Das Zinstief stellt Stiftungen vor neue Herausforderungen: Die Erträge sinken – und somit auch die Fördermöglichkeiten. Die GLS Treuhand bietet Stiftungen mit Mission Investing eine doppelt wirksame Lösung. Die Troxler-Haus Stiftung mit Werkstatt für Menschen mit Behinderung zeigt Lösungsansätze.
Das Troxler-Haus in Wuppertal ist eine Institution mit Tradition. Bei der Gründung 1961 war es eine der ersten Werkstätten in Deutschland, die Menschen mit Behinderung Ausbildung, Arbeit und damit eine Perspektive bot. Mittlerweile gehören neben der Werkstatt, in der 480 Menschen beschäftigt sind, eine Schule mit 140 Schülern, ein inklusiver Kindergarten, den 70 Kinder besuchen, und ein Biohof zu der anthroposophischen Einrichtung. In neun Gebäuden wohnen 105 Betreute. Ein Riesenbetrieb. Es kostet bis zu zwölf Millionen Euro jährlich, ihn aufrechtzuerhalten.
Damit die Finanzierung nicht nur von den staatlichen Leistungen für die Betreuung der Behinderten und Spenden abhängig ist, plante Geschäftsführer Peter Gutland eine Stiftung. Große Spenden, so argumentierte er, würden immer lukrativer, weil die Regierung die Abschreibungsquoten schrittweise anhebe. Warum also nicht davon profitieren?
Gutland träumte davon, anthroposophische Therapien, für die der Staat die Kosten nicht übernimmt, Pflegebedürftigen zugänglich zu machen, die es sich sonst nicht leisten können. Reittherapie, Maltherapie oder Sprachgestaltung etwa. Eine Erbschaft erlaubte es Gutland, zusammen mit der GLS Treuhand mit 385.000 Euro 2006 zu starten.
„Wir bringen Menschen mit Geld und Menschen mit Bedarf zusammen“, erklärt Christiane Altenkamp, Betreuerin des Troxler-Hauses, vereinfacht die Idee der GLS Treuhand. Genauer: Die GLS Treuhand vermittelt zwischen Menschen, die spenden, schenken oder stiften wollen, und sozialen oder ökologischen Einrichtungen, die darauf angewiesen sind. Zur Verwaltung und Anlage der Finanzen hat die GLS Treuhand 1974 die GLS Gemeinschaftsbank gegründet.
Insgesamt betreut die GLS Treuhand inzwischen ein Vermögen von rund 104 Millionen Euro. Lediglich 20 Prozent davon sind fest gebunden, der Rest fließt in die 95 Stiftungen und rund 100 Projekte, die jährlich gefördert werden. „Wir empfehlen grundsätzlich das Modell der Gebrauchsstiftung“, sagt der Geschäftsführer Lukas Beckmann. Es erlaubt den Stiftungen — anders als beim herkömmlichen Konzept — jährlich einen gewissen Prozentsatz des Kapitalstocks abzuschmelzen.
Das Troxler-Haus, das seit 1961 Kunde der GLS Treuhand ist und die Kundennummer 27 hat, wählte eben jenes Modell. „Ich wollte, dass wir in Notzeiten auch an den Kapitalstock gehen können“, sagt Gutland. Notzeiten wie das Zinstief? In Deutschland verfügen die Stiftungen nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Stiftungen (BDS) über ein
Vermögen von rund 100 Milliarden Euro. „Ob man einen jährlichen Zinsertrag von sieben oder 1,5 Prozent hat, macht einen gewaltigen Unterschied“, sagt Beckmann. Es hat unmittelbare Auswirkungen auf die Wirkung von Stiftungen. Die GLS Treuhand reagierte nach dem Einbruch 2011 darauf, indem sie noch stärker als bisher mit Stiftungsvermögen in Immobilien, Landflächen und soziale oder ökologische Unternehmen investiert hat und mehr denn je auf das sogenannte Mission Investing setzt. Mission Investing bedeutet, dass das Geld nicht am Finanzmarkt angelegt wird, sondern in sinnvolle Projekte. Mit dem Stiftungskapital wird nicht am Finanzmarkt spekuliert, sondern es wird beispielsweise in Form von Krediten sofort zu einem guten Zweck angelegt. So hat das Troxler-Haus etwa einem Kindergarten in Norddeutschland ein Darlehen gewährt, um ein Haus zu bauen. „Die Zinsen sind da natürlich nicht hoch, etwa ein halbes Prozent“, sagt Gutland. Aber bei den Banken oder am Anleihenmarkt bekäme man derzeit auch nicht viel mehr dafür. Das Zinstief, mit dem derzeit die Finanzbranche und Versicherer kämpfen und das auch Sparer zu spüren bekommen, hatte für die Troxler-Haus Stiftung kaum Auswirkungen. Im Hochrisikobereich sei man nie unterwegs gewesen. „Unsere Erträge liegen seit 2008 konstant zwischen drei und vier Prozent“, sagt Gutland. Ein Ausgleich für günstige Darlehen seien etwa die Investitionen erhält die Stiftung bis zu sieben Prozent Rendite. Das Troxler-Haus ist damit eine Ausnahme, aber nur, weil die Stiftung nie höhere Erträge hatte.
Laut Umfrage des Stiftungsverbands BDS lagen die Erträge der knapp 21.000 Stiftungen im Bundesgebiet im Median 2014 bei lediglich 3,3 Prozent. 2000 waren es noch fünf Prozent. Bei knapp 60 Prozent der Stiftungen blieben die Ausgaben zur Zweckverwirklichung im vergangenen Jahr gleich — vor allem für kleinere Stiftung ist laut BDS das Zinstief eine Herausforderung. Die Vermögensverwalter der GLS erwirtschafteten im vergangenen Jahr immerhin noch 3,7 Prozent.
Auch die GLS Treuhand wird das Niveau nicht halten können, ohne etwas zu unternehmen. „Wir verdanken das auch einigen alten und zinsstarken Erträgen“, sagt Beckmann. In zwei bis vier Jahren müssten neue ertragreiche Anlageformen gefunden werden, meint auch Christiane Altenkamp: „Mission Investing hält Einzug.“ Altenkamp hat eine ungewöhnlich enge Beziehung zum Troxler-Haus. Sie ist selbst Wuppertalerin, ihr Sohn hat in der Einrichtung sein freiwilliges soziales Jahr absolviert und seit einigen Jahren sitzt sie auch im Stiftungsrat. Hier kann sie mitentscheiden, was mit dem Kapitalstock gemacht wird. Neben Krediten an andere soziale oder ökologische Projekte vergibt die Stiftung auch Darlehen an die gemeinnützigen Einrichtungen des Troxler-Hauses und lässt das Kapital so unmittelbar zweckgerichtet wirken. Die Schule hat nun eine Photovoltaikanlage, der Biohof einen neuen Heuwender. Und wenn sich einer der Menschen vom Troxler-Haus eine Therapie oder eine Ferienfahrt nicht leisten kann, dann entscheidet der Stiftungsrat über eine Förderung. Zwar hängt nicht die Existenz von der Stiftung ab — und das wird bei einem Mittelbedarf von bis zu zwölf Millionen Euro jährlich auch so bleiben — aber Gutland will weiter aufbauen. „Vor allem im Wohnbereich, wir haben eine ganze Menge Anfragen.“ Die Erträge aus der Stiftung, die mittlerweile rund eine Million im Topf hat, minimieren zudem ein anderes Risiko: „Die Spenden werden weniger, der Anteil an der Gesamtfinanzierung sinkt“, sagt Gutland. Der Geschäftsführer führt das auf die Vielzahl der Hilfsmöglichkeiten zurück. Auch wenn jährlich noch bis zu 10.000 Euro auf dem Spendenweg in den Haushalt fließen — damit kann man nicht solide kalkulieren. Auf Fundraising, auf das laut BDS ein Großteil der Stiftungen setzt, kann das Troxler- Haus dank Mission Investing getrost verzichten. Und sollte das Zinstief anhalten, dann kann man in Wuppertal dank des Modells der Gebrauchsstiftung auf den Kapitalstock zugreifen — und ist so doppelt gesichert.
Autorin: Birgit Haas
Mission Investing Forum
Wie können Stiftungen ihr Stiftungsvermögen aktiv zweckbezogen investieren und als gesellschaftliches Gestaltungsmittel einsetzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Mission Investing Forum, zu dem die GLS Bank Stiftungen und Interessierte jedes Jahr nach Bochum einlädt.
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