Wie können Förderentscheidungen so gestaltet werden, dass sie wirklich Wirkung entfalten? Der Welcome Alliance Fund erprobt seit 2022 neue Wege – schnell, flexibel und gemeinsam mit Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Mehr als 50 Projekte wurden bereits unterstützt. Im Gespräch mit Luise Garleff erzählen Nilab Alokuzay-Kiesinger und Peter A. Nartey, wie der Fund Vielfalt als Stärke nutzt und neue Strukturen schafft.
- Der Welcome Alliance Fund bündelt Mittel des Bundesinnenministeriums mit Beiträgen von Unternehmen und Stiftungen und verbindet sie mit dem Wissen zivilgesellschaftlicher Akteure.
- In zwei Jahren wurden über 50 Projekte mit insgesamt 3,2 Millionen Euro unterstützt – durch Weiterbildungs- oder Veranstaltungspauschalen, Stipendien, Preisgelder und gezielte Projektförderungen.
Wer entscheidet, was wirkt?
Förderentscheidungen bestimmen, wie wir gesellschaftliche Herausforderungen angehen und welche Ideen Wirklichkeit werden können. Häufig werden Fördermittel von einzelnen Institutionen verwaltet – mit begrenztem Einblick in die Vielfalt an Perspektiven, die für nachhaltige Lösungen nötig wären. So bleiben innovative oder praxisnahe Ansätze oft unentdeckt.
Der Welcome Alliance Fund geht seit 2022 einen neuen Weg: Er bündelt Mittel des Bundesinnenministeriums mit Beiträgen von Unternehmen und Stiftungen und verbindet sie mit dem Wissen zivilgesellschaftlicher Akteure. Dadurch kann Förderung schneller, flexibler und wirkungsorientierter erfolgen. In nur zwei Jahren wurden über 50 Projekte mit insgesamt 3,2 Millionen Euro unterstützt – durch Weiterbildungspauschalen, Veranstaltungspauschalen, Stipendien, Preisgelder und gezielte Projektförderungen.
Das Herzstück des Funds ist ein divers aufgestellter Beirat, in dem die Expertise von Menschen mit eigener Einwanderungserfahrung im Mittelpunkt steht. Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, NGOs und migrantischen Organisationen treffen hier gleichberechtigt Förderentscheidungen – mit dem Ziel, insbesondere Initiativen zu stärken, in denen Menschen mit Einwanderungserfahrung aktiv sind. Der Fundbeirat versteht sich nicht nur als Gremium, sondern als Labor für eine machtkritische, bedarfsorientierte und wirkungsvolle Förderpraxis. So zeigt der Fund, was möglich ist, wenn Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Verantwortung teilen: neue Entscheidungswege und eine Kultur des Miteinanders, die weit über einzelne Projekte hinausreicht.
Wie das in der Praxis aussieht, darüber spricht Luise Garleff, Strategic Fund Advisor der Welcome Alliance, mit Nilab Alokuzay-Kiesinger, Geschäftsführerin von „Start with a Friend„, einem vom Fund ausgezeichneten Projekt, und Peter A. Nartey, Investment Director bei Impact Partners und Mitglied im Fundbeirat.



Das Gespräch führt Luise Garleff
Nilab, Deine Organisation „Start with a Friend“ bringt in dem vom Fund ausgezeichneten Projekt „Trios für Demokratie“ Menschen aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammen, um gemeinsam Lernräume, Trainings oder digitale Formate zur Stärkung demokratischer Kompetenzen zu entwickeln. Kannst Du uns das aus Deiner Praxis veranschaulichen?
Nilab Alokuzay-Kiesinger: In Chemnitz und an den anderen Standorten haben wir gesehen, wie Trios aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft tatsächlich zusammenfinden. Mitarbeitende und Führungskräfte haben in unseren Lernräumen gelernt, Diskriminierung klar zu benennen und inklusive Teams aufzubauen.
Gerade dort, wo Polarisierung, Abwanderung und Diskriminierung sichtbar sind, haben wir erlebt, wie Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam Lösungen entwickeln, wenn man ihnen den Raum dafür gibt. Für uns war klar: Vielfalt ist keine Hürde, sondern eine Ressource. Entscheidend ist, Orte zu schaffen, an denen Begegnung auf Augenhöhe gelingt – ob im Alltag oder im Arbeitsumfeld. Dort wird Zusammenhalt konkret und demokratische Kultur erlebbar.
Vielfalt ist keine Hürde, sondern eine Ressource. Entscheidend ist, Orte zu schaffen, an denen Begegnung auf Augenhöhe gelingt – ob im Alltag oder im Arbeitsumfeld.
Nilab Alokuzay-Kiesinger
Das ist genau die Erfahrung, auf die auch der Fund setzt. Peter, Du bist Mitglied im Beirat. Was hat Dich motiviert, Dich dort einzubringen?
Peter A. Nartey: Meine eigene Migrationsgeschichte motiviert mich, etwas zurückzugeben. Mich überzeugt, dass der Fund die Expertise von Menschen mit eigener Einwanderungserfahrung in den Mittelpunkt stellt. Gleichzeitig bringe ich aus meiner Arbeit mit jungen Unternehmen, die gesellschaftliche Wirkung erzielen wollen, die Perspektive ein, wie man Projekte unterstützt, die langfristige Wirkung zeigen und sich auch in anderen Regionen oder Kontexten erfolgreich umsetzen lassen.
Nilab Alokuzay-Kiesinger: Genau diese verschiedenen Perspektiven im Beirat merkt man sehr. Für uns war es wichtig zu sehen: Wir sind nicht einfach Antragstellerin, sondern wirklich Partnerin auf Augenhöhe.
Ein zentraler Punkt sind die Kriterien, nach denen Förderentscheidungen getroffen werden. Peter, Du hast diesen Prozess im Beirat aktiv mitgestaltet. Was war Dir dabei besonders wichtig?
Peter A. Nartey: Mir war wichtig, dass wir die Kriterien als Gremium gemeinsam entwickeln. Nur so können alle sie nachvollziehen und mittragen. Mein persönlicher Schwerpunkt war, echte Mitbestimmung zu stärken und Scheinbeteiligung vorzubeugen – also zu vermeiden, dass Menschen nur symbolisch einbezogen werden, ohne echte Mitgestaltung zu ermöglichen. Deshalb fördern wir gezielt Organisationen, in denen Menschen Verantwortung übernehmen, die selbst Erfahrungen mit Einwanderung gemacht haben. Sie sollen auch Entscheidungen treffen.
Nilab, welche Veränderungen habt Ihr bei „Start with a Friend“ dank der Förderung erlebt?
Nilab Alokuzay-Kiesinger: Unsere Arbeit im Projekt wurde durch ein Preisgeld des Funds ermöglicht – eine einmalige Förderung, mit der besonders wirkungsvolle Ideen ausgezeichnet werden. Diese Unterstützung hat uns geholfen, unsere Ansätze weiterzuentwickeln und neue Standorte einzubeziehen. Wir sehen, wie Teilhabe dadurch weit über unsere Lernräume hinaus wirkt: Unsere Community-Mitglieder, also Tandempaare und Engagierte in unseren lokalen Gruppen, bringen ihre Erfahrungen in Nachbarschaften, Vereine und Unternehmen ein – etwa indem sie Dialogveranstaltungen initiieren, gemeinsame Projekte anstoßen oder in Teams für mehr kulturelle Offenheit sorgen. So tragen sie dazu bei, dass Vielfalt im Alltag selbstverständlich wird.
Peter A. Nartey: Das, was Du beschreibst, Nilab, erleben wir im Beirat auf einer anderen Ebene. Da kommen Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen zusammen: aus Ministerien, Unternehmen, NGOs und migrantischen Communities. Jede Stimme zählt. Es überzeugen nicht Vehemenz und Lautstärke, sondern die Argumente, die wir sorgfältig abwägen. Ein Beispiel: Ein Ministeriumsvertreter zeigt eine Lücke auf, jemand mit eigener Erfahrung bestätigt den Bedarf, und eine Unternehmerin prüft die Skalierbarkeit. So entsteht eine Entscheidung, die von vielen Seiten getragen wird. Die Vielfalt im Beirat sorgt dafür, dass Entscheidungen nicht im theoretischen Raum getroffen werden, sondern auf Erfahrungen aus der Praxis beruhen. Weil die Mitglieder aus Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft unterschiedliche Lebensrealitäten kennen, können sie viel besser einschätzen, welche Ideen wirklich gebraucht werden und wo Förderung am meisten bewirkt.
Und genau diese Vielfalt an Perspektiven eröffnet neue Räume, in denen Ideen wachsen können. Nilab, kannst Du noch einmal ganz konkret auf die Wirkung der Förderung eingehen?
Nilab Alokuzay-Kiesinger: Sie hat uns erlaubt, unsere Arbeit systematisch weiterzuentwickeln. Wir bauen erste Partnerschaften mit Kommunen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf, die gemeinsam mit uns das Vorhaben gestalten.
Die Förderung dient als Pilotierung. Wir können neue Ansätze wie einen digitalen Raum für demokratische Betriebskultur oder Matching-Formate in einigen Regionen ausprobieren. Damit legen wir die Grundlage, auf der wir unser Projekt nachhaltig und skalierend weiterentwickeln können – getragen vom Zusammenspiel von Zivilgesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft.
Peter A. Nartey: Das zeigt sehr gut, was die Förderung möglich macht: Sie schafft Raum, neue Ideen zu erproben und Partnerschaften aufzubauen. Wirkliche Veränderung entsteht nicht von oben herab. Sie kommt von den Menschen, die die Herausforderungen aus eigener Erfahrung kennen. Mein Appell an die Förderlandschaft ist deshalb: Gebt Verantwortung an diese Expertinnen und Experten ab. Holt sie an den Tisch. Fördern wir nicht nur die Projekte, die uns am nächsten sind, sondern die, die am nächsten am Problem sind.
Mein Appell an die Förderlandschaft ist: Gebt Verantwortung an diese Expertinnen und Experten ab. Holt sie an den Tisch. Fördern wir nicht nur die Projekte, die uns am nächsten sind, sondern die, die am nächsten am Problem sind.
Peter A. Nartey
Ich finde, damit bringt Ihr es auf den Punkt. Der Fund hat gezeigt, dass Förderung schneller, flexibler und gemeinschaftlicher wirken kann. Über 50 geförderte Projekte in zwei Jahren sind ein starkes Signal, aber vor allem ein Anfang. Entscheidend ist, dass wir den Mut behalten, Verantwortung zu teilen und Vielfalt als Ressource zu leben.
Fazit
Der Welcome Alliance Fund ist ein Labor für neue Strukturen – und er zeigt, dass sie funktionieren. Partizipativ, flexibel und wirkungsorientiert: Was hier erprobt wird, kann der Ausgangspunkt für eine Förderpraxis sein, die dauerhaft breiter trägt und nachhaltig wirkt.
Über Luise
Luise Garleff ist Strategic Fund Advisor der Welcome Alliance und begleitet den Welcome Alliance Fund seit seiner Gründung. Dabei bringt sie ihre Erfahrung in wirkungsorientierter Förderung und im Community-Building ein. Ihr Fokus liegt darauf, gemeinsam mit Politik, Wirtschaft Zivilgesellschaft und Wissenschaft neue Förderlogiken zu erproben und so nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen.
Über Nilab
Nilab Alokuzay-Kiesinger ist Geschäftsführerin von „Start with a Friend“. Die Organisation bringt Menschen in Tandems und Communities zusammen und schafft Räume für Begegnung, Partizipation und Empowerment.
Über Peter
Peter A. Nartey ist Investment Director bei Impact Partners und Mitglied im Fundbeirat. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Impact Investments und setzt sich besonders für Projekte ein, die unterrepräsentierten Gruppen Zugang zu Chancen ermöglichen.





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