Der Mannheimer Verein Kinderhospiz Sterntaler unterstützt lebensbegrenzend erkrankte Kinder sowie deren Familien und begleitet sie auf ihrem schweren Weg.
Zur ambulanten pflegerischen Begleitung bietet Sterntaler mit dem stationären Kinderhospiz in Dudenhofen den betroffenen Familien eine zusätzliche Möglichkeit der Unterstützung. Die ehemalige Mühle ist ein Ort der Ruhe und der Kraft, den die Familien mit ihren kranken Kindern immer wieder aufsuchen können, um sich für den oft jahrelangen Weg der Pflege und Begleitung zu stärken. Die GLS Bank finanzierte einen Anbau, durch den die Zahl der Plätze von drei auf zwölf erhöht werden konnte. Wir sprachen mit Pressesprecher Linnford Nnoli über Arbeit und Anliegen der „Sterntaler“.
Warum wurde das Kinderhospiz gegründet?
Unsere frühere Chefin Ursula Demmer arbeitete als MTA in einer Arztpraxis. Immer wieder bekam sie mit, dass Eltern bei schlimmen Diagnosen einfach alleine gelassen wurden, in einer Situation, in der auf einmal viel mentales Elend und tausende Anträge zugleich bewältigt werden mussten. Daraus entwickelte sie ein Konzept für eine Instanz, die betroffene Eltern bei der Hand nimmt, sensibel in die Thematik einführt, bürokratische Arbeiten abnimmt, pflegerisch und beratend während der Krankheit und auch in der schwerwiegenden Zeit danach noch zur Seite steht und Entlastung schafft, wo nur möglich. Die Familien können zudem nicht einfach mal locker Urlaub machen mit den ganzen Geräten und der notwendigen medizinischen Betreuung. Unsere Arbeit geht auch nach der Verabschiedung des Kindes weiter. Die Trauerbegleitung ist ebenfalls eine sehr wichtige Kernaufgabe der Sterntaler, nicht nur für die Familien. Mitunter müssen unsere Pädagogen durchaus auch mal in Kindergartengruppen, um darüber zu sprechen, warum ein Kind plötzlich nicht mehr da ist und um den Leidensdruck von Kindern und Erziehern zu mindern.
Wie helfen Sie den Betroffenen?
Zum einen stationär mit der Dudenhofer Mühle, zum anderen ambulant mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung, Pflegeberatung und -anleitung, überhaupt mentaler, medizinischer, technischer Beratung und Beratung im Umgang mit der Betroffenheit anderer. Darüberhinaus bilden wir Ehrenamtliche als Familienbegleiter aus. Diese segensreiche „Helfer-Schar“ nimmt den Familien alltägliche Dinge ab, vom Einkaufen und Mitkochen bis zum Kümmern um die Geschwisterkinder, wie es auch ein zuverlässiger Freund tun würde. Bezahlen könnten wir und ungezählte andere Einrichtungen diese vielfältigen Leistungen gar nicht. Um so dankbarer sind wir für das unschätzbare Engagement unserer großartigen Ehrenamtler.
Worauf legen Sie bei der Arbeit besonderen Wert?
Wir sind sehr glücklich darüber, wenn Familien sagen, die alte Mühle ist für uns ein zweites Zuhause geworden. Selbst Eltern, deren Kinder schon vor Jahren auf die Reise gegangen sind, kommen immer wieder. Häufig sagen Eltern auch: „Wir sind froh, dass es in Dudenhofen passieren durfte.“ Denn hier fanden sie Unterstützung vom Sterntaler Team und Solidarität anderer Eltern in der gleichen Situation und haben erlebt, dass das Leben weiter geht, auch wenn man gerade denkt, vor Schmerz und Traurigkeit, den Verstand zu verlieren.
Diese Erfahrung, dass der andere genau weiß, wovon man spricht, in welchem Dilemma zwischen Trauer, Entmutigung und Wut man steckt, machen auch die Geschwisterkinder, die sich mit den anderen Geschwisterkindern oft blind verstehen. Für sie gibt es einen eigenen Geschwisterbereich, wo sie die erste Geige spielen und pädagogisch darauf geachtet und eingegangen wird, wie sie die schwere Lebenssituation möglichst gut kompensieren können.
Woher kommt der Name?
„Sterntaler“ lehnt an das Grimmsche Märchen an. Da gibt ein Mensch alles, auch das letzte, und wird dafür irgendwie belohnt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen alles geben. Sie erleben viele hochsensible Problemsituationen, haben sehr emotionale Begegnungen, bei denen viel von ihrer Empathie abhängt. Wir haben ein fantastisches Team, das mitfiebert, mitleidet und sich mitfreut, von den Verwaltungsangestellten über die Pflegerinnen und Pfleger, bis hin zu den Menschen in der Hauswirtschaft. Unsere Pflegekräfte wissen, dass sie die Kinder verlieren werden, dennoch können, wollen und sollen sie sich nicht abgrenzen. Und dafür gibt es als große Belohnung die Zuneigung und die Freude des Kindes beim nächsten Wiedersehen. Das sind unsere symbolischen Goldtaler.
Der alltägliche Umgang mit Krankheit und Tod ist nicht einfach. Wo finden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hilfe?
Dass Distanz zu wahren professionell sei, ist eine weit verbreitete Annahme. Das geht bei uns nicht. Man lässt sich ein und das natürlich möglichst besonnen, aber immer wieder mit ganzem Herzen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich in der Supervision regelmäßig austauschen und sich an unsere Psychologin wenden, wenn sie eine Situation nicht aufarbeiten können. Sehr viel wird auch im Kollegenkreis aufgefangen. Wir stützen und stärken uns alle gegenseitig nach Kräften.
Gibt es schöne Momente?
Ja, es gibt viele schöne Momente. Eltern, Kinder, Geschwister können bei uns Kraft tanken. Eltern, die sonst 24 Stunden lang angespannt sind, finden wieder Zeit für gemeinsame Unternehmungen oder für sich selbst und genießen das. Auch unseren Spenderinnen und Spendern empfehlen wir, Dudenhofen zu besuchen. Hier gibt es viele lachende Menschen, und beim Gang durchs Haus trifft man auch mal eine verwunschene Prinzessin oder einen wilden Piraten, die sehr deutlich vermitteln, dass dies kein Ort der Traurigkeit ist.
An unserem Gedenk-Mäuerchen stelle ich unsere Kinder vor, weil es mir und auch einigen Eltern ein wichtiges Zeichen ist, dass sie mit ihrer ganz eigenen Geschichte und ihren Besonderheiten in der Welt waren, sind und bleiben. Und es ist schön, dass die Besucher eine Ahnung davon haben, wer Tom, Mia, Simon und die anderen Schätze waren bzw. sind.
Sie arbeiten seit 2010 beim Kinderhospiz Sterntaler. Hat Sie die Arbeit verändert?
Im Wesen habe ich mich nicht wirklich verändert. Aber meine Sicht auf die Dinge ist eine klarere geworden. Wie wir alle hier, bin ich demütiger geworden und weiß „den Moment“ viel mehr zu schätzen, als ich das zuvor in der Lage war. Wir alle sind tief beeindruckt von unseren Sterntaler-Kindern. Davon, was sie uns lehren und mit auf den Weg geben. Sie wissen und spüren so vieles und gehen mit einer Tapferkeit und Klarheit in manch schwere Prüfung, wie man es irrtümlicher Weise so jungen Menschen nie zutrauen würde. Sie sind kleine Helden und wir alle wissen, wie dankbar wir sein können, für sie da sein und wirken zu dürfen, jeder auf seinem Platz, an seiner Stelle.
Wer trägt die Kosten für einen Aufenthalt im Kinderhospiz?
Für das erkrankte Kind zahlen Kranken- oder Pflegekassen derzeit einen Tagessatz von 237,50 Euro. Der vom Bundesverband errechnete Betrag, mit dem kostendeckend gearbeitet werden könnte, beläuft sich auf 800 Euro. Aufgrund dieser Zahlen kann man unschwer die finanzielle Situation aller stationärer Kinderhospize einschätzen.
Die Unterbringung der Eltern und Geschwister, Verpflegung, Ausflüge, Ausstattung der Zimmer, Therapien, von baulichen und entsprechend kostenintensiven Maßnahmen ganz abgesehen – das alles wird komplett aus Spenden finanziert. Damit sich das ändert, machen wir durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und in Gesprächen auf breitester gesellschaftlicher Ebene und in der Politik auf die finanzielle Unterausstattung und die hohe Belastung der Teams aufmerksam.
Wie kann man Sterntaler unterstützten?
Am besten mit viel Geld, mit dem wir die offenen Posten decken und unseren laufenden Betrieb sorgloser finanzieren können.
Warum arbeiten Sie mit der GLS Bank zusammen?
Es ist sehr schön, dass die Philosophie der GLS Bank auch unserer sehr nahe steht. Unsere Gründerin Ursula Demmer war es immer – und unsere neue Chefin Anja Hermann ist ebenso sehr an Nachhaltigkeit und Erhalt interessiert, egal ob das Energie, Materialien oder Zwischenmenschliches anbelangt. Uns verbindet, dass wir Brücken bauen zwischen Menschen, die können und wollen, und solchen, die brauchen und Neues schaffen wollen. Dabei beschreiten sowohl GLS Bank als auch Sterntaler neue Wege. Uns verbindet Sinnhaftigkeit, Menschlichkeit, Liebe zu den Menschen und Hoffnung.
Mehr Infos
Website des Kinderhospiz Sterntaler
Fotos
Engel aus Eisen (Hendrick Rauch), andere Copyright Kinderhospiz Sterntaler
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