Der kritische Blick von außen – Einblicke in die Arbeit des GLS Anlageausschuss

Der GLS Bank Anlageausschuss ist seit vielen Jahren eine wesentliche Säule im strengen Auswahlverfahrens des GLS Investmentfondsgeschäfts. Nur Titel, die von den sechs externen Expert*innen sowie den zwei internen Mitgliedern für gut empfunden werden, dürfen in das Anlageuniversum. Mehrmals im Jahr tagt das Gremium und diskutiert über Titelvorschläge und aktuelle Investmentthemen. Doch wie genau arbeitet es? Wer sind die Menschen, die diesen Ausschuss prägen? Was treibt sie an? Wie erleben sie die Arbeit?

GLS Anlageausschuss Antje Schneeweiß
Antje Schneeweiß

Dazu haben wir zwei Mitglieder befragt, die von Anfang an dabei sind und mit ihrem Erfahrungs- und beruflichen Hintergrund unterschiedliche Sichtweisen in die Ausschussarbeit einbringen. Antje Schneeweiß ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im SÜDWIND-Institut und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen rund um den Nutzen und die Wirkung nachhaltiger Geldanlagen, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Als Mitglied im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung prägt sie die aktuelle Debatte aktiv mit. Sebastian Büttner ist Projektberater und Diplom-Ingenieur für Umwelttechnik und setzt dagegen in der Diskussion die technische Brille auf.

Liebe Frau Schneeweiß, lieber Herr Büttner, seit vielen Jahren prägen Sie die Diskussionen im GLS Anlageausschuss mit. Was hat Sie damals eigentlich bewogen, in das Gremium zu gehen?

Büttner: Das hat eine lange Vorgeschichte. 1989 machte ich eine kleine Studie zu grünen Geldanlagen. Damals hat das fast niemanden interessiert. Als die Studie erschien, überlegte die Ökobank, einen Aktienfonds aufzulegen. Und so gelangte ich schnell in den Beirat dieses Fonds. Als dann die Anfrage kam, dem GLS Anlageausschuss beizutreten, war ich gerne dazu bereit. Denn als langjähriger Kunde der GLS Bank gilt mein Interesse wirklicher nachhaltiger Wirtschaft. Den Anlageausschuss sehe ich dabei als ethisch-ökologisches Gewissen der GLS Bank.

Schneeweiß: Ich habe anfangs etwas gezögert, als ich damals gefragt wurde. Schließlich war ich schon in vielen Ausschüssen vertreten. Nach einiger Bedenkzeit habe ich doch zugesagt, weil der Ausschuss etwas Besonderes ist. Kein Anbieter am Markt geht mit einem so hohen Anspruch an das Wertpapiergeschäft heran wie die GLS Bank.

Gibt es denn Themen, auf die Sie besondere Wert in der Diskussion legen?

Schneeweiß: Mir liegen menschenrechtliche und soziale Aspekte am Herzen, an denen ich ja auch im Institut arbeite. Beispiele wären die Textilwirtschaft, tropische Früchte und Metalle.

Büttner: Aufgrund meiner Profession habe ich immer Wert auf technische Prozesse gelegt, wie Stoffströme sind und frage mich dabei immer: Ist die Produktionsmethode tatsächlich nachhaltig? Im Laufe der Zeit habe ich auch einen Fokus auf Elektromobilität gelegt.

Wie setzen Sie dies in der Ausschusssitzung dann um? Wie können wir uns die Diskussion vorstellen?

GLS Anlageausschuss Büttner
Sebastian Büttner

Büttner: Wir arbeiten ja bereits lange zusammen und ich schätze die Expertise der weiteren Mitglieder sehr. Wenn man dabei gut zuhört, erkennt man auch die andere Sichtweise. Unser Chemiker Dr. Rolf Buschmann betrachtet mehr die Umweltauswirkungen, Caroline Kremer nimmt auch einmal die Banksicht ein und Prof. Dr. Christian Berg ordnet alles in eine Makroperspektive ein. Dadurch können wir ein ganzheitliches Bild formen. Natürlich wird der eigene Blickwinkel auch einmal engagiert vertreten. Das ist ein Qualitätsmerkmal! Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht, wie viel Qualität die kontroverse Diskussion ergibt.

Gibt es denn dabei das Unternehmen, das rundum nachhaltig ist?

Schneeweiß: Die Praxis zeigt: Es gibt kein leuchtend strahlendes Unternehmen aus Nachhaltigkeitssicht. Ein Problem gibt es immer. Bei dessen Diskussion geht es immer um eine Werteentscheidung. Genau aus diesem Grund bin ich eine absolute Verfechterin von Gremien. Die nachhaltige Qualität von Unternehmen kann nicht so berechnet werden wie der Umsatz oder Gewinn, sondern erfordern eine Abwägung von Argumenten. Dies lässt sich nur im Gremium lösen.

Können Sie hierfür Beispiele nennen? Bei welchen Branchen gibt es den meisten Diskussionsbedarf?

Schneeweiß: Es gibt immer wieder Kontroversen im IT-Bereich. Dort bestehen häufig sehr komplizierte Geschäftsmodelle. Es stellt sich die Frage: Inwieweit ist der Datenschutz gewährleistet? Ein anderes gutes Beispiel ist die Papierproduktion. Reicht FSC-zertifiziertes Holz oder muss das Unternehmen Papier auch recyceln? Ebenso schwierig ist die Bewertung von Banken und Versicherungen. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Bei jedem Unternehmen schaue ich zudem, ob es menschenrechtliche Probleme in der Lieferkette gibt. Deswegen bestehen Textil- oder Bergbauunternehmen die Prüfung generell nicht.

Büttner: Neben technischen Branchen muss man bei der Finanzindustrie so kritisch wie irgendwie möglich draufschauen. Denn die Industrie ist sehr gut in der Außendarstellung und mit Verweis auf das Bankgeheimnis, ist Intransparenz in ihrem genetischen Code. Die GLS Bank hingegen ist hier Vorreiterin bei der Veröffentlichung ihrer Kredite und Eigenanlagen.

Und bei Unternehmen?

Büttner: Ein Beispiel, das mir einfällt, ist Tesla. Dies wurde anfangs positiv bewertet, kippte dann aber ins Negative. Als Techniker war ich bei Aufnahme überzeugt: Tesla verfolgt ein Ziel, das ich unterstütze, nämlich die Umstellung auf CO2-freie Mobilität. Im Laufe der Zeit hat sich die Einschätzung des Gremiums verändert. Es gibt eine Datensammelwurt durch vernetzte Fahrzeuge und fragwürdige Arbeitsstandards. Deswegen wurde es ausgeschlossen. Doch Tesla hat einen unglaublichen Wandel in der Branche bewirkt.

Das sind doch sehr detaillierte Debatten. Wie schaffen Sie es, so in der Tiefe zu diskutieren?

Schneeweiß: Hier ist es wichtig, dass wir durch das interne Nachhaltigkeitsresearch der GLS Bank sehr gut vorbereitet werden. Es muss in der Bank ein Wissen existieren, was für eine fundierte Werteentscheidung notwendig ist. Die Mitarbeiter der Bank müssen dazu sprechfähig sein. Dies wurde bei der GLS Bank erfolgreich aufgebaut. Insgesamt bin ich damit sehr zufrieden.

Büttner: Hier hat sich in der Tat eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem GLS Nachhaltigkeitsresearch entwickelt. Die Vorlagen haben eine sehr hohe Qualität mit breit recherchierten Informationen. Ganz klasse finde ich, dass das Research auch bereit ist, aus den gemeinsamen Diskussionen zu lernen. Sie verstehen genau, welche Einschätzung wir brauchen. Damit haben wir eine sehr gute Arbeitsgrundlage.

Es gibt unzählige Nachhaltigkeitsfonds. Woran erkennt ein Anleger eigentlich einen guten Fonds?

Schneeweiß: Zunächst sollten Anleger sich sehr genau die Anlagekriterien anschauen und hinterfragen, was sie genau bedeuten. Es muss unbedingt Ausschlusskriterien geben. Auch sollte klar sein, woher das Nachhaltigkeitsresearch kommt und welche internen Kapazitäten die Bank dazu aufgebaut hat. Als Sahnehäubchen gewissermaßen sollte dann ein Anlageausschuss etabliert sein. Solch ein Gremium haben nur sehr wenige Anbieter am Markt.

Künftig will der Gesetzgeber definieren, was ein nachhaltiges, zumindest grünes Investment ausmacht. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein? Hat es Einfluss auf Ihre Arbeit?

Büttner: Ich sehe diese Entwicklung eher skeptisch. Der Finanzmarkt ist ein träger Tanker, der sich nicht leicht umsteuern lässt. In der Regulierung ist das Makroskop, der ganzheitliche Blick, verloren gegangen. Es gibt eine unglaubliche Detailregulierung, v.a. für Banken, die sich negativ auf kleine Unternehmen auswirkt. Denn vor lauter Vorschriften lohnen sich Kredite für Kleinunternehmen nicht mehr. Hier bricht ein altbewährtes Finanzierungsinstrument weg. Häufig ist dies ein systematischer Nachteil für Start-Ups und eine Verzerrung zugunsten alter, dreckiger Geschäftsmodelle. Überspitzt gesagt: Eigentlich bräuchte man Mikrofinanz für Europa.

Schneeweiß: Die gesetzliche Regulierung beeinflusst meine Arbeit sehr stark. Derzeit ist schwer abzusehen, was von all den Vorschlägen umgesetzt wird. Frankreich will z.B., dass Kernkraft als nachhaltig angesehen wird. Das wäre in Deutschland nicht vermittelbar. Auch wird derzeit nur die Nische reguliert. Technisch sind viele Vorschläge noch nicht umsetzbar, weil Informationen fehlen. Der Fokus liegt ja nicht auf der Förderung der nachhaltigsten Branchen, sondern darauf, CO2-intensive Branchen grüner zu machen. Die GLS Bank muss sich sicherlich weniger Sorgen machen, wenn sie klar darstellt, dass sie weiter geht als die angedachte gesetzliche Definition.

Nach vorne geblickt: Gibt es auch etwas, was der Anlageausschuss besser machen kann?

Büttner: Zwei Themen fände ich spannend: Zum Einen könnte im Anlageausschuss der Bereich Zivilgesellschaft noch besser abgedeckt werden durch Bewegungen wie Extinction Rebellion oder Fridays for Future. Sehr viele junge Menschen begreifen, dass Änderungen notwendig sind. Sie würden frischen Wind in die Diskussion hineinbringen. Wichtig wäre dabei, dass sie die Bereitschaft und das Interesse haben, die Wirtschaft ethisch-ökologisch zu verändern. Sie haben doch einen viel besseren Blick für die schlagartigen Veränderungen, der uns Älteren häufig verloren gegangen ist. Zum Zweiten können wir noch mehr diskutieren: Welche Geschäftsmodelle brauchen wir, um nachhaltig zu wirtschaften? In der Digitalwirtschaft gibt es erste Debatten, z.B. zur Gemeinwirtschaft. Dies lässt sich ausbauen.

Schneeweiß: Dem Vorschlag, jüngere Aktivisten in die Diskussion einzubeziehen, schließe ich mich voll und ganz an. Ganz praktisch gesprochen würde ich mich zudem über mehr Diskussion zu Branchen insgesamt freuen, da hier ein besserer Vergleich zwischen Unternehmen möglich ist.

Gibt es noch eine Botschaft, die Sie den Leser*innen mitgeben möchten?

Büttner: Wir sollten uns tunlichst auf große und tief gehende Umwälzungen einstellen. Große, alte Industrien wie die konventionelle Auto- oder fossile Industrie werden zusammenbrechen bzw. sich fundamental verändern. Es besteht die große Gefahr, dass die neue Wirtschaft im digitalen Feudalismus versinkt, weil wir die Datenhoheit nicht mehr selber haben. Entscheidend wird daher sein, die gute Realwirtschaft zu fördern, die sich an den Grundbedürfnissen der Menschen orientiert. Das ist die große Herausforderung.

Schneeweiß: Der Anlageausschuss ist aus meiner Sicht am Markt etwas ebenso Besonderes wie die GLS Bank. Deswegen passen beide perfekt zusammen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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Eine Antwort zu „Der kritische Blick von außen – Einblicke in die Arbeit des GLS Anlageausschuss“

  1. Avatar von Bernhard
    Bernhard

    |

    Ich finde beruhigend, dass das Thema Datenschutz hier mehrfach auftaucht. Meines Erachtens findet es bei der GLS Bank und im gesamten Nachhaltigkeitsbereich viel zu wenig Beachtung. Dabei geht es doch hier um die Frage, wie wir miteinander umgehen wollen. Es geht also um die Säule „Soziales“ im Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit. Und darüber hinaus ist Datenschutz auch ein Menschenrecht – dessen Bedeutung viele (auch viele nachhaltige Unternehmen) augenscheinlich vergessen haben.

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