Transportable Räume, das scheint fast ein Widerspruch in sich. Manch eine*r assoziiert damit vielleicht als erstes Container, die beim Raummangel in Schulen und Kitas Abhilfe schaffen sollen. Tatsächlich steht hinter Transportable Räume die Firma von Christian Schinke und Michael Herzog, die aus ehemaligen Bau- oder Zirkuswagen und alten Fahrgestellen neue Wohnräume schaffen. Jurten und Komposttoiletten vervollständigen die „alternative[n] Möglichkeiten zum Wohnen, Leben, Gestalten oder für den täglichen Toilettengang“, wie es auf der Firmenwebsite heißt.
Eigener Lebensstil als Geschäftsmodell
Christian Schinke wohnt selbst seit elf Jahren im Wagen. 2008 hat er seinen ersten eigenen gebaut. „Danach kamen Komposttoiletten dazu, weil wir keinen Wasseranschluss hatten, später noch Jurten.“ Eine Zeit lang lebte er in der Wagengemeinschaft B6 in Nordhessen. Jetzt nutzt die Firma dort eine Scheune und das Außengelände. Auch Michel Herzog lebt im eigenen Wagen. Beide haben sich auf einer Baustelle kennengelernt. Ende 2012 beschlossen sie, sich mit ihren Erfahrungen im Wagenbau selbstständig zu machen. Schinke (42) hat Marketing studiert, Herzog (32) ist gelernter Schreiner.
Die Nachfrage nach Wagen, Jurten und Komposttoiletten steigt bei den Transportablen Räumen. „Unsere Auftraggeber*innen wollen meist nicht mehr alleine wohnen oder entscheiden sich bewusst für ein einfaches Leben.“ Bei 14 bis 20 Quadratmetern Wohnfläche muss man sich reduzieren, weiß Schinke, der mit Frau und zwei Kindern zwei Wagen bewohnt. „Außerdem ist ein Wagen günstiger als ein Haus, wenn auch nicht unbedingt billig.“ Der Preis für einen 8-Meter Wageneuaufbau beginnt bei rund 25.000 Euro, ein kleiner 3-Meter Wagen kostet ungefähr 10.000 Euro, allerdings hängen die Preise sehr stark von den individuellen Wünschen ab, erklärt Christian Schinke. Jurten und Komposttoiletten werden häufig von Natur- und Waldkindergärten angefragt, aber auch mal von Gemeinschaften als Treffpunkt oder Seminarraum.
Natur und Gemeinschaft
Wer im Wagen lebt, ist auch viel draußen. Von Wetter und Jahreszeiten ist man nur durch eine sechs bis zehn Zentimeter dicke Holzwand getrennt. So erlebt man die Natur sehr viel direkter und genau das ist es, was Wagenmenschen genießen.
Viele Wagen entstehen als Gemeinschaftswerk. „Wir besorgen das Fahrgestell und machen den Aufbau“, erklärt Schinke, „die Kunden übernehmen dann den Innenausbau. Sie wollen nicht mehr alles fertig kaufen und haben Spaß daran, mit Säge oder Akkuschrauber auszuprobieren, was sie aus eigener Kraft schaffen können.“ Heizen, Kochen, Wasserversorgung, um all das muss man sich selbst kümmern. Schinkes Fazit: „Wagenbau macht auch selbstständig.“ Für Jurten gibt es ein eigenes Bauhelfer*innen-Format, bei dem die Auftraggeber*innen 10 bis 15 Freunden*innen und Bekannte organisieren. Unter Anleitung von Schinke wird die Jurte in ein bis zwei Wochen aufgebaut.
Verträglich
Für ihre Wagen und Jurten verwenden Schinke und Herzog bei Dämmmaterial, Holz, Stoff, Farben und Lasur möglichst ökologische und Materialien aus der Region. Statt Glaswolle oder Styropor verarbeiten sie Hanf, Holzwolle, Schafwolle. Letztere habe den Vorteil, dass das in der Wolle enthaltene Lanolin bei Insekten „gar nicht beliebt ist.“
In der deutschen Bauordnung ist das Wohnen im Wagen nicht vorgesehen. Stellplätze werden deshalb von den Behörden eher geduldet als genehmigt. Aber auch wenn der transportable Wohnsitz noch nicht in das gesetzliche Regelwerk passt, wollen Schinke und Herzog mit ihren Wagen die Besitzer*innen „möglichst viele Jahre glücklich machen.“
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