Die Zahlen sind beeindruckend: Allein am dritten Januarwochenende haben in Deutschland Schätzungen zufolge mehr als eine Million Menschen gegen rechts demonstriert. Und das nicht nur in den Großstädten, sondern in deutschlandweit mehr als 70 Orten.
Vielleicht hast auch du an einer dieser Demonstrationen und Kundgebungen teilgenommen. Vielleicht auch nicht, weil du verhindert warst, weil die nächste Veranstaltung zu weit weg war oder weil es Gründe gibt, weshalb du nicht an solchen Protesten teilnehmen kannst. So oder so bist du vielleicht gerade auf der Suche nach Ideen, was du tun kannst, um dich gegen den Aufstieg der AfD, aber auch den gesellschaftlichen Rechtsruck, gegen Rassismus und menschenfeindliche Politik zu engagieren.
Dann habe ich etwas für dich: die To-Do-Liste gegen rechts, mit zehn Vorschlägen für ganz unterschiedliche Aktivitäten. Bestimmt ist auch eine dabei, die zu dir und deinem Leben passt.
Malene Gürgen, Jahrgang 1990, kommt aus Berlin und ist seit 2014 Redakteurin bei der taz. Dort beschäftigt sie sich unter anderem mit der extremen Rechten, seit 2023 als Teil des Investigativteams. Außerdem gehört sie zu den Autorinnen des taz-Newsletters Team Zukunft, der einmal wöchentlich erscheint und eine konstruktive Perspektive auf politische und gesellschaftliche Themen bietet.
1. Sprich mit der Person in deinem Bekanntenkreis, für die der Rechtsruck die größte Bedrohung ist
Wahrscheinlich fänden es die meisten Menschen in deinem Bekanntenkreis nicht gut, wenn die AfD regieren würde. Aber für manche wäre es noch schlimmer als für andere. Weil sie schwarz sind, muslimisch, queer oder jüdisch, weil ihre Eltern nicht aus Deutschland kommen, weil sie linke Kommunalpolitik machen, sich schon lange gegen Rassismus engagieren oder sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beschäftigen. Überlege, auf welche deiner Freund*innen und Bekannten das zutrifft. Dann frag sie, wie es ihnen mit den aktuellen Umfrage- und Wahlergebnissen geht. Sprich mit ihnen darüber und finde heraus, was du tun kannst, damit es ihnen besser geht. Es gibt bestimmt etwas.
2. Geh auf eine Demonstration gegen rechts
Klar, das ist der offensichtlichste Vorschlag, aber deswegen nicht weniger wichtig. Und gerade ist die Auswahl ja groß. Eine gute Übersicht über die geplanten Veranstaltungen bietet die Seite der ehrenamtlichen Initiative Demokrateam.
Übrigens: Es muss bei der Demonstration, auf die du gehst, gar nicht unbedingt um die AfD gehen, damit du dabei etwas gegen den Rechtsruck tust. Auch jeder Protest für mehr Klimaschutz, für die Aufnahme von Geflüchteten, gegen steigende Mieten oder für bessere Bezahlung von Erzieher*innen zählt – solange er nicht von Rechten organisiert wird.
3. Mache antifaschistische Botschaften sichtbar
Du hast kaum Zeit zu demonstrieren, aber du willst trotzdem etwas tun? Du könntest mit Stickern, Flyern und Plakaten dabei helfen, Positionen gegen rechts sichtbar zu machen. Material kannst du zum Beispiel beim Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ bestellen, online findest du noch viele weitere Bezugsquellen. Gerade für Menschen, die wirklich Angst vor Rechten haben müssen, macht es einen Unterschied, ob der öffentliche Raum voll von solchen Botschaften ist oder eben nicht.
4. Unterstütze die Gegenkultur an Orten, an denen die AfD besonders stark ist
Für diese Aufgabe musst du eine kleine Internetrecherche machen, aber das dauert nicht lang. Finde heraus, an welchen Orten besonders viele Menschen AfD wählen. Du kannst dir dafür die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl anschauen, oder du schaust nach, über welche AfD-Hochburgen im Zuge der letzten Wahlen berichtet wurde. Dann schaust du, ob du an diesen Orten Initiativen findest, die der AfD etwas entgegen setzen. Ich verspreche dir, du wirst fast immer fündig. Und alle Initiativen, auf die du stoßen wirst, freuen sich über Unterstützung. Wenn du etwas Geld übrig hast, kannst du es ihnen spenden, wenn nicht, hat vielleicht deine Schwester was, und du kannst sie von einer Spende überzeugen. Oder du schaffst Aufmerksamkeit für die Arbeit der Initiative in den sozialen Netzwerken, nicht nur einmal, sondern immer wieder.
5. Lerne, wie man Zivilcourage zeigt
Manchmal ist man genau dann, wenn es darauf ankommt, überfordert. Wenn in der Bahn jemand eine bettelnde Obdachlose anpöbelt, wenn die Frau in der Schlange beim Bäcker einen rassistischen Spruch gegenüber der Verkäuferin macht. Eine halbe Stunde später, wenn alles vorbei ist, fällt einem dann ein, was die richtige Reaktion gewesen wäre. Das ist normal, aber man kann auch etwas dagegen tun: Wer übt, wie man mit solchen Situationen umgehen kann, hat im Ernstfall ein Repertoire, auf das er zurückgegriffen kann. Der Verein „Gesicht Zeigen“ hat eine Broschüre mit dem Titel „Gesicht zeigen – aber wie“ veröffentlicht, die genau dafür eine praktische Hilfestellung gibt, inklusive Trainingsmethoden für Zivilcourage.
6. Werde Mitglied in einem Verein
Viele, aber nicht alle, die AfD wählen, haben ein gefestigtes rechtsextremistisches Weltbild. Mit denen, die das nicht haben, kann es sich lohnen, ins Gespräch zu kommen. Aber wie, wenn in deinem eigenen Bekanntenkreis niemand AfD wählt? Eine Lösung: Such dir einen Verein, der zu deinen Interessen passt, und werde Mitglied. Egal, ob du gerne Handball spielst oder im Chor singst, ob du die Schule deines Kindes unterstützen möchtest oder den Wald, in dem du joggen gehst: In Deutschland gibt es für fast alles Vereine, es sollte also nicht schwer sein, einen zu finden, der zu deinen Interessen passt.
An solchen Orten kommst du raus aus deiner Blase und in Berührung mit Menschen, die du sonst vielleicht nicht getroffen hättest. Keine Sorge: Es geht nicht darum, dass du einem Schützenverein voller Neonazis beitrittst und dort im Alleingang Überzeugungsarbeit leistet. Aber bei den aktuellen Umfragewerten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du auch im Kleingarten- oder Schwimmverein auf mindestens eine Person stoßen wirst, die mit den Ideen der AfD zumindest sympathisiert.
Gegenüber einer zufälligen Begegnung auf der Straße hat das ein paar Vorteile: Ihr teilt ein gemeinsames Interesse, sonst wärt ihr ja nicht im gleichen Verein, das macht es leichter, miteinander in Kontakt zu kommen und Vertrauen aufzubauen. Vertrauen wiederum ist eine gute Basis für Gespräche und Kritik, auch an politischen Einstellungen. Und solche Gespräche sind ein ziemlich wichtiger Baustein dafür, der AfD Zustimmung zu entziehen.
7. Veranstalte ein Konzert gegen rechts
Schon seit 2006 gibt es die Initiative „Kein Bock auf Nazis“, die sich speziell an Jugendliche und junge Erwachsene richtet. Auf ihrer Homepage gibt es eine tolle Anleitung dazu, wie man ein Konzert oder kleines Festival gegen rechts organisiert. Vielleicht ist das etwas für dich und deine Freund*innen als Sommerprojekt, oder für jemanden, den du kennst?
8. Organisiere einen Workshop gegen Diskriminierung
Wenn du nicht nur dich selbst für unangenehme Situationen trainieren möchtest, sondern auch dein Umfeld ermächtigen und Mitstreiter*innen kennenlernen willst, sind die Seminare für Stammtischkämpfer*innen vielleicht etwas für dich. Sie werden ebenfalls vom Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ angeboten, als Online- oder als Präsenzveranstaltung. Das Bündnis kümmert sich um die Referent*innen, du kümmerst dich um den Rest, vielleicht auch zusammen mit Verbündeten aus deinem Freundeskreis?
9. Engagiere dich in der Kommunalpolitik
Zugegeben, das ist eher etwas für Fortgeschrittene. Aber gleichzeitig ein besonders gutes Mittel gegen den Rechtsruck: An vielen Orten kann die AfD auf kommunaler Ebene vor allem deswegen Mandate gewinnen, weil es an Gegenkandidat*innen fehlt. Und lokale Verankerung ist wichtig für die AfD, um wirklich Macht aufzubauen. Wenn du das stoppen willst, ist es eine super Idee, dich selbst für die Gemeindevertretung oder den Stadtrat aufzustellen. Also, falls du doch schon einmal mit dem Gedanken gespielt hast, dich kommunalpolitisch zu engagieren: Es könnte keine bessere Zeit geben als genau jetzt.
10. Sorge für dich selbst
Seien wir ehrlich: Die AfD wird nicht von heute auf morgen verschwinden, die Einstellungen, auf die sie baut, schon gar nicht. Also geht es für uns, die etwas dagegen tun wollen, nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathon.
Für den braucht man Kraft. Suche dir also Orte, an denen du Kraft schöpfen kannst. Damit meine ich nicht das Yoga-Retreat auf Bali. Ich meine das Abendessen mit Freund*innen, den Waldspaziergang oder die Nacht im Club, das Telefonat mit deiner Tochter oder den Tag ohne Instagram. Wenn du das Gefühl hast, dass solche Dinge in deinem Leben permanent zu kurz kommen, dann probiere mal aus, dir immer am ersten Sonntag im Monat eine Stunde Zeit zu nehmen, um Termine dafür festzulegen und in deinen Kalender zu schreiben. Sehr gut möglich, dass das hilft.
Wenn du weitere Tipps hast, schreibe uns deine Punkte für die To-Do-Liste in die Kommentare!
Wir finden: Menschenrechte sind unverhandelbar.
Wir haben die Correctiv-Recherche, die Auslöser für die vielen Proteste und öffentlichen Diskussionen gewesen ist, zwei Tage nach ihrer Veröffentlichung auf unserem Blog geteilt.
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