Am 2. April, im Rahmen des G-20-Gipfels, wollen die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer über das weitere Vorgehen im Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise beraten und ein Konzept für eine neue Weltfinanzordnung erstellen.
Wir glauben, dass in der Krise auch eine Chance steckt – die der sorgfältigen und kritischen Analyse sowie der entschiedenen Durchsetzung von langfristig wirkenden Gegenmaßnahmen. Die GLS Bank formulierte daher ein Maßnahmenpaket zu einer Neuordnung der Rahmenbedingungen des Finanzmarkts.
Oberstes Ziel muss dabei die Rückbesinnung der Finanzwirtschaft auf ihr eigentliches Kerngeschäft sein: die Finanzierung der Realwirtschaft.
1. Differenzierter Umgang mit Regulierung
Finanzdienstleistungen, die unmittelbar der Realwirtschaft dienen – also wirtschaftliche, gemeinnützige und kulturelle Aktivitäten finanzieren – werden aktuell durch starke Regulierungen erschwert. In diesem klassischen Bankgeschäft ist eher eine Deregulierung notwendig. Einige derivate Finanzinstrumente dienen der Realwirtschaft mittelbar, z.B. bei der Absicherung von Zinsänderungs- und Währungsrisiken. Sie sind durch Standards zu regulieren. Zu unterscheiden sind diese von rein spekulativen Derivaten wie Leerverkäufe, die schlichtweg zu verbieten sind.
2. Größe einzelner Banken
Finanzinstitute oder spezielle Produkte dürfen in ihrer absoluten Größe oder Struktur weder global noch national systemgefährdend sein. Begrenzende Kennziffern sind gefragt, wie etwa das maximale Verhältnis der Bilanzsumme einer Bank zum Bruttosozialprodukt eines Landes.
Die Daumenregel „too big to fail“ hat Institute bisher dazu angeregt, überproportional zu wachsen und zugleich extreme Risiken in Kauf zu nehmen. Aus dem Fall in Island sollten Lehren gezogen werden und Finanzdienstleister ihre Größe, Geschäfts- und Risikopolitik überdenken.
3. Erfassung der Vermögensinflation
Bei den Vermögenswerten, insbesondere bei Grund und Boden, Immobilien, Aktien und Rohstoffen, ist aktuell eine enorme Inflation zu beobachten. Die extremen Wertschwankungen haben zu erheblichen realwirtschaftlichen Verzerrungen geführt – auch mit deutlich negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen. Es besteht seit vielen Jahrzehnten eine globale Übereinkunft, dass Inflation bei Gütern und Dienstleistungen bekämpft und durch unabhängige Notenbanken gemessen, kontrolliert und gesteuert werden soll. Es ist dringend erforderlich, dass für die Inflation bei den Vermögenswerten Vergleichbares geschieht.
4. Rating-Agenturen und Transparenz
Rating-Agenturen sollten nicht mehr in die Entwicklung von Finanzprodukten eingebunden werden. Zudem sollten sie verpflichtet sein, neben der monetären Bonitätsprüfung auch Aussagen darüber zu machen, wie Investitionen realwirtschaftlich verwendet und welche sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen dabei berücksichtigt werden. Dieser Regelung muss eine entsprechende Transparenzverpflichtung für Banken und Finanzinstitute gegenüberstehen.
5. Offshore-Finanzplätze
Die Offshore-Finanzplätze müssen geschlossen bzw. ausgegrenzt oder in einen neuen Rahmen eingebunden werden.
6. Bildungs- und Aufklärungskampagne
Um eine Kehrtwende am Finanzmarkt zu bewirken sind nicht nur Politik und Finanzinstitute gefragt, sondern auch ein kritisches Bewusstsein der Kunden, das neben kurzfristigen, rein renditeorientierten Anlagekriterien auch nachhaltige ökonomische wie soziale und ökologische Entwicklungen berücksichtigt. Eine breit angelegte Aufklärungskampagne könnte dazu beitragen.
Die Krise birgt ohne Zweifel die Chance zur Veränderung. Doch diese will auch ergriffen werden. Nun gilt es, von Seiten der Politik und Finanzwirtschaft wirkungsvolle Maßnahmen für einen nachhaltigeren Finanzmarkt umzusetzen.
Die große Nachfrage, die wir bei der GLS Bank erfahren, zeigt uns, dass ein gesellschaftliches Umdenken bereits in Gang gesetzt ist. Dennoch möchten wir jeden Einzelnen dazu aufrufen, das Geschäft der Finanzinstitute auch nach dem ersten Schrecken aus der Krise zu hinterfragen, dem Bankberater des Vertrauens – wie es landläufig so schön heißt – in Punkto Transparenz und Mittelverwendung auf den Zahn zu fühlen. Voraussetzung dessen ist natürlich ein Grundinteresse und –verständnis von Finanzprodukten. Ist das angesichts der hohen Komplexität bei einem Großteil der Anleger noch der Fall? Eine Bildungs- und Aufklärungskampagne kann viel bewirken, denn eines ist klar: Die Macht des Kunden ist nicht zu unterschätzen. Jeder Einzelne kann durch sein Anlegerverhalten Impulse geben!
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