Tragen Public Private Partnerschaften zur Entwicklung bei? FIAN Deutschland und das INKOTA-Netzwerk wollen eine gerechte Welt ohne Hunger, in der jeder Mensch Zugang zu den Ressourcen hat, die er für ein Leben in Würde braucht. Die beiden GLS Kunden haben jetzt eine gemeinsame Studie zur immer engerer Zusammenarbeit von staatlicher Entwicklungszusammenarbeit und privaten Firmen und Großinvestoren veröffentlicht.
Ein Beitrag von Roman Herre, Agrarreferent von FIAN
Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: der wachsende Einsatz und Einfluss privater Gelder seit gut zehn Jahren hat an den Strukturen, die zu Hunger und Armut führen, nichts geändert – sondern sie sogar verfestigt. Das widerspricht der Aussage ihrer Befürworter*innen, dass NUR mit solchen Investitionen des Privatsektors die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) überhaupt erreicht werden könnten.
Neue Finanzierungsinstrumente
Bei der Einführung der SDGs wurde ein Finanzierungsdefizit von gewaltigen 2,5 Billionen Dollar jährlich kalkuliert. Nur privates Geld könne dieses Loch stopfen (siehe Weltbank, IWF 2015, From Billions to Trillions: Transforming Development Finance). Diese Botschaft wurde nicht hinterfragt und ist heute eine wichtige Grundlage für die Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit vielen neuen Finanzierungsinstrumenten. Public Private Partnerships (PPP), neuartige Entwicklungsfonds oder die Abwicklung von Entwicklungshilfe über Banken und Firmen in Steueroasen verwischen jedoch die Grenzen zwischen privatwirtschaftlichen Akteuren und der öffentlichen Hand. Welche „Entwicklung“ vor Ort stattfindet und wer welche „Rendite“ erwirtschaftet, ist wenig transparent.
Systematisch umgebaut
Unter dem Schlagwort „innovative Finanzierungen“ wurde und wird die Entwicklungszusammenarbeit systematisch umgebaut.
Die neuen Finanzinstrumente stellen die Interessen von Großinvestoren wie Pensionskassen oder Banken in den Vordergrund. Entwicklungspolitische Ziele werden damit in vielen Fällen sogar untergraben.
Die Zahlen sprechen für sich:
- Das Volumen der vom Entwicklungsministerium (BMZ) am Finanzmarkt geliehenen und weitergereichten Mittel stieg innerhalb von zehn Jahren um das 18-fache auf nun 3,7 Milliarden Euro (zum Vergleich: der BMZ-Etat liegt bei rund 7,3 Milliarden Euro).
- Die staatliche KfW-Entwicklungsbank hält Beteiligungen an 43 Fonds mit einem Buchwert von insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Die DEG, Tochterbank der KfW, hat 52 Prozent ihrer 7,2 Milliarden Euro Entwicklungsgelder an Finanzinstitute vergeben.
- Die Finanzierung und Beteiligung der DEG an Unternehmen in Finanzoasen wie den Kaimaninseln oder Mauritius hat sich innerhalb von zehn Jahren auf 372 Millionen Euro verfünffacht. Das BMZ erklärt, dies sei notwendig, „um sich in einem kompetitiven Marktumfeld behaupten“ zu können.
Handel mit Entwicklungskrediten
Die Weltbank plant, in großem Stil Entwicklungskredite als handelbare Finanzprodukte zu verkaufen. Damit würde sie sich in jenen kaum regulierten Bereich der Finanzwelt begeben, der maßgeblich für die Finanzkrise verantwortlich war. Durch den Verkauf an private Investoren würde sich der Renditedruck deutlich erhöhen. Weitere Privatisierungen von Infrastruktur, Gesundheit, Bildung oder Landwirtschaft wären die Folge.
Legitimiert werden solch verschachtelte Konstrukte oft mit fragwürdige Kennzahlen und angenommenen Wirkungen. Zum Beispiel erklärt die DEG in ihrem Jahresabschluss 2018, dass „DEG-Kunden rund 1,5 Millionen Menschen beschäftigen“. Was davon auf die Wirkung einer DEG-Finanzierung zurückzuführen ist, ist unklar. Aus entwicklungspolitischer und menschenrechtlicher Perspektive müsste zudem qualifiziert werden, ob durch die Finanzierungen auch Arbeitsplätze verloren gingen. Dies ist besonders bei Agrarfinanzierungen im globalen Süden ein bedeutender Aspekt: Dort arbeiten oft 70 bis 80 % der Bevölkerung in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Investitionen in eine großflächige Landwirtschaft macht Kleinbäuer*innen aber oft land- und arbeitslos (siehe Rauch et al. ,2016, Ländlicher Strukturwandel in Subsahara Afrika).
Menschenrechte werden torpediert
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich das BMZ mit diesem Schwerpunkt auf den falschen Weg begeben hat, um Hunger und Armut strukturell zu bekämpfen. Es verliert die eigentlichen Zielgruppen der Entwicklungszusammenarbeit – marginalisierte Bevölkerungsgruppen – aus dem Blick. Menschenrechtliche Prinzipien verschwinden in den komplexen Finanzierungs- und Beteiligungsnetzen. Und da es meist keine Informationen über die finalen Empfänger*innen der Gelder gibt, sind konkrete menschenrechtliche Wirkungen solcher „innovativen“ Entwicklungsfinanzierungen in der Regel unbekannt. Menschenrechtliche Rechenschaftspflichten werden torpediert und nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit der Entwicklungshilfe untergraben.
Die Studie
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den hier angerissenen Aspekten findet ihr in der Studie „Agrarkonzerne und Finanzindustrie: Die neuen Lieblinge der Entwicklungszusammenarbeit?“
Fotos: FIAN, Titelfoto: Plakatwand in Sambia
Lest dazu auch den Beitrag von Dr. Annette Massmann, Geschäftsführerin der Zukunftsstiftung Entwicklung:
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