Über 90 Prozent der Kühe in Deutschland sind enthornt, doch die Hörner erfüllen für die Tiere wichtige Funktionen.
Ein Beitrag von Annika Bromberg, Zukunftsstiftung Landwirtschaft.
Lesen mit Hörnern
Hörner sind für das soziale Miteinander von Rindern von großer Bedeutung. Da diese von Natur aus schlecht sehen können, nutzen sie die Hörner als Kommunikationsmittel. Die Tiere können durch die Hörner die Kopfhaltung der anderen Kuh besser „lesen“ und wissen somit frühzeitig, ob sie dem anderen, möglicherweise ranghöheren Tier, ausweichen sollten. Im normalen Rangkampf Stirn an Stirn helfen die Hörner den Tieren, nicht abzurutschen: Wer stärker schiebt gewinnt.
Enthornen ist schmerzhaft
Aber gerade wenn die Tiere fast ihr gesamtes Leben im Laufstall verbringen, führt der Einsatz der Hörner leicht zu Verletzungen. Aus diesem Grund werden mit einem Brenneisen die Hornansätze weggebrannt (meist ohne Betäubung, denn nur Bio-Landwirte haben eine Betäubungspflicht). Dies ermöglicht es dem Betrieb mehr Tiere zu halten und somit mehr Milch zu produzieren.
Doch das Enthornen ist eine sehr schmerzhafte Prozedur. Im Gegensatz zum Geweih sind Hörner stark durchblutet. Sie wachsen ein Leben lang. Krankheiten oder starke körperliche Beanspruchungen hinterlassen klare Spuren an den Hörnern.
„Anhand der Ringe am Horn – analog zum Cambium beim Baum – kann man die Anzahl der Kälber ablesen, die eine Kuh bekommen hat“, Ruth Laakmann vom Schanzenhof am Niederrhein
Es geht auch mit Hörnern
Dass es eben auch mit Hörnern geht, zeigen Demeter-Landwirte*innen wie Ruth Laakmann. Unterstützung bei Haltungsfragen bekommt sie dabei von Demeter-Beratern wie Ulrich Mück. „Wichtig ist besonders eine Herdenführung im Stall, die Rücksicht nimmt auf die Bedürfnisse des Soziallebens der Kühe. Dann reichen oft wenige zusätzliche stallbauliche Gesichtspunkte und etwas mehr Raum pro Kuh, um eine ruhige Herde horntragender Kühe im Laufstall halten zu können“ erklärt er. Über das Herden- und Stallmanagement und den züchterischen Blick auf umgängliche Tiere hat der/die Landwirt*in also die Möglichkeit, die Verletzungsgefahren möglichst gering zu halten.
Dominantes Hornlos-Gen
Die Betriebe, die auf genetisch hornlose Tiere setzen, haben es diesbezüglich einfacher. Auch das lästige Enthornen entfällt. Aber: die Eigenschaft horntragend wird rezessiv vererbt. Es müssen also die Gene beider Elternteile das Merkmal horntragend haben, damit ein Tier überhaupt Hörner ausbildet – erstaunlich, dass trotzdem fast alle Rinderrassen der Welt Hörner haben! Mittlerweile werden vermehrt Bullen gezüchtet und auch auf Bio-Betrieben eingesetzt, die das dominante Hornlos-Gen reinerbig in sich tragen und somit sicher weitervererben. Tragen genügend Tiere einer Population das „Hornlos-Gen“, ist es fast unmöglich, die Hörner wieder zurückzubekommen.
Physiologische Wirkung von Hörnern wenig untersucht
Auch ist die physiologische Bedeutung des Horns für die Kuh bisher nur wenig erforscht. Wusstet ihr z. B., dass die Hörner auch an der Verdauung beteiligt sind? Der Verdauungsvorgang der Kühe benötigt Zeit, denn die Tiere holen als Wiederkäuer jeden Bissen mehrmals aus dem Magen wieder zurück ins Maul, um ihn dort weiter zu zerkleinern. Beim Wiederkäuen gelangen auch die im Pansen gebildeten Gase in das Horn, denn der unter dem Horn sitzende Knochen ist innen hohl und stellt eine Vergrößerung der Stirnhöhle dar. Die Luft aus dem Rachenbereich durchströmt also auch diese, mit Schleimhaut ausgekleideten Hornzapfen (s. Foto). Welche Auswirkungen dies auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere hat ist bisher wenig untersucht.
Hornträger bevorzugt
Für Demeter-Landwirt*innen sind die Hörner an den Kühen essenziel. Doch absehbar ist bereits, dass etliche Rinderrassen ihre Hörner durch die Zucht verlieren werden. Daher informiert der Demeter-Verband aktiv über die Bedeutung der Hörner und will, gemeinsam mit Bioland, auch weiterhin horntragende Kühe züchten.
„Kühe mit Hörnern sind neben ihrem ästhetischen Anblick eine wichtige genetische Ressource, die wir im Interesse der Bio-Bauern, die damit weiter züchten wollen, erhalten müssen.“ Michael Olblich-Majer vom Demeter Verband
Um zu verhindern, dass die „Hornkuh“ ganz verschwindet, arbeitet die Zukunftsstiftung Landwirtschaft mit den Bio-Anbauverbänden zusammen und unterstützt Projekte zur Erhaltung der Hörner, ebenso der Tierzuchtfonds der ZSL. Auch ihr könnt dazu beitragen, dass Kühe weiterhin Hörner tragen können, mit einer Geschenkspende für das „Projekt zur Erhaltung der Hornkuh“.
Fotos: Zukunftsstiftung Landwirtschaft
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