Am 10. November beginnt in Brasilien, am Rande des Amazonas-Regenwaldes die 30. Weltklimakonferenz. Auf die Diplomat*innen warten schwierige Verhandlungstage.
Es herrscht Aufbruchstimmung in der Klima-Bubble. Klimadiplomat*innen weltweit schütteln sich den Staub von den Schuhen, Lobbyist*innen packen ihre Hochglanzfolien in die Aktentaschen und Klimaaktivist*innen ihre Banner ein – bald startet die COP 30, die dreißigste Weltklimakonferenz.
Dieses Jahr lädt Brasilien die Vertreter*innen der knapp 200 Länder nach Belém ein. Die Millionenstadt liegt am Rande des Amazonasbeckens, des größten tropischen Regenwalds der Erde.
Nicht nur der Austragungsort ist symbolträchtig. Es ist das zehnjährige Jubiläum des Pariser Klimaabkommens. In der französischen Hauptstadt hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 verpflichtet, den Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf möglichst 1,5 Grad, auf jeden Fall aber auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen.
Der erste Global Stocktake, eine im Paris-Abkommen festgeschriebene, alle fünf Jahre stattfindende Bilanzierung der weltweiten Klimapläne, kam 2023 zu dem ebenso erwartbaren wie enttäuschenden Urteil: Die Welt ist nicht, aber auch gar nicht auf Paris-Kurs.
Die COP 30 müsse eine Konferenz der Umsetzung der bereits getroffenen Vereinbarungen werden, forderte Brasiliens Umweltministerin Marina Silva. Unter dem Motto „Mutirão“, was so viel wie kollektive Anstrengung bedeutet, sollen in Brasilien Möglichkeiten gefunden werden, die großen Worte auf dem Papier in die reale Welt zu heben.

Als die erste Frist im Februar dieses Jahres ablief, waren sagenhafte zwölf von knapp 200 Ländern dieser Verpflichtung nachgekommen.
Wie reagiert die Welt auf ihr eigenes Scheitern?
Im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen die Klimapläne der Staaten, die „Nationally Determined Contributions“ (NDCs). Laut dem letzten Bericht des Weltklimarats IPCC müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent gegenüber 2019 fallen. Die alte Generation der NDCs kam bis 2030 gerade mal auf eine Emissionssenkung um 2,6 Prozent – sofern alle Pläne komplett umgesetzt würden. Auf dieser Grundlage waren alle Vertragsstaaten angehalten, bis 2025 neue, ehrgeizigere NDCs einzureichen. Als die erste Frist im Februar dieses Jahres ablief, waren sagenhafte zwölf von knapp 200 Ländern dieser Verpflichtung nachgekommen. Mittlerweile sind einige weitere Klimapläne eingetrudelt, aber zahlreiche Länder, darunter große Emittenten wie die EU und Indien, fehlen noch.
Auch China hat zwar ein neues Klimaziel angekündigt, aber noch keinen Plan eingereicht. Die USA haben kurz vor der Amtsübernahme Donald Trumps noch einen aktualisierten Klimaplan verabschiedet. Angesichts des wenig später eingeleiteten erneuten Austritts der USA aus dem Pariser Klimaabkommen ist das aber wirklich nur Druckerschwärze auf Papier.
Bis zum Beginn des Belém-Gipfels am 10. November dürften die Klimapläne der EU, Indiens und Chinas nachgereicht werden. Dass die neue NDC-Generation die Weltgemeinschaft auf Paris-Kurs lenkt, gilt allerdings schon jetzt als unwahrscheinlich. Mehr als alles andere wird sich der Gipfel im Regenwald also daran messen lassen müssen, wie die Weltgemeinschaft auf ihr eigenes, erwartbares Scheitern reagiert.
Klimaschutz und Klimafinanzierung – zwei Seiten einer Medaille
In genau dieser Frage gehen die Vorstellungen der Länder jedoch deutlich auseinander, wie der COP 30-Präsident und langjährige brasilianische Diplomat André Corrêa do Lago feststellte. Soll eine scharfe politische Abschlusserklärung auf die erwartete Lücke Bezug nehmen? Soll es gar einen konkreten Aktionsplan geben, möglicherweise parallel zu den ordentlichen Verhandlungen, mit dessen Hilfe die Umsetzung beschleunigt werden kann? Zumindest für ersteres sprechen sich einige Länder aus, darunter viele Industrienationen und auch die kleinen Inselstaaten. Einige der großen Schwellenländer, etwa China, Indien und Saudi-Arabien, wollen das Thema auf dem Gipfel lieber ganz aussparen und auf die nächste reguläre globale Bestandsaufnahme 2028 warten. „Das wäre für mein Land und Millionen von Menschen auf der ganzen Welt viel zu spät“, entgegnete die Klimagesandte der Marshallinseln, Tina Stege. Bislang sind die NDCs in der Tat kein offizieller Tagesordnungspunkt des Gipfels. Ob formal über die Klimapläne verhandelt wird, ist bis dato also offen. Die Ambitions- und Umsetzungslücke wird den Diplomat*innen aber so oder so einige zähe Verhandlungstage bescheren. Das liegt nicht zuletzt an dem eng damit verwobenen und traditionell vehement umkämpften Thema der Klimafinanzierung. Einige Entwicklungs- und Schwellenländer haben ihre schwachen NDCs direkt mit der unzureichenden Klimafinanzierung aus den Industrienationen begründet.
Gute Vorzeichen bei Klimaanpassung
Auf dem vorjährigen Gipfel COP 29 in Aserbaidschan lautete der für viele Entwicklungsländer enttäuschende Beschluss: Die Industrienationen heben die Finanzhilfen bis 2035 auf 300 Milliarden US-Dollar an. Dabei erkennt der Beschluss immerhin an, dass der tatsächliche Bedarf bei mindestens 1,3 Billionen Dollar liege. Selbst diese Summe untertreibt laut diversen Studien den eigentlichen Bedarf, aber wäre dennoch ein Quantensprung gemessen an allen bisherigen Zusagen.
Die Präsidentschaften der COP 29 und COP 30 wurden damit beauftragt, Wege zu erarbeiten, wie diese Finanzierungslücke geschlossen werden könnte. In den letzten Monaten wurde hinter verschlossenen Türen offenbar wieder fleißig verhandelt. Aber wie erfolgreich? Der Gipfel in Brasilien wird hier zu einem Moment der Wahrheit.
Auch jenseits der Streitigkeiten um die konkrete Summe sind etliche Fragen ungeklärt und dürften in Belém wieder auf den Tisch kommen. Werden sich die Industrieländer zu verbindlichen Finanzhilfen bei Klimaschäden durchringen? Welchen Beitrag zur Klimafinanzierung sollen reiche Entwicklungsländer wie Saudi-Arabien, Südkorea oder China künftig leisten? Oder ganz grundsätzlich: Was dürfen die reichen Länder eigentlich als Klimafinanzierung verbuchen? Bisher schauen sich die Industrieländer dabei selbst auf die Finger und sind äußerst weitherzig in der Bewertung der eigenen Beiträge.
Was dürfen die reichen Länder eigentlich als Klimafinanzierung verbuchen? Bisher schauen sich die Industrieländer dabei selbst auf die Finger und sind äußerst weitherzig in der Bewertung der eigenen Beiträge.
Vorsichtig optimistisch zeigte sich COP-Präsident Corrêa do Lago bei Vorgesprächen in Brasilia zu einem weiteren Verhandlungsstrang, der Klimaanpassung. Dort könnte es nach Jahren des weitgehenden Stillstands endlich vorangehen. Konkret hieße das: Die Länder einigen sich auf eine Berechnungsmethode, um ein Anpassungsziel festzulegen, und definieren darauf aufbauend Unterstützungsverpflichtungen zugunsten des globalen Südens. Die brasilianische Delegation wird ihr Leuchtturmprojekt, die Tropical Forest Forever Facility (TFFF), ins Leben rufen. Ein Fonds, mit dem das Land 125 Milliarden US-Dollar an öffentlichen, vor allem aber privaten Geldern mobilisieren will. Ziel ist es, tropische Regenwälder langfristig zu schützen und Länder dafür finanziell zu belohnen. Neben diesen Hauptverhandlungssträngen gibt es zahllose weitere Themen, die die Verhandler*innen in Belém beschäftigen werden, darunter die Regeln für den internationalen Emissionshandel, neue Programme für eine gerechte und inklusive Klimatransformation und etliche technische Vertragsdetails.
„Paywall-COP“ statt „People’s COP“
Nachdem die COPs drei Jahre in Folge von klimapolitisch ambitionsarmen Staaten im Herzen der fossilen Energiewirtschaft ausgerichtet wurden – Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Aserbaidschan – ruhen nun viele Hoffnungen auf Brasilien. Denn ob ein Gipfel gelingt, hängt nicht zuletzt vom diplomatischen Geschick und dem politischen Willen des Gastgeberlandes ab. Doch diese Hoffnungen haben in den vergangenen Monaten spürbare Dellen bekommen. Da ist vor allem das Logistik-Debakel: Bei erwarteten 50.000 Teilnehmenden an der Klimakonferenz und einer regulären Hotelkapazität von nur etwa 18.000 Betten in Belém war das Chaos fast vorprogrammiert.
Trotz angemieteter Kreuzfahrtschiffe und umfunktionierter „Love Hotels“, die ihre sonst stundenweise buchbaren Zimmer nun zu horrenden Preisen an COP-Gäste vermieten, ist die Mangellage nicht beseitigt. Einige kleinere Länder haben bereits angekündigt, wegen der hohen Kosten und der schwierigen Unterbringung gar keine Delegation zu entsenden. Zahlreiche Spendenkampagnen wurden in den letzten Wochen gestartet, um Klimaaktivist*innen aus dem globalen Süden und Vertreter*innen indigener Gruppen doch noch die Teilnahme zu ermöglichen. Doch Umweltverbände ziehen bereits eine bittere Bilanz: Aus der erhofften „People’s COP“ sei eine „Paywall-COP“ geworden.
Zu allem Überfluss ist im Juni auch noch bekannt geworden, dass die brasilianische Ölbehörde plant, neue Explorationsrechte für 172 Ölfelder zu versteigern. Und nachdem die öffentliche Entrüstung darüber etwas abgeflaut war, wurde öffentlich, dass gerade mal zwei Wochen vor Beginn der COP der halbstaatliche Ölkonzern Petrobras die Genehmigung erhalten hat, wenige hundert Kilometer von der Amazonasmündung entfernt nach Öl zu bohren. Was für ein Timing.
Auf der offiziellen Website der COP 30 erhältst Du sämtliche Informationen zur Konferenz 2025 in Belém. Details und Programm-PDFs findest Du auch auf der zentralen Informationsseite der UNFCCC, der UN-Klimarahmenkonvention.
Allen Dellen zum Trotz …
Die Hoffnung vieler Delegationen und NGOs ist noch nicht ganz verflogen. André Corrêa do Lago und auch brasilianische Regierungsvertreter*innen haben mehrfach betont, die Abkehr von fossilen Brennstoffen zu einer Priorität des Gipfels machen zu wollen. Was wie eine Selbstverständlichkeit für einen Klimagipfel klingt, wäre im Vergleich zu den letzten drei COP-Präsidentschaften ein echter Fortschritt.

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