Im Wirtschaftsteil gibt es in dieser Woche einen Gastbeitrag. Es geht um ein soziales Thema, um Alleinerziehende. In den letzten Wochen kam in diesem Zusammenhang das Wort “Unterhaltsvorschuss” oft in den Nachrichten vor. Dazu haben wir die Bloggerin Christine Finke eingeladen.
Sie zieht drei Kinder (8, 10 und 16 Jahre alt) alleine groß und lebt mit ihnen und zwei Katzen am Bodensee, wo sie Kinderbücher textet und als “Mama arbeitet” über Vereinbarkeit, Gender und Familienthemen bloggt.
Ihre Linksammlung:
“Wenn ich Zeit habe, habe ich kein Geld, und wenn ich Geld habe, dann habe ich keine Zeit”, das galt in der guten alten Zeit, als noch nicht jede vierte Familie eine Alleinerziehendenfamilie war, als ein Familieneinkommen noch ausreichte, um eine Familie zu ernähren. Wobei, ob das überhaupt so stimmt, fragt ein Text in der ZEIT, der zu dem Schluss kommt, dass nur die Ansprüche zu hoch seien: “Keine Wahl zu haben ist oft ein Klischee.” Nun, zumindest für Alleinerziehende gilt das nicht, denn die sind mit einem besonders hohen Armutsrisiko “gesegnet” und es erhält auch nur jede/r Vierte/r den ihr zustehenden Unterhalt fürs Kind. Der nun unter schweren Geburtsmühen endlich zustande gekommene Kompromiss zum erweiterten Unterhaltsvorschuss ist deswegen längst überfällig, wie die taz feststellt und treffend hinterfragt, warum das so lange gedauert hat und es so ein Gezerre gab: Der Staat hat wenig Interesse an den Alleinerziehenden, und eine starke Lobby haben sie auch nicht. Der oben erwähnte Text in der ZEIT verliert trotz üppiger Länge und 4 Autoren kein Wort über die Lage Alleinerziehender.
Alleinerziehende und die Auflösung zahlreicher Widersprüche
Ganz anders der unbequeme, aber immer detailliert und kompetent auf Armut und Alleinerziehende schauende Stefan Sell, Professor für Sozialwissenschaften in seinem Blog. Wer sich für das Thema Unterhaltsvorschuss, (Kinder-)Armut und Alleinerziehende interessiert, sollte bei ihm öfter reinschauen. Zum erweiterten Unterhaltsvorschuss kommentiert er eher resignativ: “Wenn überhaupt, dann ist die nun mit viel Gezerre gefundene Lösung nur ein Trippelschritt auf dem eigentlich notwendigen Weg einer Neuordnung der Leistungen für Alleinerziehende und die Auflösung zahlreicher Widersprüche in einem komplexen System.” Bei Edition F können wir ähnliches unter der Überschrift “Endlich: Die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses kommt – ein Gewinn für alle?”, in leicht verdaulicherer Form und unter Auslassung der komplizierten Hintergründe und Eckdaten lesen.
“Mama motzt”
Dass sich viele Alleinerziehende trotzdem freuen, dass die willkürliche und ungerechte Begrenzung des Unterhaltsvorschusses auf maximal 6 Jahre und das Ende des 12. Lebensjahres aufgehoben wurde, zeigt, wie groß die Not ist. Denn um viel Geld handelt es sich bei diesem Vorschuss nicht – das Amt zieht das volle Kindergeld von der theoretisch zustehenden Summe ab, sodass sich hier keine Alleinerziehende zurücklehnen und sich übers Kind finanzieren kann, wie das erboste Zeitgenossen, auf die hier nicht verlinkt wird, vermuten. Beispielhaft sei die sehr bescheidene Lage von “Mama motzt” erwähnt, die seit Jahren sowohl mit den Ämtern als auch mit dem Exmann um Geld und Unterstützung kämpft, und vor ein paar Tagen erst wieder im Blog losschimpfte über ausbleibende Zahlungen seitens des Ex. Wie sie die Kinderbetreuung mit einem Vollzeitjob vereinbaren soll, und das ohne Unterhalt, ist durchaus eine Frage, die gestellt werden muss.
Vereinbarkeit ist schon für “intakte” Familien mit zwei Elternteilen schwierig. Da freut es die Alleinerziehende, wenn solche Eltern bemerken, dass sie es immer noch relativ gut haben. So wie dies die Zwillingsmutter Anne tut, die ein paar Monate lang den Laden alleine schmeißen musste, weil ihr Mann im Ausland arbeitete. “Liebe alleinerziehende Mama! Ich habe am Abend sehr oft an dich gedacht! Und dann habe ich mir vorgestellt wie es jetzt wäre, wenn ich mich auch noch mit Dingen wie Unterhalt, Behören oder ähnlichem herumschlagen müsste…”, schreibt sie in ihrem Brief an Alleinerziehende, und das geht runter wie Öl. Tja – Empathie ist ein hohes Gut, das man leider manchmal erst erwirbt, wenn sich der eigene Horizont unfreiwillig erweitert.
Eltern von heute haben weder Zeit noch Geld
“Wäre ich alleinerziehend, wüsste ich wirklich nicht, wie ich es schaffen könnte”, stellt auch Sabrina vom Babykeks Blog fest, da sie sich mit der (Un)Vereinbarkeit von Schulkindern und Beruf beschäftigen muss, weil dieses Thema bei ihr aktuell wird. Die Eltern von heute haben weder Zeit noch Geld, und insbesondere Alleinerziehende laufen oft in beidem im roten Bereich – was wiederum überhaupt nicht gut für ihre Kinder ist.
Mit Geldnot und Stress beschäftigt sich auch ein Text von Carola Fuchs, die unter “Mama zwischen Sorge und Recht” bloggt. Sie stellt fest, dass sie mittlerweile Angst hat, an den Briefkasten zu gehen, und ihr bei bestimmten Umschlägen bang ums Herz wird. Das können wahrscheinlich viele Alleinerziehende gut verstehen, die sich vor Rechnungen fürchten, Anwaltsbriefen, Jugendamtsbriefen und solchen vom JobCenter. “Briefkasten-Trauma” nennt Carola das.
Umgangstag?
Zum Schluss noch gute Nachrichten: Die durchs Netz geisternde Schreckensmeldung, dass die bei vielen getrennten Familien praktizierte Regelung, alle 14 Tage ein Umgangswochenende und einen Mittwoch- (oder anderen)Nachmittag als Umgangstag zu haben, zum Verlust von Unterhaltsansprüchen führe, ist falsch. Das erklärt gut verständlich eine FB-Notiz des VAMV Nordrheinwestfalen, was uns neben der erfreulichen Aufklärung zeigt, dass dieser Verein endlich beginnt, die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung zu begreifen und zu nutzen. Da vollzieht sich ein Generationen- und Ansatzwechsel, was am Ende vielleicht dazu führt, dass sich eine Lobby von und für die Alleinerziehenden bilden kann. Gut so!
Wer mehr über die wunderbare Christine Finke erfahren möchte einfach hier entlang!
Foto: Metropolico.org (flickr), Vater und Kind, CC BY-SA 2.0
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