Egal, ob zu viel oder zu wenig – Regenwasser wird zunehmend zum Problem. Ein GLS Kunde in Münster zeigt: So könnten wir Regenwasser zur Lösung machen und für den Hausgebrauch nutzen.
Autor: Lars-Thorben Niggehoff
Es war ein relativ normaler Novembertag, an dem Thorsten Liebold mit seiner Frau und seinen Nachbarn zusammensaß, in Münster. Und wie das manchmal so ist unter Freunden, ging es schnell um die ganz großen Themen. Zum Beispiel: Wie wollen wir eigentlich in Zukunft mal wohnen? Den Liebolds und ihren Nachbarn ging es dabei nicht um die Frage, welche Designerlampe über dem Esstisch hängen sollte oder wie die Zimmer zugeschnitten werden sollen. „Für uns waren vor allem die Themen Klimakatastrophe und sozialer Wandel präsent“, erklärt Thorsten Liebold. Sie wollten wissen: Wie kann ein Wohnprojekt aussehen, das sowohl sozialverträglich als auch nachhaltig ist, das einer anderen Logik folgt als der oft überhitzte deutsche Immobilienmarkt?
Heute, etwa elf Jahre nach dem gemütlichen Beisammensein, hat Liebold die Antwort gefunden, in Zusammenarbeit mit vielen Mitstreiter*innen. Auf dem Gelände der ehemaligen Oxford-Kaserne in Münster steht das Ergebnis des damaligen Findungsprozesses: der Grüne Weiler, ein Wohnkomplex mit über 100 Wohnungen. Stolz zählt Liebold die Vorteile des Bauprojekts auf, etwa die auf Geothermie und Photovoltaik ausgerichtete Energieversorgung. Aber auch über einen Punkt, der bis heute wenig Aufmerksamkeit bekommt, wenn in Deutschland übers Bauen im Besonderen, aber auch über ein ressourcenschonendes Wirtschaften im Allgemeinen gesprochen wird: die Wasserversorgung.
Nasses Deutschland
Im Gegensatz zu anderen Weltregionen ist Trinkwassermangel in Deutschland bislang kaum ein Thema. Das Land ist gesegnet mit ausreichend Versorgung – eigentlich. Doch auch hierzulande macht sich die Klimakatastrophe bemerkbar. Die Grundwasserspiegel in vielen Teilen Deutschlands sinken gerade in heißen, trockenen Sommern deutlich, Dürren treten immer öfter auf. Die Folgen dessen zeigten sich besonders etwa in den vergangenen Jahren in Brandenburg. Das Bundesland ist eine der trockensten Regionen Deutschlands. Und ausgerechnet dort siedelte sich die Gigafactory eines US-amerikanischen Elektroauto-Herstellers an. Wirtschaftspolitisch ein Coup für die Regierung, wasserpolitisch ein Drama. Die Fabrik soll laut Genehmigungsunterlagen in Spitzenzeiten bis zu 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr verbrauchen. Das entspricht in etwa dem Verbrauch einer Kleinstadt. Klagen durch Umweltverbände folgten, ausgestanden ist der Streit noch nicht. Zumal der örtliche Wasserverband den Bau geplanter Schulen und Kitas stoppte. Die Trinkwassermengen könnten langfristig nicht reichen.
Was das in der Praxis bedeutet, lässt sich am Grünen Weiler besichtigen. Dort nutzen Thorsten Liebold und die anderen Mitbewohner*innen beispielsweise Regenwasser in einer ganz neuen Dimension. Statt einer Regentonne mit ein paar 100 Litern Volumen, wie sie viele Haushalte haben, besitzt das Bauprojekt eine Betonzisterne mit 56 Kubikmeter Speichervolumen, das entspricht 56.000 Litern. Abgeleitet wird das Wasser von den Dächern des Grünen Weilers, die begrünt sind und durch Mulden Regenwasser zwischenspeichern und langsam in die Zisterne abfließen lassen. „Wir konnten nicht alle Dächer anschließen“, sagt Liebold. „Sonst würde die Zisterne zu oft überlaufen und zu viel Wasser in den Garten ableiten.“ Eine Entscheidung, die ihn schmerzte, aber unumgänglich war. Trotzdem soll sich der Weiler am Ende zum Grundwasser so verhalten wie ein unbebautes Grundstück. Und es hilft auch der Allgemeinheit: Bei Starkregen entlastet das System die Kanalisation.
Trinkwasserverwendung im Haushalt
Wasser für alle
Die GLS Bank widmet sich in ihrem Kundenmagazin Fragen rund um Wasser.
Grünflächen, Waschmaschine und Toilette
Mathias Uhl hat das Projekt begleitet und kann die innovativen Maßnahmen gut beschreiben. Er war lange Jahre Professor für Wasserwirtschaft und Siedlungswasserwirtschaft an der Fachhochschule Münster und hat sich viel mit der effizienten Nutzung von Niederschlag beschäftigt. Besonders imponiert ihm: Der Grüne Weiler wird das Regenwasser nicht nur zur Grünflächenbewässerung einsetzen, sondern auch zu Zwecken, für die es keine Trinkwasserqualität braucht, also zur Toilettenspülung und zum Betrieb der Waschmaschinen im zentralen Waschsalon der Wohnanlage. Was erst mal eher nebensächlich klingt, würde eine massive Reduktion des täglichen Wasserverbrauchs bedeuten. Durchschnittlich verbrauchen Menschen in Deutschland 126 Liter Wasser pro Tag. Allein 30 bis 35 Liter entfallen dabei auf die Toilettenspülung, weitere 15 Liter auf das Wäschewaschen. Durch diese zwei Maßnahmen reduziert sich der Trinkwasserverbrauch also gleich um etwa 40 Prozent. Theoretisch wäre sogar noch deutlich mehr möglich. „Grau- und Schwarzwassernutzung wären weitere Schritte, die man einplanen könnte“, sagt Uhl. Grauwasser ist leicht verschmutztes Wasser. Darunter fallen zum Beispiel Bade- und Duschwasser oder Abwasser aus dem Waschbecken. Schwarzwasser wiederum ist stärker verschmutzt, durch Fäkalien sechs Euro, inklusive Abwassergebühr.“ Rechnet man das auf den täglichen Verbrauch von 126 Liter runter, bleiben Kosten von circa 0,60 Euro pro Tag für den Einzelnen. Das ist weit unterhalb der Schmerzgrenze, ab der Einspargedanken relevant werden.
Nachahmer inspirieren
Also braucht es aktuell noch Überzeugungstäter*innen wie Thorsten Liebold, um entsprechende Projekte voranzutreiben. „Unser Bauunternehmer hat uns von Anfang an vorgerechnet, warum sich das überhaupt nicht lohnen wird“, sagt er: „Das Geld, das wir in die Regenwassernutzung investieren, würden wir niemals wieder herausholen.“ Aber seine Mitstreiter*innen und er blieben der Idee treu, die sie 2013 ausgearbeitet hatten. Dass die aber doch schwieriger umzusetzen war als anfangs gedacht, das bestreitet er nicht. „Es braucht eine Gruppe von Willigen, die auch bereit sind, ein gehöriges finanzielles Risiko einzugehen.“ Und Geldgeber, die die Nachhaltigkeit eines Projektes als Wert sehen und nicht als Hindernis. Beim Grünen Weiler ist zum Beispiel auch die GLS Bank daran beteiligt, die Finanzierung zu ermöglichen.
Um so vielleicht ein Beispiel zu schaffen, das Nachahmer inspiriert. Wenn alles nach Plan läuft, können die Bewohner im Frühjahr 2025 in den Grünen Weiler einziehen. 1.250 Menschen werden es. Dann auch dabei: Mathias Uhl, der das Projekt kennenlernte, als ihn ein Kollege dafür begeisterte, das Wasserkonzept der Anlage auszuarbeiten. „Ich glaube, dass solche Projekte mehr Anklang finden, als es Angebot gibt“, sagt er: „Viele finden so etwas reizvoll, aber haben nicht das nötige Engagement, um es über die Ziellinie zu bringen.“ Aber auch einzelne Vorhaben würden einen Unterschied machen. Der Grüne Weiler sei letztendlich ein Straßen-Carré – der Begriff bezeichnet im Städtebau eine Anordnung von Gebäuden um einen gemeinsamen Innenhof. „Genauso wird Städtebau eigentlich betrieben, von Straßen-Carré zu Straßen-Carré.“ Nachahmer gesucht.
Bauen und Wasser
Rund 30 Liter unseres Tagesverbrauchs an Trinkwasser spülen wir durchs Klo herunter. In der Art, wie wir unsere Gebäude planen, steckt also einiges Sparpotenzial. Die GLS Bank will den Schutz natürlicher Ressourcen wie Wasser beim Bauen zum Standard machen. Deshalb bewerten wir ambitionierte Maßnahmen bei Kreditentscheidungen positiv. Klarheit bringt unser Rating nWert BauFi, mit dem wir die sozial-ökologische Nachhaltigkeit von Bauprojekten untersuchen. Neben Wassersparmaßnahmen wie einer Anlage zur Regen- oder Grauwassernutzung betrachten wir auch die Flächenversiegelung.
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Dein Anteil an einer wasserbewussten Zukunft?
Deine GLS Anteile sind Basis für unsere Kredite für sozial-ökologische Projekte. Jeder Anteil ermöglicht ein Vielfaches seines Werts an Krediten.
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