Das Wohnprojekt KooWo Volkersdorf in der Nähe von Graz in Österreich zeigt, wie nachhaltiges und ökologisches Bauen auf allen Ebenen funktioniert.
Gibt es einen Wohnbau, der allen Ansprüchen des nachhaltigen und ökologischen Bauens gerecht wird? Der Energie, Wasser und Materialien ressourceneffizient einsetzt und gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt reduziert? Der zusätzlich auf eine optimale Flächennutzung, auf Barrierefreiheit und eine gute Verkehrsanbindung achtet? Das genossenschaftliche Wohn- und Siedlungsprojekt Verein Kooperatives Wohnen Volkersdorf bei Graz kann alle diese Fragen mit Ja beantworten.
Mit der Natur verschmolzen
Am Anfang stand eine Baugruppe mit 30 Erwachsenen, die auf einem 3,6 Hektar großen Grundstück einen alten Dreiseitbauernhof und ein altes Wohnhaus zu einer gemeinschaftlich genutzten Fläche umgebaut und drei neue Häuser errichtet hatten. Wichtig war der Gruppe, die alte Bausubstanz soweit wie möglich zu erhalten. Alle Baumaterialien wurden kritisch auf Umweltverträglichkeit und Ressourcenschonung geprüft. Naturbaustoffe, wie regionales Holz von einem heimischen Holzbaumeister, kamen zum Einsatz. Für die Dämmung wurden Zellulose und Steinwolle verarbeitet, das altertümliche Gemeinschaftshaus mit Strohballen gedämmt. Die Innenbereiche wurden mit Lehmputz, die Außenbereiche mit Holzwolle und Lärchenfassaden ausgestattet, sodass die Gebäude fast mit der umliegenden Natur verschmelzen.
Licht und Energie
Auch beim Thema Licht sollte es im KooWo-Projekt natürlich und stromsparend zugehen. Die künftigen Bewohner*innen entschieden sich für eine umfassende Nutzung des Tageslichts. Es kamen große Holzfenster mit einem erhöhten U-Wert, der den Wärmedurchgangskoeffizienten beschreibt, zum Einsatz. Dieser gibt an, wie viel Energie durch ein Bauteil fließt. Eine Hackschnitzelanlage heizt alle Gebäude, deren Bestückung erfolgt quasi aus der eigenen Gemeinschaft: Ein Bewohner ist Forstbesitzer und sorgt für das Holz. Und der Heizkessel ist so groß ausgelegt, dass zukünftig zehn weitere Einfamilienhäuser versorgt werden können. Auf den Dächern thront die Photovoltaikanlage. Die kompakte Bauweise trägt dazu bei, die Energie im Inneren der Gebäude zu halten. Denn wo wenig Außenfläche ist, kann auch wenig Wärme abgegeben werden.
Ganzheitlich bauen
Bei den Neubauten wollten die Bauherr*innen so wenig Fläche wie möglich versiegeln. Durch Verzicht auf individuelle Flächen pro Wohneinheit zugunsten von Gemeinschaftsflächen war dies möglich. Auf den umliegenden Feldern wird biologische Landwirtschaft zur Selbstversorgung betrieben. Die neu gebaute Zisterne sorgt für nachhaltige Wasserversorgung.
Architekt Werner Schwarz, der mit der Schwarz-Platzer Architekten GmbH die Planung und Umsetzung des Wohnprojekts übernahm, ist überzeugt, dass bei dieser Art des Bauens und Wohnens alle Kriterien für eine mögliche Gebäudezertifizierung leicht erreichbar sind. Er resümiert: „Ausgehend von unserer langjährigen Tätigkeit im ‚sozialen‘ Wohnungsbau, wo sehr enge Rahmenbedingungen in Bezug auf nachhaltige, ökologische und soziale Aspekte gelten, haben wir dieses Gemeinschaftsprojekt entwickelt. Wir liefern damit eine Antwort für den zukunftsfähigen Wohnbau.“
Genoss*innen
Mittlerweile leben 40 Erwachsene und 20 Kinder in 28 Wohneinheiten. Die Suche nach einer passenden Rechtsform hat die Macher*innen zur Genossenschaft Die WoGen gebracht. Diese innovative Genossenschaft wurde 2016 gegründet, um genau solche Ideen künftig schneller in die Tat umzusetzen. Die WoGen ist Österreichs erste Bauträgerin, die ausschließlich gemeinschaftliche Wohnprojekte mit und für Menschen verwirklicht. Architektin und Gründungsmitglied Constance Weiser erzählt: „Ich bin der Überzeugung, dass Gemeinschaftsprojekte einen sozialen Lernraum bieten, in dem das Engagement und die persönliche Weiterentwicklung aller willkommen ist.“
Ausgezeichnet
Dieses innovative Wohnprojekt erhielt eine Förderung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) sowie durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie in dem Förderprogramm „Stadt der Zukunft“. Denn das Objekt beantwortet eine noch offene Forschungsfrage: „Wie wird Suffizienz umgesetzt und eine ganzheitliche Energie- und CO2-Reduktion erreicht?“ Suffizienz bezieht sich dabei auf das Bemühen um einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch. Nach der dreijährigen Förderung unter wissenschaftlicher Begleitung durch das AEE – Institut für Nachhaltige Technologien sowie nach Fertigstellung der Gebäude ist eine zweijährige Monitoring-Phase geplant, die den tatsächlichen Energieverbrauch, das Benutzerverhalten und Behaglichkeitskennwerte ermittelt.
Grenzüberschreitend
Die GLS Kompetenz bei Wohnprojekten ist inzwischen auch in Österreich und den Niederlanden gefragt. Während gewerbliche und gemeinnützige Kund*innen nur mit Sitz in Deutschland begleitet werden können, ist dies im Bereich Wohnen auch in Österreich und den Niederlanden möglich. Da die Kosten für das KooWo-Projekt aufgrund der ökologischen Bauweise um etwa 20 Prozent höher als bei „normaler“ Bauweise lagen, wurde die Grundfläche pro Wohnung angepasst. Die Verkleinerung ging nicht zulasten des Wohnkomforts, da ein Gemeinschaftsraum mit Großküche sowie der Wellnessbereich von allen genutzt werden können. „Damit wurden wir dem Anspruch, ökologisch zu bauen und zu wohnen, in allen drei Säulen der Nachhaltigkeit gerecht: sozial, ökologisch und auch ökonomisch. Mehr Lebensqualität, maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Nutzer*innen, wurde qualitativ hochwertig und zukunftsorientiert erzeugt, und dies zu gleichen Kosten“, fasst Susanne Formanek, Präsidentin des Österreichischen Instituts für Baubiologie und Bauökologie, das Projekt zusammen.
Mehr Infos
Architekten Schwarz-Platzer
Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie
Dachgenossenschaft WoGen
KooWo – Kooperatives Wohnen
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