Archivbeitrag

Neue Gentechnik – nicht hinter unserem Rücken!

Die Europäische Kommission hat einen Gesetzentwurf angekündigt, mit dem sie das bestehende Gentechnikrecht ändern will. Produkte bestimmter Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas sollen dabei dereguliert und auch nicht mehr gekennzeichnet werden. Bio-, Umwelt- und Verbraucherverbände rufen dagegen zum Protest auf.

Gentechnik – war da was? Der direkte, technische Eingriff ins Erbgut von Tieren und Pflanzen galt Ende des letzten Jahrhunderts als eine neue Zukunftstechnologie, die unsere Landwirtschaft und Ernährung revolutionieren würde: Präziser, schneller und zielgenau könnten mit ihrer Hilfe Produktivitätssteigerungen und vielfache Umweltvorteile erzielt werden, die mit herkömmlicher Züchtung gar nicht oder nur sehr viel langsamer möglich wären.

Kritiker*innen warnten allerdings vor unbekannten und schwer beherrschbaren Risiken, vor allem dann, wenn gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in die Umwelt freigesetzt werden und sich dort vermehren. 1990 verabschiedete die Europäische Union deshalb Richtlinien für die Risikoabschätzung und Zulassung sowie zur Kennzeichnung von GVO. Der biologische Landbau schloss den Einsatz von Gentechnik in seinen Richtlinien weltweit kategorisch aus.

Gentechnische Ernährung: Konzept hat sich nicht durchgesetzt

Nach heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen konnte sich das Konzept gentechnischer Landwirtschaft und Ernährung bei Verbraucher*innen in Europa nicht durchsetzen. In Lebensmitteln und der Landwirtschaft spielen GVO (anders als in der Medizin) seit einigen Jahren praktisch keine Rolle in Deutschland und der Europäischen Union. Auch in anderen Regionen der Welt setzten sich bisher nur wenige Gentechnikpflanzen durch. Wenn sie es taten, dann auf enormen Flächen einiger weniger Monokulturen: entweder weil sie bestimmten Pestiziden (allen voran Glyphosat von Bayer/Monsanto) widerstehen, während alle anderen Pflanzen eingehen, oder weil sie selbst neue Gifte gegen Insekten produzieren. Aus allen anderen Versprechungen wurde bisher jedoch wenig; auch weil sich die Veränderung von Organismen und ihren Eigenschaften als erheblich komplizierter erwies als ursprünglich angenommen.

CRISPR: Eine neuartige Form des Eingriffs in die DNA

Vor zehn Jahren entwickelten zwei Forscherinnen aus einem bakteriellen Immunsystem gegen Viren eine neuartige Form des technischen Eingriffs in die DNA (Träger der Erbinformation). Mit CRISPR/Cas lässt sich der Ort der gentechnischen Veränderung sehr viel genauer bestimmen als zuvor. Einzelne Basenpaare oder kurze Abschnitte der DNA können so „umgeschrieben“ werden; auch die Übertragung langer DNA-Abschnitte an genau bestimmbaren Orten des Erbgutes wird so möglich. Für die molekularbiologische Forschung eröffnet CRISPR/Cas gewaltige neue Möglichkeiten.

Gentechnik wird zu “gerichteter Mutation”

Auch der Fantasie der Gentechnik-Branche geben CRISPR/Cas und ähnliche „Genomeditierungsverfahren“ massiven Aufschwung. Weil die Gentechnik in der Öffentlichkeit keinen guten Ruf hat, verfielen Wissenschafts- und Technikunternehmen auf die Idee, das Ganze einfach nicht mehr Gentechnik zu nennen. Die Rede ist jetzt von „gerichteter Mutation“. Weil Mutationen auch natürlich vorkommen, handle es sich um quasi naturidentische Verfahren. Dem schob der Europäische Gerichtshof 2018 mit einem Grundsatzurteil einen Riegel vor: CRISPR/Cas sei nach geltendem Gentechnikrecht zweifellos ein gentechnisches Verfahren, dessen Risiken grundsätzlich nicht geringer seien als die der klassischen Gentechnik.

Droht das Ende der Gentechnikfreiheit?

Diese höchstrichterliche Entscheidung lässt sich nur aushebeln, indem man die Gesetze verändert, auf der sie beruht. Genau das schlägt die EU Kommission nun vor: Bestimmte Anwendungen von CRISPR/Cas sollen künftig einfach nicht mehr als Gentechnik gelten. Sie müssten dann weder nach dem Gentechnikrecht zugelassen noch gekennzeichnet werden. Für all jene, die auf Gentechnik in ihren Lebensmitteln und Saatgut verzichten wollen und die sich kein X für ein U vormachen lassen wollen, wäre dies das Ende der Gentechnikfreiheit. Verbraucher*innen könnten sich nicht mehr sicher sein. Der Biolandbau müsste einen wichtigen Grundsatz aufgeben. Und alle, die auf Gentechnik verzichten wollen, wären über Nacht ihrer Informations- und Wahlfreiheit beraubt.

Deine Stimme erheben: Petition unterzeichnen

Logo der Organisation GMO-free EuropeWenn du dagegen deine Stimme erheben willst, kannst du dich bis zum 20. November an der gemeinsamen Petition „Nicht hinter unserem Rücken“ von Bio-, Umwelt-, Verbraucher- und Landwirtschaftsverbänden beteiligen. Am 17. November findet im Europäischen Parlament und online zu dem Thema eine Debatte von GMO-Free Europe statt, auf der gentechnikfreie Regionen, Produzent*innen und Verbraucher*innen Widerspruch anmelden gegen die geplante Deregulierung der europäischen Gentechnikgesetzgebung.

Mehr zum Thema findet ihr im aktuellen Jahresbrief der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, beim Informationsdienst Gentechnik, bei Testbiotech und Save Our Seeds.

Wie schaut es aus: Unterschreibst du die Petition?

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17 Antworten zu „Neue Gentechnik – nicht hinter unserem Rücken!“

  1. Avatar von Kai
    Kai

    Der ganze Artikel ist eine einzige Falschinformation um Ängste zu schüren.
    Es gibt inzwischen über 30 Jahre Forschung zum Thema und alle naturwissenschaftlichen Organisationen in diesem Bereich haben auf der Basis einer Vielzahl von Studien und Metastudien eine klare Position: Die Züchtungsmethode ist unerheblich für das Risiko. Für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind gentechnische Methoden sehr wichtig, da sie zielgerichteter und schneller sind. Das hilft, auch bei schwindenden Ackerflächen, die in Zukunft auf 11 Mrd. Menschen anwachsende Weltbevölkerung zu ernähren.
    Oder ist euch das egal, den Europa hat‘s ja und das Leid findet ja auf anderen Kontinenten statt?

  2. Avatar von Chris
    Chris

    Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat geurteilt, dass auch die neuen Gentechnik-Technologien wie z.B. CRISPR/Cas selbstverständlich Gentechnik darstellen und deshalb auch wie Gentechnik behandelt und reguliert werden müssen. Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass der EuGH sich zuvor intensiv mit den Argumenten der Wissenschaftler beschäftigt hat, die eben doch nicht alle einer Meinung sind wie meine Vorredner hier glauben machen wollen. Darüber hinaus ist der EuGH weder als anti-wissenschaftlich oder esoterisch oder radikal noch als hauptberuflicher Gentechnik-Gegner bekannt, sondern geniesst in Europa hohes Ansehen.

    Ich selbst beschäftige mich seit knapp 15 Jahren beruflich und privat recht intensiv mit der grünen Gentechnik. Ich bin kein Wissenschaftler, lese aber wissenschaftliche Positionen und lehne im Ergebnis (wie die allermeisten Europäer) die grüne Gentechnik ab – und zwar nicht nur aus Gründen der Nahrungsmittelsicherheit. Ich glaube auch, dass wir großen Unternehmen nicht die Macht über unsere Lebensgrundlagen geben dürfen, was mit der Patentierung aber faktisch geschieht. Auch wenn Bayer/Monsanto, Syngenta & Co. sich immer wieder als eine Art Welthungerhilfe darstellen, dürfen wir nicht vergessen, dass es sich dabei um Großkonzerne handelt, die eine aggressive und rücksichtslose Gewinnmaximierungsstrategie fahren.

    Ich bin Kunde und Mitglied der GLS Bank, gerade weil sie beim Thema grüne Gentechnik eine klare Position bezieht – und dies übrigens auch sehr nachvollziehbar begründet. Ich habe die oben verlinkte Petition gerade unterschrieben und werde meine Freunde darauf aufmerksam machen, von denen vermutlich auch die meisten unterschreiben werden.

    1. Avatar von Robert Hoffie
      Robert Hoffie

      Wie Sie selber schreiben, ist die Oligopolisierung der Saatgutbranche ein Problem, das im Kartell- und Patentrecht reguliert werden muss.
      Die EU-Freisetzungsrichtlinie ist schlicht nicht der richtige Rechtsrahmen, diese sozioökonomischen Aspekte zu regulieren.

    2. Avatar von Robert Hoffie
      Robert Hoffie

      Ein zweiter Punkt: Der EuGH hat keine Bewertung des Risikos der neuen Methoden vorgenommen. Die rechtliche Frage war im Kern: Fallen die neuen Methoden unter die sog. Mutageneseausnahme? Diese regelt, dass alte Methoden der genetischen Veränderung, wie Bestrahlung oder Behandlung mit mutagenen Chemikalien, die zwar unter die Gentechnik-Definition des EU-Rechts fallen, trotzdem von der Regulierung und Kennzeichnung ausgenommen sind. Pflanzen, die mithilfe dieser Techniken gezüchtet wurden, essen wir jeden Tag. Sie sind sogar in Produkten mit dem „Ohne Gentechnik“-Label enhalten.
      Der Generalanwalt am EuGH plädierte dafür, dass die Mutageneseausnahme auch für neue Methoden der genetischen Veränderung gilt, wenn dafür keine Gene aus anderen Arten übertragen werden. Die Richter*innen des EuGH legten das bestehende Recht anders aus: NAch dem Urteil handele es sich bei der Ausnahme um eine abgeschlossene Liste. Darum dürfen Methoden, die nach 2001 entwicklet wurden, nicht darin aufgenommen werden.
      Kurz gesagt: Der EuGH als Judikative konnte nur die bestehende Rechtslage juristisch auslegen. Wissenschaftliche Argumente spielten dabei praktisch keine Rolle. Darum ist es nun Aufgabe der Legislative, dieses veraltete Recht an den aktuellen Wissensstand anzupassen. Dass sich NGOs und auch einige Politer*innen seit dem Urteil von 2018 hinter dem EuGH verstecken, zeugt von wenig Kenntnis der demokratischen Gewaltenteilung und der Aufgaben der unterschiedlichen Beteiligten.

    3. Avatar von Benny Haerlin
      Benny Haerlin

      @Robert Hoffie Der Europäische Gerichtshof schreibt in seinem Urteil (Absatz 48 ff)

      „Wie das vorlegende Gericht im Wesentlichen hervorhebt, könnten sich die mit dem Einsatz dieser neuen Verfahren/Methoden der Mutagenese verbundenen Risiken aber als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO durch Transgenese auftretenden Risiken erweisen. Aus den Angaben, über die der Gerichtshof verfügt, ergibt sich somit zum einen, dass mit der unmittelbaren Veränderung des genetischen Materials eines Organismus durch Mutagenese die gleichen Wirkungen erzielt werden können wie mit der Einführung eines fremden Gens in diesen Organismus, und zum anderen, dass die Entwicklung dieser neuen Verfahren/Methoden die Erzeugung genetisch veränderter Sorten in einem ungleich größeren Tempo und Ausmaß als bei der Anwendung herkömmlicher Methoden der Zufallsmutagenese ermöglicht.““

      Auch die folgen Absätze befassen sich mit der Risikoabschätzung und dem erforderlichen Risikomanagement. Das Urteil finden Sie hier:
      https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=CE6B651C4EB7A73EC9DD356EBCA832CC?text=&docid=204387&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=265057
      Eine Zusammenfassung hier:
      https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwiu9bmmyoz7AhWXhv0HHYD9BEoQFnoECBQQAQ&url=https%3A%2F%2Fcuria.europa.eu%2Fjcms%2Fupload%2Fdocs%2Fapplication%2Fpdf%2F2018-07%2Fcp180111de.pdf&usg=AOvVaw1BEd4beTpH3A8Az_DzpOtP

  3. Avatar von Fl
    Fl

    Sehr schade, so einen Kommentar hier zu lesen. Die GLS Bank stellt sich gegen den wissenschaftlichen Konsens von allen wichtigen Wissenschaftsorganisationen. CRISPR ist nicht risikoreicher als jede andere Züchtungsmethode. Bitte in Zukunft sich nicht nur von Lobbyisten vorführen lassen!

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