Von Klimaschutz sprechen viele, Klimagerechtigkeit rückt erst seit kurzem in den Blick.
Von Theresa Pleye und Dr. Laura Mervelskemper, GLS Wirkungstransparenz und Nachhaltigkeit
Das historische Wirtschaftswachstum heutiger Industrienationen baut zu großen Teilen auf der Ausbeutung und Armut anderer Nationen auf. Diese Ungerechtigkeit wurde in den letzten Jahren durch den voranschreitenden Klimawandel weiter verstärkt: Obwohl hauptsächlich Industrienationen für den Klimawandel verantwortlich sind, sind ärmere Länder ungleich stärker von ihm betroffen.
Der Klimawandel ist ungerecht
Die Ursache für den menschengemachten Klimawandel ist der Ausstoß von Treibhausgasemissionen durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe, Abholzung von Wäldern oder intensive Tierhaltung — vornehmlich von Industrienationen. Deren Mehrung von Wohlstand war und ist an Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen gekoppelt. Damit sind Industrienationen die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel. Die Hauptleidtragenden sind jedoch andere. Vor allem ärmere Regionen und Länder des globalen Südens sind es bereits heute. Sie werden auch in der Zukunft verstärkt vom Klimawandel in Form von Trockenheit, Überflutung oder Hitzewellen betroffen sein.
Gleichzeitig fehlen den Leidtragenden des Klimawandels oftmals die finanziellen Mittel und Ressourcen, um eine Anpassung an die direkten und indirekten Folgen zu finanzieren. Eine weitere deutliche Ungerechtigkeit. Hier zeichnet sich ein Konflikt zwischen den Hauptverursachern des Klimawandels und den Leidtragenden ab.
Wie ein gerechter Klimaschutz aussehen kann
Das Konzept der Klimagerechtigkeit sieht vor, dass die Länder, die basierend auf ihren hohen Treibhausgasemissionen die Hauptverantwortung an der Erderwärmung tragen, nach dem Verursacherprinzip auch für die Folgen und Schäden des Klimawandels verantwortlich gemacht werden. Es gilt, die Verantwortung einzelner Staaten für die Entstehung und das Fortschreiten des Klimawandels und die damit einhergehenden Kosten der weltweiten Klimaanpassungen und -schäden zu bestimmen. Das sowohl für die heutigen als auch für die zukünftigen Generationen. Dabei wird der Klimawandel nicht nur als ein ökologisches, sondern auch als ein ökonomisches, ethisches, politisches und soziales Problem verstanden.
Emissionsbudget gerecht verteilen
Ein wichtiges Ziel des Klimagerechtigkeitsansatzes ist eine gerechte Verteilung des verbleibenden CO2-Budgets auf alle Länder. Das bedeutet auch eine gerechte Emissionsreduzierung. Einen entscheidenden Faktor in der Frage nach der fairen Verteilung von Treibhausgasemissionen nimmt das Pariser Klimaschutzabkommen mit seinen festgelegten maximalen Mengen an noch auszustoßenden Emissionen ein:
- 1,5 °C-Ziel 274 Gigatonnen CO2
- 2 °C-Ziel 1.024 Gigatonnen CO2
Quelle: Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change
Dieses globale Budget gilt es unter strenger Berücksichtigung der Klimagerechtigkeit auf die verschiedenen Staaten zu verteilen. Ein möglicher Ansatz kann die Gleichverteilung des auszustoßenden CO2-Budgets pro Kopf weltweit sei. Danach dürfte beispielsweise jeder Mensch die Menge von einer Tonne CO2 pro Jahr verursachen, um das 1,5 °C-Ziel einzuhalten. Zum Vergleich: Aktuell liegt der Pro-Kopf-Ausstoß in Deutschland bei über neun Tonnen, in Bangladesch bei 0,56 Tonnen pro Jahr.
Andere denkbare Ansätze sind die Verteilung des verbleibenden Budgets basierend auf den kumulierten historischen Emissionen der einzelnen Länder oder anhand des Anteils der Bevölkerung eines Landes an der weltweiten Bevölkerung.
Klimagerechtigkeit in der Praxis
Gerade in den hauptverantwortlichen Industriestaaten wird Klimagerechtigkeit jedoch politisch nicht ausreichend berücksichtigt oder umgesetzt. Die gegenwärtige Umwelt- und Klimapolitik verschiedener Industrienationen wird teils durch fragwürdige Entscheidungen gekennzeichnet, die die globale Klimasituation eher verschlimmern als verbessern. In Deutschland kann hierbei beispielhaft die Unterzeichnung des Kohleausstiegsgesetzes als fragwürdige politische Entscheidung aus Perspektive der Klimagerechtigkeit genannt werden. Das Gesetz regelt den Ausstieg Deutschlands aus der Kohle bis zum Jahr 2038. Dadurch schafft es einen verzögerten Kohleausstieg und eine damit einhergehende emissionsintensive Pfadabhängigkeit für die beiden kommenden Jahrzehnte.
Für verschiedene Wissenschaftler*innen ist das Ausstiegsjahr 2038 nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen zu vereinen. Der Kohleausstieg für ein Industrieland wie Deutschland unter Integration des Klimagerechtigkeitskonzeptes sei bedeutend früher notwendig — und möglich. Indem Industriestaaten verzögert oder unzureichend auf die Notwendigkeit eines ambitionierten und global gerechten Klimaschutzes reagieren, nehmen sie massive soziale, ökonomische und ökologische Ungerechtigkeiten in Kauf.
Was tun?
Als Verbraucher*in können wir durch unser Konsumverhalten Einfluss auf den Klimawandel nehmen, aber wie steht es mit der Klimagerechtigkeit? Was wir dringend brauchen sind die politischen Rahmenbedingungen für wirksamen Klimaschutz. Schaut also bei der Bundestagswahl Im September genau hin, wie sich die Parteien zu Klima- und Gerechtigkeitsfragen positionieren – und prüft auch, welchen Beitrag sie bisher dazu geleistet haben.
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