Drei Männer stehen auf einem Gerüst vor einem Haus und bearbeiten die Hauswand.

“Die Wohnungskrise lösen wir ganzheitlich – und bitte nachhaltig!”

Ökostandards und Kosten runter – und fertig ist das Konzept gegen die Wohnungsnot? Das ist leider zu kurz gedacht. Sozial und nachhaltig: Beides ist auch beim Bauen möglich. Es ist sogar in großem Maßstab anwendbar.

Von Aysel Osmanoglu, Vorständin der GLS Bank

Das Foto zeigt GLS Bank Vorständin AyselOsmanoglu.
Aysel Osmanoglu, Vorständin der GLS Bank

Es fehlen 700.000 Wohnungen, die Zinsen sind gestiegen und in der Baubranche kriselt es. Also will die Politik der Branche das Errichten der vielen benötigten Wohnungen leichter machen und weicht auch die ökologischen Standards beim Bauen weiter auf. Ich glaube, dass das nicht weit genug gedacht ist.

Ja, wir brauchen genügend bezahlbaren Wohnraum. Es gibt jedoch Wege, die zum Ziel führen und gleichzeitig sozial und nachhaltig sind.

Der Gebäudesektor verursacht 40 Prozent der CO2-Emissionen weltweit. In Deutschland wird er wie der Verkehr sein Sektorziel für 2030 nicht erreichen. Wie heute gebaut wird, ist entscheidend für die Klimaziele und damit für die Zukunft kommender Generationen.

Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2021 die Politik ermahnt, die Klimaziele mit mehr Ehrgeiz zu verfolgen, um der Jugend keine unlösbare Bürde zu hinterlassen.

In der Kolumne “Tacheles!” auf www.klimareporter.de kommentieren Mitglieder des Klimareporter-Herausgeberrates in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen. Aysel Osmanoglu gehört dem Herausgeberrat seit Ende 2022 an und steuert seitdem den einen oder anderen Impuls bei.

Kernbranche der GLS Bank: Wohnen

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Die GLS Bank unterstützt es deshalb als eine Kernbranche. Wie wir Quartiere gestalten, wie wir städtischen Raum strukturieren und Ressourcen nutzen, wie die Eigentumsverhältnisse gestaltet sind – all das beeinflusst, ob wir damit auch die sozialen Fundamente unserer Gesellschaft stärken und Gemeinschaft fördern.

Deshalb ist es wichtig, der Wohnungsnot mit integrativen Konzepten zu begegnen. Sie sollten Energieversorgung, zukunftsweisende Verkehrsplanung und Ernährung, Zugang zu Bildung und Teilhabe an Kultur sowie zirkuläres Bauen umfassen. Es fängt damit an, dass wir eine positive Vision für Städte und Wohngebiete formulieren.

Investitionen prägen Strukturen

Die Rolle von Banken dabei ist, diesen Weg über ihre Investitionen konstruktiv zu gestalten. Wohin Kredite fließen, beeinflusst die Raumstrukturen und Folgeinvestitionen von heute und morgen.

Unsere Bank orientiert sich seit fast 50 Jahren bei ihren Finanzierungen ausschließlich an menschlichen Grundbedürfnissen und schaut dabei nicht auf den maximalen monetären Gewinn. Die Bank ist nur ein Instrument, um das menschliche Wohlergehen zu fördern. Spekulation mit Grund und Boden und mit Immobilien dient dem nicht.

Finanzierungskriterien sind klarer Rahmen

Wir haben für uns einen klaren Rahmen entwickelt, an dem wir uns bei unseren Finanzierungen orientieren. Zusammen geben diese Kriterien viele Hinweise darauf, welche Qualitäten Raumstrukturen erfüllen sollten. Dazu gehören ein Wohnen, das sozialen wie ökologischen Ansprüchen genügt, eine bürgernahe, regenerative Energieversorgung, eine regionale und biologische Lebensmittelversorgung sowie eine Verkehrswende.

Beim Wohnen werden wir den Ansprüchen gerecht, indem wir beim Bauen den Ressourcenverbrauch minimieren, soziale Vielfalt in Quartieren fördern, Mitbestimmung und Nutzungsrechte einräumen. Das funktioniert besonders gut in Genossenschaften.

Beim Neubau spielen zum Beispiel Holz und Lehm als nachwachsende Rohstoffe eine wichtige Rolle. Es gilt zudem: Bestandssanierung kommt vor Neubau.

Genossenschaften bieten Zusammenhalt

Man mag einwenden, das sei eine Utopie angesichts von explodierenden Mieten und Wohnungsmangel. Meine Erfahrung zeigt: Nein. Es ist manchmal mühsam, aber das Ergebnis bringt nur Gewinner*innen hervor. Die Menschen sind froh, Teil solcher Projekte zu sein.

Einige Beispiele: Bei zwei Dritteln der von uns finanzierten Wohneinheiten liegen die Mieten unter dem Durchschnitt. 57 Prozent enthalten solidarische Angebote für Menschen mit geringen Einkommen. In Gemeinschaftsprojekten gibt es eine große Flexibilität, Wohnraum je nach Lebensphase zu verändern. Genossenschaften bieten Zusammenhalt in der Gemeinschaft bis hin zu Sharing Economy.

Unterschiedliche Bedürfnisse, mehrere Lösungswege

Selbstverständlich ist das nicht der einzig richtige Weg oder Zustand. Den Weg – oder auch mehrere Wege – können wir nur gemeinsam finden, im Gespräch, unter Einbezug aller Menschen und Gruppen und ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse an Raumstrukturen.

Wir müssen dahin kommen, Gemeinschaften – Bürger*innen und Unternehmen – wieder zuzutrauen, sich selbst zu organisieren, gemeinsam Regelungen zu treffen und die Nutzung von Raum eigenständig zu koordinieren. Nicht nur Privateigentum und staatliche Regulierungen sind gute Lösungen zur Organisation von Raum und zur Schaffung von Wohnraum.

Diese Prozesse müssen von Grund auf demokratisiert werden. Viele Kommunen gehen richtige Schritte, wenn sie Bürgerbeiräte oder einzelne Quartiersgemeinschaften stärker in die Planung einbeziehen.

Die Politik tut also gut daran, die Not ganzheitlich zu betrachten und als Chance zu begreifen, für uns und mit uns Bürger*innen gute Lebensräume zu schaffen.

Dieser Beitrag von Aysel Osmanoglu ist am 7. Oktober 2023 auf den Seiten der Klimareporter° veröffentlicht worden.

 

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Die eigenen vier Wände: 11 Tipps für nachhaltiges Wohnen

  1. Tilman Kluge

    Schöne Worte. Und wie wird es konkret?

  2. Luftentfeuchter-Experten

    Aysel Osmanoglus Ansatz zur Lösung der Wohnungskrise durch integrative, soziale und nachhaltige Konzepte ist beeindruckend. Besonders hervorzuheben ist die Idee, dass Wohnen nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern auch ein soziales Fundament unserer Gesellschaft ist. Die Betonung der Rolle von Banken und Investitionen in der Gestaltung von Raumstrukturen ist ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird. Es wäre interessant zu erfahren, wie die GLS Bank konkret die Balance zwischen ökonomischer Rentabilität und sozial-ökologischer Verantwortung in ihren Finanzierungsprojekten hält. Gibt es spezifische Beispiele, wo diese Prinzipien erfolgreich umgesetzt wurden? Wie können andere Finanzinstitutionen diesem Modell folgen, ohne ihre Profitabilität zu gefährden? Dieser Artikel öffnet die Tür für eine tiefere Diskussion über die Rolle des Finanzsektors in der nachhaltigen Stadtentwicklung.

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