Es brodelt in der Klimabewegung

Es ist wieder so weit. Am 3. März ruft Fridays For Future zum nächsten globalen Klimastreik auf. An über 200 Orten in Deutschland finden Demonstrationen und Kundgebungen statt. Hunderttausende Menschen werden erwartet, um gemeinsam auf den Straßen für mehr Klimaschutz zu kämpfen.

„Nur unser gemeinsamer Druck kann den Klima-Stillstand in der Koalition noch beenden“. So bewirbt Fridays For Future auf ihrer Internetseite die Aktion. Direkt darunter zählt die Klimabewegung ihre Ziele auf: Mobilitätswende, Ausbau der Erneuerbaren und Einhaltung des Pariser Klimaabkommens.

Es sind dieselben Ziele, die Fridays For Future auf dem ersten globalen Klimastreik gefordert hat und vor ihnen schon andere Gruppen und Aktivist*innen forderten. Seitdem ist einiges in Bewegung geraten, aber bei weitem noch nicht genug. Der große Umbruch, die große nachhaltige Transformation blieb aus und die im Pariser Klimaabkommen festgehaltenen Temperaturziele rücken jedes Jahr weiter in die Ferne.

Die Frage, die sich die Klimabewegung deshalb zu Recht stellt, ist: Wie erhöhen wir den Druck? Die Gruppen diskutieren über neue Strategien und Aktionsformen, neue Narrative und Etappenziele. So unterschiedlich die einzelnen Gruppen der Bewegung auch sein mögen, in einem sind sie sich einig: So kann es nicht weiter gehen!

Größer werden oder radikaler werden

Der Anfang jeder sozialen Bewegung liegt darin, die Gesellschaft davon zu überzeugen, dass ein Problem existiert. In diesem Kampf um Öffentlichkeit und Deutungshoheit hat die Klimabewegung große Erfolge erzielt. Keine Partei, kein Unternehmen, kein Verband und keine Gewerkschaft kann sich mehr leisten, nicht zum Klimawandel Stellung zu beziehen.

Doch Problembewusstsein allein löst keine Krise. In vielen Gruppen der Bewegung brodelt es deshalb. Dabei gibt es zwei übergeordnete Strategien, um den Druck zu erhöhen – größer werden und radikaler werden.

Ende Gelände und die Letzte Generation haben sich für letzteres entschieden, indem sie vergangenes Jahr auch „friedliche Sabotage“ als legitimes Mittel definierten. Auch diese beiden Bündnisse wollen möglichst viele Menschen für ihre Aktionen begeistern, aber ihnen ist natürlich bewusst, dass sich für eine Straßenblockade weniger Menschen mobilisieren lassen als für den Klimastreik.

Dennoch müssen die Bündnisse ihre „radikaleren“ Aktionen nachvollziehbar machen. Dazu brauchen sie neue und wirksame Narrative. Die Öffentlichkeit muss nicht jede Aktion der Bewegung gutheißen, aber sie muss verstehen können, inwiefern eine Aktion zu einem erklärten Ziel, etwa Kohleausstieg, führen kann. Einer der Mitbegründer von Ende Gelände, Tadzio Müller, schlug dafür das Narrativ: „Notwehr“ vor. Die Idee: Sabotage von zum Beispiel fossilen Kraftwerken ist Notwehr gegenüber die dadurch verursachten Klimaschäden, die schon heute Menschenleben kosten. Welche Erzählungen sich da in Zukunft durchsetzen, wird sich noch zeigen.

Auch Flügel von Fridays For Future und Extinction Rebellion sympathisieren mit radikaleren Aktionsformen. Der Fokus der Gruppen ist allerdings, Stand heute, anschlussfähig zu bleiben und der breiten Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, sich zu engagieren. Dafür braucht es niedrigschwellige Mitmachangebote, wie den Klimastreik.

Fridays For Future versucht immer neue Leute zu erreichen und von ihren Positionen zu überzeugen. Dazu diskutieren sie mit Politiker*innen, Gewerkschaftler*innen und tragen ihre Positionen auch mal auf einer Hauptversammlung von Energieunternehmen, wie RWE und Uniper, vor. Jüngst hat die Stadt Hannover zwar auch mit Aktivist*innen der Letzten Generation verhandelt, aber das ist bisher doch noch eine recht seltene Erscheinung. In Lützerath hat sich zudem gezeigt, dass auch Aktivist:innen von Fridays For Future zivilen Ungehorsam für ein legitimes Mittel halten. Nicht nur bekannte Gesichter wie Luisa Neubauer und Greta Thunberg schlossen sich den Sitzblockaden gegen die Zerstörung des Dorfes an.

„We Quit“ – Extinction Rebellion

Extinction Rebellion (XR) ruft im April zu einer neuen Großaktion auf – insgesamt ist es um die Gruppe in Deutschland aber etwas ruhiger geworden. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass immer mehr Aktivist:innen von XR bei der Letzten Generation aktiv werden. Auch in anderen Ländern gibt es neu entstandene Gruppen, die aus XR hervorgegangen sind. Dazu zählt etwa die britische Gruppe „Just Stop Oil“. Sie orientiert sich, ebenso wie die Letzte Generation, an Argumenten von XR, geht allerdings in ihren Aktionen oft einen Schritt weiter. Größere Bekanntheit erlangte die Gruppe, indem sie Gemälde – die durch eine Glasscheibe geschützt waren – mit Dosensuppen beschmierte.

„We Quit“ – so begann Anfang dieses Jahres eine Pressemitteilung von XR Großbritannien. Darin kündigten die Aktivist:innen einen Kurswechsel an. Sie wollen weg von öffentlichen Stör-Aktionen wie Straßenblockaden und stattdessen Netzwerke aufbauen und stärken. Es scheint sich eine Art Arbeitsteilung zwischen XR und aus XR hervorgegangenen Gruppen zu etablieren. Ob sich diese Dynamik auch zwischen der Letzten Generation und XR Deutschland einstellt, bleibt abzuwarten. Bisher hat sich XR Deutschland der Ankündigung nicht angeschlossen.

Verkehrswende, Energiewende, Bauwende, Agrarwende – es gibt viel zu tun und wenig Zeit. Die Ziele sind die gleichen, aber die Strategien muss immer wieder kritisch reflektiert werden. Was bringt uns näher an eine klimagerechte Welt? Das kann sowohl die Sabotage, sowie ein gutes Fernsehinterview sein. Hauptsache kein Stillstand.

Was denkt ihr? Hinterlasst uns eure Gedanken und Meinungen im Kommentarfeld. Und macht mit beim kommenden Klimastreik am 3. März 2023! Mehr dazu auf unserer GLS Bank Website.

Erfahre hier mehr über die Klimabewegung in Deutschland:

Die Klimabewegung hat viele Gesichter

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9 Antworten zu „Es brodelt in der Klimabewegung“

  1. Avatar von Ernest Schönberger
    Ernest Schönberger

    Neue Ideen? Bitteschön: https://www.utopia2048.com/

    Ja, sicher: Laut Wissenschaft hat es – über Jahrhunderttausende oder Jahrmillionen – extreme Temperatur und CO2-Schwankungen gegeben. Wie lang ist nochmal ein Menschenleben?
    Ja sicher hat der Mensch die Veränderungen der Temperatur ungeheuer beschleunigt mit dem Verbrennen von Fossilen. Darauf setzt der Text doch auf.
    Verlassen Sie doch mal ihr virtuelles Raumschiff und fragen sie sich mal, was das konkret hier heißt auf dieser Kugel mit 12000km Durchmesser.
    Spätestens seit der Atombombe ist so ein Elfenbeinturmdenken eigentlich vorbei.
    Wir haben keine Zeit für „Jugendprojekte“, die irgendwann bei irgendwem „Strahlkraft“ entfalten. Das sagt nicht Thunberg oder Letzte Generation, das sagt Scholz. Nur er tut ja nichts.
    Unser ganzer Wohlstand basiert auf Öl, Kohle und Gas und da müssen wir ganz stark nachdenken, wie er anders organisiert wird.
    Aber letztlich wollten sie mir nur die Zeit stehlen, gelle?

  2. Avatar von Ernest Schönberger
    Ernest Schönberger

    Nur weil Sie gerade kein Hungerflüchtling aus dem Irak sind, Herr Ferger, wird es Ihnen trotzdem sicher nicht entgangen sein, dass auch schon in Deutschland erhebliche Schäden durch zunehmende Wetterextreme aufgetreten sind. Die BASF musste zum Beispiel die Produktion im Dürrejahr 2021 reduzieren, weil viele Rohstoffe durch den nicht mehr ausreichend schiffbaren Rhein nicht ankamen. Von der Sintflut in NRW und RLP sei vornehm geschwiegen. Das sind Folgen der menschengemachten Erderhitzung.

    Interessant, wie der UN-Generalsekretär Herr Guterres sich dazu äußert. immerhin wird er sicher nicht von der Klimabewegung gesponsert, der Hauptfinanzier der UNO sind die USA. In diesem Licht betrachtet sind seine Worte aus dem letzten Frühling noch deutlicher: https://press.un.org/en/2022/sgsm21228.doc.htm

    Übrigens hat schon Svante Arrhenius den Anstieg der Temperatur der Atmosphäre mit der CO2-Emission in Verbindung gebracht. Dieses Molekül hat nun mal die Eigenschaft, Sonnenlicht in Wärme umzuwandeln – das sieht man an seinen Spektraleigenschaften, Zitat Wikipedia: „Kohlenstoffdioxid absorbiert elektromagnetische Strahlung hauptsächlich im Spektralbereich der Infrarotstrahlung und wird dabei zu Molekülschwingungen angeregt. Auf dieser Eigenschaft beruht seine Wirkung als Treibhausgas.“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlenstoffdioxid#Physikalische_Eigenschaften

    Mal abgesehen davon ist die Argumentation, es gehe um die Umwelt schon im Kern zynisch. Die Systeme, die uns bisher gratis mit sauberer Luft, leicht zu erzielenden Ernten etc. versorgt haben und unseren Dreck entsorgt haben, stehen vor sehr schweren Zeiten.
    Und damit die Zivilisationen.
    Die Zivilisationen sind nur deswegen entstanden, weil die Schwankungen des CO2-Gehalts in den letzten 10000 Jahren so gering waren – Stichwort Holozän.
    Kurz gesagt, es geht darum, die Zivilisationen, Freiheit und Recht weiterhin möglich zu machen.

  3. Avatar von Oliver Schmitt
    Oliver Schmitt

    Herr Ferger,
    Sie müssen nicht an den allgemeinen wissenschaftlichen Konsens glauben, Sie müssen auch nicht auf die Klimademo gehen. Ihre Sache. Dann halten Sie bitte wenigstens die Klappe und verbreiten Ihre Ansichten nicht auch noch.
    Danke

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