Das junge Unternehmen right. based on science misst die Temperatur von Unternehmen und zeigt ihnen, ob sie auf dem richtigen Weg zum 1,5-Grad-Ziel sind.
Freitag Nachmittag, graue Feierabendstimmung. Auf der kurzen Strecke von der Haltestelle zu right. im Gewerbegebiet im Frankfurter Osten donnern zahllose LKWs auf ihrem Weg zu Lagern, Werkstätten, Müllabladestationen an mir vorbei. „Helmke/Müller“ steht mit blauem Kuli geschrieben auf dem Klingelschild im Hinterhaus der Intzestraße 1. Nichts verrät, dass hier ein Start-up sitzt, das für globale Dax-Konzerne die Klimawirkung berechnet – und das in der Wirtschaft zunehmend Gehör findet.
Ziel: <2-Grad
Die Räume im 1. Stock strahlen modernen Industriecharme aus. Ich bin mit Hannah Helmke zum Interview verabredet. Die 31-Jährige hat zusammen mit Dr. Sebastian Müller right. based on science 2016 gegründet. right. versteht sich als Modell- und Softwareentwickler. Das Unternehmen misst auf der Grundlage von wissenschaftsbasierten Klimametriken sozusagen die Temperatur von Unternehmen und Portfolios und stellt fest, ob sie auf der richtigen Seite des „<2-Grad-Ziels“ stehen – oder nicht. Ihr #whatif Report 2019 zur „Temperatur“ der 30 größten Unternehmen des deutschen Aktienmarktes hat Aufsehen erregt. Die Analyse zeigt, dass noch einiges zu tun ist, bis sie im Einklang mit dem <2-Grad -Ziel wirtschaften.
Kohlenstoffblase führt zu Finanzblase
Mit ihren beiden Hunden zu Füßen erzählt Hannah Helmke, wie es zu right. kam. Die Kohlenstoffblase war Thema während ihres Studiums der Internationalen Betriebswirtschaftslehre. In einem Nebenfach sahen die Studierenden preisgekrönte Dokumentarfilme über die Globalisierung. Ein Film handelte davon, dass 75 % aller im Markt eingepreisten fossilen Brennstoffe in einer <2-Grad -Welt nicht mehr verbrannt werden dürfen. „Das bedeutet eine sehr große Finanzblase! An diesem Punkt fing ich an, mich mit der Verbindung von wirtschaftlichen Aktivitäten und der Klimawissenschaft zu beschäftigen.“ Erst in ihrer Bachelor-Arbeit* und später im Beruf.
Steuern mit XDC
Hannah Helmke arbeitete bei der Deutschen Post DHL Group und bei der BridgingIT. „Aber in den großen Firmen wurde ich immer unglücklicher“, sagt sie. Die Menschen arbeiteten wie Getriebene, stürzten sich von einer Aufgabe auf die andere, es blieb keine Zeit für Qualität. „Da war kein Platz für das, was ich wollte. Also beschlossen Sebastian und ich, die Firma zu bauen, in der wir gerne arbeiten wollen. Denn wir wollten es RICHTIG machen.“ So war der Name ihres Unternehmens gefunden. Das „based on science“ kam dann als Bezug auf die wissenschaftsbasierten Klimametriken hinzu, die ein wesentlicher Pfeiler ihres Berechnungsmodells sind. Es liefert am Ende die XDC, die X-Grad-Kompatibilität, eines Unternehmens oder eines Fonds. „Die XDC schafft Transparenz darüber, was ein Unternehmen mit dem, was es aktuell tut, zum Klimawandel beiträgt – gemessen am Pariser Klimaziel von deutlich unter 2 Grad.“ Die Erklärung kommt Hannah Helmke flüssig über die Lippen. Mit der right.-Software können außerdem verschiedene Szenarien der Klimastrategie eines Unternehmens durchgespielt werden: Wie ändert sich meine Temperatur, wenn ich mein Kohlekraftwerk durch ein Gaskraftwerk ersetze oder durch ein Erneuerbare-Energie-Kraftwerk. Was, wenn ich meinen Fuhrpark elektrifiziere? Was, wenn ich an meine Lieferkette gehe?
Willkommen Vorreiter, Leuchttürme, Andersdenkende
Die Kunden von right. kommen sowohl aus der Real- und der Finanzwirtschaft, auch staatlich geförderte Forschungsprojekte und NGOs sind darunter. Zu den bekannteren zählen der Dax-Konzern Continental und Greenpeace. Überhaupt Kunden. Hannah Helmke hat zwei Lieblingstypen. Zum einen die klassischen Vorreiter, denen es leicht fällt, andere mitzureißen. Das andere sind die kleinen, andersdenkenden Akteure. „Die, die in unserer innovativen Methodik eine Chance sehen, jetzt schnell in einen Markt zu kommen, der sich gerade wegen der Klimadiskussion verändert.“ Die kleinen Leuchtturmprojekte haben es ihr angetan: „Sie gehen mit einer Wahnsinnskraft und Inspiration voran und zeigen, <2-Grad geht! Andere können dann natürlich fragen, wenn der „Kleine“ das geschafft hat, wieso schafft ihr (Großen) das nicht?“ Hannah Helmke würde sich aber auch freuen, wenn jemand wie BlackRock sagen würde, wir nehmen die Temperatur von unseren Portfolien und steuern <2-Grad. „Das wäre DAS Signal, dass die Realwirtschaft umsteuern muss, denn der Finanzmarkt hat mit die größte Hebelwirkung.“
Spannende Momente
In der Zusammenarbeit mit den Kunden setzt die ebenfalls studierte Psychologin auf Sachlichkeit. „Wir sagen nicht, ihr müsst das so und so machen“, erklärt sie. „Wir trainieren unsere Kunden vielmehr darin, unsere Software zu nutzen, unser Modell zu verstehen und damit z. B. die richtige Klimastrategie zu entwickeln.“ Das schafft Vertrauen. Das braucht es auch. Zum Beispiel, wenn die ermittelte XDC-Zahl bekannt gegeben wird. Da rutscht ein Geschäftsführer schon einmal unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Natürlich ist das ein emotionaler Moment“, meint Helmke. Sie hat schon unterschiedlichste Reaktionen erlebt. Erleichterung zu wissen, wo man steht, aber auch Abwehr und Unglauben. „Dann gehen wir die Zahlen noch einmal zusammen durch, schauen genau, woher sie kommen und wie die Analyse sich zusammen setzt.“ Was für sie überhaupt nicht akzeptabel ist, ist das Angebot, das Modell doch so zu ändern, dass es für den Kunden „profitabel“ ist. „Dafür haben wir right. nicht gegründet!“
Gefragt, was Kunden von einer Zusammenarbeit mit right. haben, sprudelt es nur so aus Hannah Helmke heraus: „Angenommen Sie sind ein Unternehmen mit Investoren und Sie sind ein <2-Grad Unternehmen oder eines, das eine nachweisbare <2-Grad Transitionsstrategie hat. Das bedeutet, dass Sie für Ihre Investoren attraktiver als Ihre 4-Grad-Konkurrenten sind und schneller an Kapital kommen. Für Ihre Kunden wiederum sind Sie der richtige Partner für den Übergang in eine <2-Grad-Welt. Sie haben zufriedene Mitarbeiter*innen, denn diese wollen in einem <2-Grad Unternehmen arbeiten. Sie haben eine Antwort auf die Frage des Gesetzgebers, wie Sie Ihren Beitrag zum Klimawandel erheben und managen.“
Die eigene Welt retten
Verzweifelt man als Klima- und Wirtschaftsexpertin nicht angesichts des Schneckentempos, mit dem die Wirtschaft auf die Klimakrise reagiert? Hannah Helmke hat ihre Antwort gefunden: „Ich packe es mir nicht auf meine Schultern, diese Welt zu retten, das wäre unrealistisch. Ich möchte meine eigene Welt retten.“ Das tut sie, indem sie selbstbestimmt „mit tollen Menschen für eine <2-Grad-Welt arbeitet.“ In der Welt von right. tankt sie auf. Die 15 Beschäftigten aus sechs Nationen haben unterschiedlichste berufliche Hintergründe von Jura über Datenwissenschaft, Mathematik, Physik, BWL, Finanz-, Filmwissenschaft bis hin zu Psychologie. Trotz aller Vielfalt gibt es einen gemeinsamen Nenner. „Wir erkennen alle an, dass es etwas Größeres gibt als uns selbst. Unserer Arbeit verbindet uns mit diesem faszinierenden Erdsystem und gibt uns die Möglichkeit, andere zu begeistern. Wenn mich dann ein Mensch aus der tiefen Finanzwelt fragt ´Was ist eigentlich das IPCC?´, ist das fantastisch! Dann haben wir es geschafft durchzukommen.“
Würde
Die Geschäftsführerin von right. schaut zuversichtlich in die Zukunft. „Ich glaube, dass die Menschen tief in sich die Fähigkeit tragen, würdevoll und innerhalb der planetaren Grenzen zu leben. Nur ist diese Fähigkeit gerade begraben. Aber ich sehe zunehmend Menschen, die sie wieder freilegen.“ Der Klimawandel sei eine gnadenlose Aufforderung an die Menschheit, mehr aus dem zu machen, was ihr zur Verfügung steht. „Die Würde als inneren Kompass wieder zu finden, um dann die richtigen Entscheidungen zu treffen und die Menschen zu finden, mit denen man arbeiten und sein möchte.“ Hannah Helmke findet: „Das ist ein schönes Bild von Neurobiologe Gerald Hüther wie man in die Zukunft gehen kann.“
Auf dem Weg zurück blasen mir wieder die LKWs ihre Abgase ins Gesicht. Ich denke ans Klima, und hoffe, dass wir es richtig machen.
*Conceptual analysis of the international logistics of Daimler Trucks under the assumption of a global 2° target policy. Fotos: right.
GLS Bank Klimafonds
Zusammen mit right.based on science und dem Wuppertal Institut haben wir die Emissionen des GLS Bank Klimafonds gemessen und festgestellt, dass das Portfolio des Fonds deutlich unter 2 Grad liegt.
Erfahrt mehr zum Klimafonds // Blogbeiträge zum Thema Fonds
XDC: Messen mit Sinn
Unser Johannes erklärt auf Youtube, welche Klimawirkung DAX-Unternehmen wirklich haben und wie das X-Degree-Compatilbility-Modell funktioniert.
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