, die bereits angesprochenen Regulierungen auf europäischer Ebene vorzunehmen. Manchmal gibt es gar keine andere Möglichkeit, als transnationale Regelungen zu finden: Ich spreche von Steuerhinterziehung im ganz großen Stil, verbunden mit einer Machtkonzentration von gewaltigem Ausmaß; ich spreche von Unternehmen wie Google, Amazon oder Apple, die zwar Gewinne in Milliardenhöhe machen, aber weltweit so gut wie keine Steuern zahlen. Weil diese Unternehmen transnational aufgestellt sind, können sie sich den nationalen Behörden relativ leicht entziehen. Nun sind Steuern das eine, noch bedenklicher ist jedoch, dass diese riesigen, digitalen Supermächte neben der NSA weltweit über die größten Datenmengen verfügen. Die Regulierungsbehörden wissen weder, um welche Daten es sich handelt, noch wofür sie verwendet werden. Wenn man sich vergegenwärtigt, was Google über seine ganzen Dienste tagtäglich an Daten sammelt und dann erfährt, dass Google bereits über eine Banklizenz verfügt, dann könnte man glatt zum Verschwörungstheoretiker werden. Die digitalen Supermächte können wir nur durch ein geeintes Europa in ihre Schranken weisen.

»Ich bin ein Freund nationaler Alleingänge.«

Am 19. Dezember 2012 hat das Verfassungsgericht Sloweniens beschlossen, dass ein Referendum über die Einrichtung einer Bad Bank verfassungswidrig wäre. Damit wurde faktisch eine Volksabstimmung über diese Angelegenheit verboten. Bei aller berechtigten Kritik an der Kompetenzüberschreitung des Verfassungsgerichts: Könnte das Misstrauen gegenüber der Fähigkeit der Bevölkerung, über ökonomische Maßnahmen von großer Tragweite zu entscheiden, nicht auch gerechtfertigt sein?

Wir haben uns in den letzten zehn Jahren sehr in den Gedanken verliebt: Je mehr Demokratie, desto besser; und: Je mehr Transparenz, desto besser. Was Transparenz anbelangt, war ich allerdings schon immer der Meinung, dass sie eine zerstörerische Seite hat. Ich finde, es gibt auch ein Recht auf Geheimnisse. Insofern haben wir es mit den Forderungen nach mehr Transparenz sicherlich übertrieben, zumal es ein Irrglaube der „Piraten“ ist, man könne die Forderung nach einer völligen Transparenz aller politischen Vorgänge von der monströsen Forderung nach einer völligen Transparenz von Personen trennen. Es gehört aber zu jeder gesellschaftlichen Umbruchbewegung, dass man die Wirksamkeit des Medikaments, von dem man sich Heilung verspricht, zunächst gnadenlos überschätzt. So war das im Fall der Aufklärung mit der Vernunft. So war das im Fall des Marxismus in Bezug auf die revolutionäre Kraft des Proletariats. Und so war das bei der Piratenpartei, die Transparenz für das Allheilmittel gehalten hat. Das Gleiche gilt auch für direkte Demokratie. Zumal die direkte Demokratie ganz unterschiedliche Formen annehmen kann. Wenn beispielsweise Angela Merkel ihre Politik ständig nach den neuesten Meinungsumfragen ausrichtet, ist das so etwas wie eine pausenlose Volksabstimmung. Dessen ungeachtet haben Volksabstimmungen gleichwohl einen Nutzen: Im Zuge der Meinungsbildung ist die Bevölkerung gezwungen, sich mit einem bestimmten Thema auseinanderzusetzen. Das ist ein wichtiger pädagogischer Effekt.

Allerdings kann man nicht erwarten, dass sich jeder ständig mit politischen Themen auseinandersetzt. Nach einem Zwölf-Stunden-Tag kann man sich nicht auch noch um politische Dinge kümmern. Wenn die Leute nur noch vier Stunden am Tag arbeiten würden, dann könnte man von ihnen erwarten, sich über politische Themen eine Meinung zu bilden, dann könnte man die Bürger sogar dazu verpflichten, an Abstimmungen teilzunehmen.

Die Politik, von der die Bürger direkt betroffen sind, findet in den Kommunen statt. In den skandinavischen Ländern haben die Kommunen eine viel wichtigere Rolle als in Deutschland. Es zeigt sich, dass die Bürger sich dort politisch stärker einbringen. Muss die Rolle der Kommunen gestärkt werden?

Auf jeden Fall. Im Prinzip müsste man in vielen Bereichen sagen: weniger EU, weniger Bund, weniger Länder, mehr Kommunen. Wenn das nicht passiert, verkommt unsere Gesellschaft zu einer repräsentativen Bürokratie.

Nun gehört Bürokratieabbau nicht zu den Aufgaben, die leicht zu lösen sind. Da durch die EU eine neue Ebene hinzugekommen ist, wäre esdoch nur konsequent, dass man eine andere Ebene streicht. Würden sich da nicht die Bundesländer anbieten?

Ich mag die Vorstellung, dass man den Bundesrat auflöst und durch einen Städtetag ersetzt, dass also der Bund seine Entscheidungen mit den Oberbürgermeistern und Landräten abstimmen muss, die diese am Ende größtenteils umzusetzen haben. Das bedeutet aber nicht, dass man deswegen auch die Länder auflösen muss. Meinetwegen kann man die Länder als folkloristische Einheiten bestehen lassen. Von mir aus können sie sich nach wie vor um die Polizei oder die Kirchen kümmern. Aber im Grunde genommen sollten die Abgeordneten des Bundestages sowie der Landtage für alles, was sie machen, die Zustimmung der Kommunen gewinnen müssen.

»Weniger EU, weniger Bund, weniger Länder, mehr Kommunen.«

Wir erleben in den letzten Jahren eine dramatische Zunahme von Anforderungen an ein System, das für eine Welt weit geringerer Komplexität entworfen wurde. Diese Anforderungen sind beispielsweise aus der Globalisierung, ökologischen Entwicklungen und dem höheren Tempo der medialen Berichterstattung erwachsen. Und die Komplexität wird weiter steigen. In einer Zeit, in der sich Situationen so schnell ändern wie heute, in der nur noch Politikertypen wie Angela Merkel Erfolg haben können, die nirgendwo anecken, aber auch keinen echten Standpunkt beziehen, keine Haltung mehr haben, kann es nur einen Ausweg aus dieser Situation geben: Wir müssen auf der einen Seite Europas Exekutive stärken und auf der anderen Seite so viel wie möglich an die Kommunen auslagern. All das wird aber sinnlos sein, wenn es uns nicht gelingt, ganz viele junge Leute miteinzubeziehen, die mit guten Ideen und viel Idealismus daran arbeiten.

Mit anderen Worten: Politik muss attraktiv werden. Der coolste Job überhaupt müsste derjenige des Kommunalpolitikers sein.

Im Augenblick ist das schwer vorstellbar. Im Prinzip aber: ja.

Man hat doch auch aus Cowboys Helden gemacht, was nicht selbstverständlich ist bei Typen, die Kühen hinterherreiten.

Der Bürgermeister einer Kleinstadt als der neue Marlboro-Mann? Warum nicht? Aber um das zu werden, braucht er mehr Weite, mehr Prärie, weniger Zäune. Mit anderen Worten: mehr Gestaltungsspielraum.

Vielen würde es schon reichen, wenn sich mehr glaubwürdige, authentische Persönlichkeiten in der Politik fänden.

Das bereitet mir eher Sorgen. Nehmen wir das Beispiel Karl-Theodor zu Guttenberg. Er war natürlich kein authentischer Mensch, dafür aber jemand, der Authentizität perfekt simulieren konnte. Er war einer, der selbst keine eigenen Überzeugungen hatte und deswegen immer als Überzeugungstäter auftreten konnte. Gleichzeitig konnte er auf eine enorme mediale Unterstützung zählen. Wenn die wirtschaftliche Lage schlecht wäre, würde durch simulierte Authentizität gleich ein „Heiland“ bereit stehen, der dieses Vakuum ausfüllen würde.

Wäre es dann nicht an der Zeit, selbst aktiv zu werden? Warum gehen Sie nicht in die Politik?

Das ist völlig ausgeschlossen. Man darf auch eines nicht vergessen: Die kritische Intelligenz in Deutschland traut sich wechselseitig nicht über den Weg. Der Eifersuchtsfaktor, der Neid, die Missgunst sind innerhalb der kritischen Intelligenz enorm hoch – im Gegensatz übrigens zum konservativen Milieu, das sehr viel geschlossener auftritt. Man würde also nicht nur permanent von der kritischen Intelligenz beschossen werden, sondern müsste sich auch noch gegen die Rechtspopulisten stemmen. Hinzu kommt, dass es heute in der Politik darum gehen müsste, auch einmal unkonventionelle Dinge zu tun. Aber dadurch würde man sich in einer ohnehin schon bedrängten Position noch angreifbarer machen und schließlich von der Mainstream-Presse schneller abgeschossen werden, als man gucken kann.

Ist das aber nicht immer die Situation derjenigen, die Reformen durchsetzen wollen? Muss man es nicht dennoch versuchen, auch oder gerade, weil es unmöglich erscheint?

Das würde nichts nützen, weil nicht die Personen das Problem darstellen, sondern die politischen Ämter ihren Sinn und Zweck verloren haben. Ein Beruf wie derjenige des Bundeskanzlers funktioniert heute einfach nicht mehr. Das Gleiche gilt auch für die Minister oder den europäischen Kommissionspräsidenten und viele andere. Und deswegen passiert es ja auch, dass Leute, die man sympathisch findet oder von denen man eine gute Meinung hat, zur Enttäuschung werden, sobald sie ein politisches Amt innehaben. Aber ist das eine Überraschung, wenn mit diesem Job ein 16-Stunden-Tag verbunden ist, der damit ausgefüllt wird, dass dauernd Probleme an dich herangetragen werden und du auch noch ständig den Kopf in die Kamera halten musst, um dich bestmöglich zu vermarkten? Da bleibt von deinen ursprünglichen Ideen, deinem Selbstverständnis und deinen Werten nicht viel übrig. Die Quantität der Ansprüche zersetzt die Qualität der eigenen Haltung sehr schnell.

Auch wenn das heute selbstverständlich erscheint: Ist das nicht Wahnsinn? Man kann doch unmöglich eine verantwortungsvolle Position wahrnehmen, wenn man von früh bis spät im Hamsterrad steckt.

Wie oft hat man Adenauer im Fernsehen gesehen? Wie viele Interviews hat er im Monat so gegeben? Da muss man nicht lange zählen. Transparenz? Bei Adenauer war es dunkel. Was da hinter den Kulissen alles ausgehandelt wurde, das wusste keiner. Aus unserer heutigen Perspektive war das vordemokratisch. Aber mit dem Vorteil, dass die Politiker nicht diesem enormen medialen Druck ausgesetzt waren, dass man tatsächlich noch hochbetagt Bundeskanzler sein konnte. Tatsächlich verbringt ein Politiker 95 Prozent seiner Zeit damit, Ideen zu vermarkten und nicht damit, Ideen zu generieren und diese gegeneinander abzuwägen. Eigentlich bräuchte man nicht einen Kanzler, sondern fünf oder sechs. Die Politiker bräuchten viel mehr Muße, viel mehr Zeit zum Nachdenken – übrigens eine
zentrale Forderung schon von Platon und Aristoteles.

Ein Europa der Muße scheint heute aber weniger realistisch denn je. Insofern scheint auch keine realistische Chance auf einen Wandel zu bestehen, der die Grundlage dafür schaffen würde, Europas drängende Probleme in den Griff zu bekommen. Muss man sich also an Che Guevaras Worte halten: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche“?

Das Interview führten Frank Augustin und Wolfram Bernhardt.
Das Interview führten Frank Augustin und Wolfram Bernhardt vom Magazin agora42.

Wenn Verhältnisse, die wir aus guten Gründen in unserer Gesellschaft für „gut“ halten – unsere Demokratie, die Gewaltenteilung, die verfassungsrechtlich garantierte Chancengleichheit, die soziale Absicherung, das Selbstbestimmungsrecht etc. –, die gleichen bleiben sollen, müssen sie sich in ihrem Zuschnitt ändern. Weil nämlich die Welt sich drumherum ändert. Das ist etwas, was viele Menschen nicht verstehen, deshalb haben sie Angst vor großen Veränderungen. Menschen, denen es recht gut geht, befürchten immer, dass Veränderungen die Dinge schlechter machen. Sie suchen deshalb keine Ziele, sondern Gründe gegen Veränderungen. Darin sind wir Weltmeister. Am Ende gibt es dann doch große Veränderungen, die aber nicht wir beschlossen haben, sondern die vor allem der technische Fortschritt schafft. Und dann stehen wir hilflos davor: entfesselte Geheimdienste, unkontrollierter Hochfrequenzhandel an den Börsen, digitale Supermächte ohne Kontrolle. Und wir fragen uns: Warum hat das keiner kommen sehen? Warum gibt es keine vorausschauenden Debatten? Warum kontrolliert das keiner? Der Spruch von Che Guevara könnte heute der Slogan von Google sein. Das darf nicht sein. Wir müssen das „Unmögliche“ wieder in die Politik holen!

Herr Precht, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

agora42 ist das philosophische Wirtschaftsmagazin. Die Themenhefte widmen sich den großen Fragen der Ökonomie wie etwa Wachstum, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit oder Geld – anspruchsvoll und verständlich. Ökonomie ohne Philosophie ist leer. Denn was ist der menschliche Bedarf? Wer bestimmt die Ziele? Was ist Wohlstand? Geht es auch ohne Wachstum? Philosophie hingegen, die sich um die ökonomischen Gegebenheiten nicht schert, ist blind für das tatsächliche Leben der Menschen. agora42 ist die unabhängige Plattform für Positionen, Austausch und Visionen. Die aktuelle Ausgabe ist dem Thema EINFACH LEBEN gewidmet. Mehr Infos unter: agora42.de 
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Fotos: Janusch Tschech

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agora42 ist das philosophische Wirtschaftsmagazin und erscheint seit 2009 in Stuttgart im eigenen Verlag. Das Magazin schließt die Lücke zwischen Ökonomie und Philosophie, macht Zusammenhänge deutlich und gibt Raum für drängende Fragen in turbulenten Zeiten. agora42 befasst sich mit den großen ökonomischen und gesellschaftlichen Themen wie Wohlstand, Wissen, Wachstum, Gerechtigkeit, Innovation, Nachhaltigkeit, Arbeit oder Freiheit – mit jenen Bereichen also, für die wir neue Ideen und Ansätze entwickeln müssen.

  1. Christa M. Lorei

    Das ist wohl das verständlichste, unterhaltsamste, ehrlichste, unaufgeblasenste und realistischste Interview, das ich zum Thema Europa seit langem gelesen habe – und ich habe es gelesen, ohne abzuschweifen oder abzukürzen. Kein Wunder, dass R.D. Precht bei vielen, die sich und Anderen etwas vormachen, ziemlich unbeliebt ist. Gratulation!
    Christa M. Lorei (Jahrgang ’46 )

  2. Jaja, der 16-Stunden-Tag der Politiker. Ganz so schlimm kann es ja nicht sein, wenn selbst führende Bundestagsabgeordnete noch genug Zeit haben, mit Nebenbeschäftigungen jedes Jahr ein Vermögen hinzu zu verdienen. Beispiele aus Handelsblatt online vom 03.08.2017: Heinz Riesenhuber (CDU): 350.000 bis 500.000 EUR. Dagmar Wöhrl (CSU): 617.000 bis 900.000 EUR. Stephan Harbarth (CDU): vermutlich rund 1.000.000 EUR. Alles nur geschätzt natürlich, da es ja nur gestaffelte Auskunftspflichten gibt.

    Nicht, dass das jetzt falsch rüberkommt – ich gönne jedem den von ihm erarbeiteten Lohn. Wer viel arbeitet, soll von mir aus auch viel verdienen. Aber unsere Politiker müssen ja manchmal noch nicht einmal offenlegen, woher das Geld letztlich stammt. So kann ein Bundestagsabgeordneter eine Million pro Jahr als Rechtsanwalt hinzuverdienen ohne sagen zu müssen, welche Interessen er in diesem Job vertritt. Der mutmaßliche Interessenkonflikt ist für jeden ersichtlich. Oder anders gesagt: Der Verdacht von Korruption liegt auf der Hand. Und solange die Wähler solche Dinge dulden, muss man sich nicht wundern, warum die Autoindustrie ungestraft betrügen darf, warum sich die Energiekonzerne viel zu billig aus der Verantwortung für den Atommüll freikaufen können, warum die Agrarkonzerne ungestört Massentierhaltung, Antibiotikamißbrauch und Wasserverseuchung betreiben können. Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen.
    Als einer der Großverdiener galt übrigens immer Peter Gauweiler (CSU), der bis zu seinem Mandatsverzicht in 2015 auch immer wieder ungeklärte Nebeneinkünfte von ca. 1.000.000 EUR hatte. Im Bundestag war er eher selten anzutreffen. Laut Wikipedia fehlte er in der Legislaturperiode bis 2013 bei der Hälfte aller Abstimmungen.

    Ganz bestimmt ist Spitzenpolitiker kein Job zum Däumchen drehen. Aber dass die Herrschaften sich 16 Stunden am Tag für uns ein Bein ausreißen, gehört nun wirklich ebenso ins Reich der Märchen. Das sollte Herr Precht also noch einmal neu recherchieren.

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